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Arbeitsamt

© ddp

Arbeitsagentur: "Da wurden Sie falsch informiert"

Eine junge Frau wollte sich nur arbeitslos melden. Doch was dann kam, glich einer Odysee durch die Arbeitsagentur. Ein Erfahrungsbericht.

Rote Flecken verteilen sich langsam auf dem Gesicht der kleinen blonden Frau. Nervös kramt sie in Papieren herum, in meinen Papieren. „Ja, äh und warum sind sie jetzt bei mir?“ Auch ich bekomme rote Flecken. Vor Wut. Es ist die einzig gute Frage die mir diese Frau während des bisherigen Gesprächs gestellt hat.

Ich wollte mich nie arbeitslos melden. Mein Vertrag lief aus und demnächst werde ich studieren, klingt jetzt nicht nach der typischen Karriere einer Arbeitslosen. Doch dann war da noch meine Mutter, die mir tagelang in den Ohren lag, dass es sicher irgendwie einen Sinn hätte, diese trotzdem für ein paar Monate zu verfolgen. Ihr tut es heute sehr leid, dass ich auf sie gehört habe.

Menschenschlangen, überfüllte und stickige Gänge, ewiges Warten – so stellte ich mir damals das Arbeitsamt vor, deswegen haute mich mein Wecker sehr früh aus dem Bett und ich packte mir ein fettes Buch ein. Das Gebäude, das ich eine Stunde später betrat, hat mit meiner Vorstellung allerdings nichts zu tun: Ein Glaspalast in dem man höchstens auf dem Frauenklo eine Schlange zu sehen bekommt.

Auf den ersten Blick wirkt alles gut organisiert. Am Empfang gibt es zwei Sorten Menschen, die es zu sortieren gilt: „Hartz IV“ steht feuerrot auf der linken, „Arbeitslosengeld I“ knallgelb auf der rechten Seite. Wie bei einer Schnitzeljagd weisen die Farben den Weg durch die verwinkelten Gänge zu den einzelnen Stationen. Meine Allererste war ein gelbes Wartezimmer in dem ich auf eine Mitarbeiterin wartete. Ich war völlig alleine, während sich einige Leute in der roten Ecke mit Stehplätzen begnügen mussten. Mein Buch brauchte ich nicht. Eine knittrige Frau rief mich zu sich, kein Lächeln, kein „Guten Morgen“. Stumm verwies sie mich auf einen Stuhl, blätterte in meinen ausgefüllten Formularen. „Redakteurin. Haben sie überhaupt eine Ausbildung?“ Ich erklärte ihr, dass ich ab Oktober studieren möchte. Es interessierte sie nicht. Sie drückte mir blaue Blätter in die Hand in die ich meine Fertigkeiten eintragen solle, damit man mich vermitteln könne. Ich sagte ihr noch einmal, dass ich ja bald studieren möchte. Es interessierte sie nicht. Ich könne alles am nächsten morgen einer Mitarbeiterin der Service-Stelle erzählen, die mich um elf anrufen würde. Feierabend.

Am nächsten Morgen erklärte mir eine säuselnde Stimme, dass ich per Post einen Termin für ein Arbeitsvermittlungsgespräch bekäme. „Ich will aber demnächst studieren“, säuselte ich zurück. „Aha. Das ist egal. Sie müssen dieses Gespräch führen, ansonsten bekommen sie kein Arbeitslosengeld.“ Aha.

Zunächst bekam ich eine Einladung zum Arbeitslosenkino, bei dem der Film „Rechte und Pflichten des Arbeitslosengeld-I-Empfängers“ gezeigt wird. Zu Beginn erklärt eine freundliche Frauenstimme, dass das Arbeitsamt jetzt Arbeitsagentur heißt. Klingt eben positiver. „Ihre berufliche Zukunft, unser Auftrag. Unsere Mitarbeiter, kompetent und hilfsbereit“, wirbt die Stimme weiter. Schließlich beginnt eine Komödie in deren Hauptrolle Mike Sommer, ein arbeitsloser Diplom Sozialpädagoge, zu sehen ist, der den Weg zurück in den Arbeitsmarkt sucht. Das mit dem Schauspielern sollte er jedenfalls lassen. Am Ende scheitert Mike, weil er sich weigert, eine Arbeit mit langem Anfahrtsweg anzunehmen.

