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AUF DEM WEG NACH OBEN Was man braucht, um ins Top-Management aufzusteigen: Der perfekte Chef

Talent, Ehrgeiz, Training oder Elternhaus? Wie man zur Führungskraft wird, ist unter Experten umstritten

Die Manager von Morgen bekommen eine Aufgabe, die typisch ist für den Alltag in Unternehmen: Ein Mitarbeiter der IT-Abteilung arbeitet wiederholt schlampig. Ein Softwarefehler schleicht sich ein, der den Bürobetrieb für Stunden lahm legt. Damit sich das nicht wiederholt, zitiert der Vorgesetzte den Mitarbeiter zu einem persönlichen Gespräch. Wie würden Sie sich als Vorgesetzter verhalten?

„Anhand dieser Problemstellung kann man recht gut beurteilen, ob jemand als Chef in der Lage ist, die richtigen Worte in dem Konflikt zu finden“, sagt Jürgen Below, Geschäftsführer der Personalberatung Kienbaum Berlin. Das Rollenspiel ist Teil eines Auswahlverfahrens für künftige Führungskräfte.

Zahlreiche Business-Schools bereiten Nachwuchsmanager auf solche Situationen vor. Die Studiengänge haben verheißungsvolle Namen wie „Leadership and Change Management“ oder „Advanced Leadership“. Trends erkennen, Ziele festlegen, Mitarbeiter in neue Arbeitsfelder einweisen, Kritik üben, Prozesse planen und Aufgaben delegieren – die Liste der Managementaufgaben ist lang. Doch lässt es sich tatsächlich lernen, von Mitarbeitern als Leitfigur akzeptiert zu werden und wichtige Entscheidungen auch gegen Widerstand zu treffen?

„Wer schon im Elternhaus gelernt hat, ganz selbstverständlich Macht auszuüben, hat einen deutlichen Vorteil“, sagt Michael Hartmann, Professor an der Technischen Universität Darmstadt. Schon seit vielen Jahren beobachtet der Soziologe die deutschen Eliten. Eine seiner Erkenntnisse ist: Vier von fünf Top-Managern der 100 größten Unternehmen stammen aus den oberen drei Prozent der Bevölkerung, dem so genannten Großbürgertum. So etwa Nikolaus von Bomhard. Der Spross eines Adelsgeschlechts startete nach Jurastudium und Promotion als Trainee bei der Versicherungsgesellschaft Münchner Rück. Heute ist er Vorstandsvorsitzender. Auch Ekkehard Schulz, der Chef des Stahl- und Rüstungsunternehmens TyssenKrupp wuchs als Sohn eines Bankdirektors auf.

„Wer nicht in diesen Kreisen aufgewachsen ist, läuft immer wieder Gefahr, durch Unsicherheit aufzufallen“, sagt Hartmann. Gegen die ungeschriebenen Gesetze der höheren Gesellschaft zu verstoßen und sich damit lächerlich zu machen. „Dies ist ein Hindernis, das mit Leadership-Studiengängen kaum zu bewältigen ist.“ Mit den dort erlernten Methoden reiche es allenfalls bis zum mittleren Management. Die Ebene darüber sei den meisten verbaut.

Dass allerdings auch der Aufstieg von ganz unten möglich ist, zeigt das Beispiel von Werner Wenning. Als er 14 war, starb sein Vater, ein Elektriker. Schon früh musste er Verantwortung für die Familie übernehmen. Dennoch hat er es zum Vorstandsvorsitzenden des Chemie und Pharmaunternehmens Bayer gebracht.

Nicht nur wegen solcher Ausnahmen ist Michael Hartmanns Auffassung umstritten. „Ich bin absolut davon überzeugt, dass jeder das Potenzial hat, eine Führungspersönlichkeit zu werden“, meint etwa Pierre Casse, Direktor der Berlin School for Creative Management. Die Schule wurde 2006 gegründet mit dem Ziel, Nachwuchsmanager aus der Kreativwirtschaft weiterzubilden. Führung sei keine absolute Größe, sondern von den äußeren Umständen abhängig, meint Casse.

Für den Präsidenten der Schule, Michael Conrad, bedeutet Führung, „die Richtung anzugeben und Menschen zu motivieren, diese Richtung mitzugehen“. Ein Chef müsse seine Mitarbeiter respektieren, ihnen zuhören und sie mit einbinden. Neben der Mitarbeiterführung ist es für ihn Aufgabe von Führungskräften, Produkte zu entwickeln und auf die Bedürfnisse der Klienten einzugehen. Die Instrumente hierfür werden den Nachwuchsmanagern in Vorlesungen und Gesprächen mit Vorbildern aus der Praxis vermittelt.

Auch Jürgen Below von Kienbaum ist überzeugt, dass Management erlernbar ist. Mit Instrumenten wie Zielvereinbarungen, Mitarbeitergesprächen und Gruppenarbeiten komme man in der Regel im Berufsleben ganz gut zurecht. Ob ein Mensch allerdings tatsächlich für Führungsaufgaben geeignet sei, hänge von seiner Persönlichkeit ab.

Henrik Zaborowski von der Personalberatung Access bedient sich eines „Identitätskompasses“, um Talente für Führungspositionen zu erkennen. So versucht er herauszufinden, wie der Bewerber um eine Managementposition Informationen erfasst. „Eine Führungskraft, die immer nur das große Ganze sieht, aber an Details kein Interesse hat, wird schwer mit Mitarbeitern kommunizieren können, denen es genau umgekehrt geht“. Man wird sich nicht verstehen. Doch auch darum geht es: „Ein Chef muss fähig sein, sich in die Lage seines Gegenübers zu versetzen.“

Zaborowski versucht außerdem herauszufinden, was den Bewerber motiviert, eine Führungsposition anzustreben. Ist es Einfluss, Zuneigung oder Erfolg? „Nur wer Einfluss ausüben will, sich nicht ständig in Frage stellt und nicht von allen gemocht werden will, kann Führungsaufgaben übernehmen.“

Der Personaler unterscheidet drei Typen von Managern: den Visionär, den Realisierer und den Qualitätssicherer. Sie sind je nach Situation und Bedarf im Unternehmen erfolgreich. „Wenn es gilt, eine neue Abteilung aufzubauen, wird jemand gebraucht, der Leute motivieren und mitziehen kann“, sagt Zaborowski. Wenn es allerdings darum gehe, von Mitarbeitern Mehrarbeit zu fordern oder sogar Entlassungen anstehen, komme man mit diesem Stil nicht weit.

Für Sigrid van de Bergh, Personalleiterin der Dresdner Bank Berlin, spielt die gesellschaftliche Herkunft für den Erfolg als Führungskraft keine Rolle. „Wer einmal für unsere Bank arbeitet, für dessen Fortkommen zählt der Wille, sich weiter zu entwickeln.“ Zu ausgeprägtes Selbstbewusstsein, zum Beispiel aufgrund der Herkunft, sei nicht immer ein Vorteil. Wer etwa keine Kritik annehme, könne sich kaum verbessern. Gerade das aber sei eine wesentliche Eigenschaft von guten Führungskräften.

Henning Zander

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