Die freundliche Hintergrundstimme erklärt, dass die Chance, in der Nähe einen Job zu finden, ziemlich gering sind. Eine triste Hochhaussiedlung zieht vorbei. Ich könnte wirklich heulen. Am Ende unterschrieb ich einen Wisch, mit dem ich bestätige den Film gesehen zu haben. Ansonsten bekomme ich kein Arbeitslosengeld. Ob mir überhaupt etwas zusteht wusste ich nicht, obwohl ich es laut Film eigentlich sollte: „Sofort erfahren, womit sie rechnen können.“

Dass ich mit nichts zu rechnen brauchte, erfuhr ich ein paar Wochen später. Ich hatte einen Termin um meine Arbeitslosenmeldung abzugeben, ein Monat nachdem ich das erste Mal das Arbeitsamt, pardon, die Arbeitsagentur betreten hatte. Die Frau am Schreibtisch warf einen schnellen Blick auf meine Unterlagen und erklärte, dass ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hätte. Kein Geld, der ganze Spaß umsonst. Ich fragte warum man das nicht hätte eher klären können. Stumm zuckte sie die Schultern. Ich wurde wütend. „Ihnen ist das als junger Mensch nicht ganz bewusst, aber es ist wichtig, dass sie sich gemeldet haben“, erklärte die Dame mit ruhiger Stimme. Ich fragte, ob ich denn jetzt noch das Arbeitsvermittlungsgespräch führen müsse. Sie erklärte, dass das nur zu meinem Besten sei. „Sie können sich jetzt für Hartz IV melden“, leierte sie während ich wütend meine Sachen packe. Ich sah rot und verschwand durch die Glastür.

Jetzt sitze ich hier beim Arbeitsvermittlungsgespräch, meiner letzten Station. Vor einem Monat hatte ich die blauen Papiere abgegeben in denen alles über meine bisherige Laufbahn steht. Ich sollte die Unterlagen so früh abgeben „damit sich mein Arbeitsvermittler optimal auf das Gespräch vorbereiten kann“. Die Dame die mir gegenüber sitzt, sieht meine Unterlagen heute zum ersten Mal. Es ist ihr peinlich, dass sie noch nichts in ihren Computer übertragen hat und mich jetzt noch mal alles abfragen muss. Deswegen die roten Flecken. Und dann stellt sie die alles entscheidende Frage, was ich denn eigentlich bei ihr wolle. „Wissen Sie. Die Service-Stelle hat mir gesagt, dass ich zu Ihnen müsse weil ich ansonsten kein Arbeitslosengeld bekäme“, zische ich über den Tisch zu. „Da wurden sie falsch informiert. Ach, wir haben oft solche Probleme mit der Service-Stelle.“ Sie merkt, dass mich das nicht beruhigt, und wendet sich dem Computer zu, um meine Fähigkeiten als Redakteurin abzufragen. „Multimediakonzeption-und Management?“. Ich habe keine Ahnung wovon die Frau spricht. Sie auch nicht. „Fragen sie mich nicht was das ist. Ich habe keine Ahnung“, sagt sie und kichert verlegen. Die Flecken im Gesicht werden größer. „Vorhanden“, antworte ich resigniert. Dann fragt sie mich, was denn eigentlich Storyboard-Writing ist. Ich kritzle kleine Vierecke auf Papier. Zum Schluss versucht sie sich an einer Entschuldigung: „Wissen Sie, wir sind hier eben auf dem Amt. Da ist alles ein bisschen komplizierter.“

Antonie Rietzschel

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