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Allein unter Männern. Julia Tscheslog macht eine Lehre als Fahrzeugslackiererin. Und lässt sich dabei auch nicht von Vorurteilen

© Kitty Kleist-Heinrich

Ausbildung als Fahrzeuglackiererin: Das Ergebnis zu sehen, ist das Beste

Nach einem Arbeitsunfall konnte Julia Tscheslog ihren Beruf nicht mehr ausüben und musste sich neu orientieren. Die zweite Lehre gefällt ihr – sogar besser als die erste.

Lacke und Farben haben es Julia Tscheslog einfach angetan. „Handwerk war schon immer mein Ding.“ Bereits als Kind sei sie auf der Baustelle herumgerannt, erzählt sie. Ihr Vater war Maler und Lackierer. Daher kommt wahrscheinlich auch Tscheslogs Berufsneigung. Nach der Schule trat sie dann in seine Fußstapfen und begann eine Ausbildung. Den Beruf hätte sie womöglich heute noch, hätte sie das Schicksal nicht in eine andere Bahn gezwungen. Sie fiel von der Leiter und zog sich einen Beckenbruch zu. Der war zwar nach einigen Wochen auskuriert, aber als Folge blieben die Schmerzen. Bald stellte sich heraus, dass sie nicht mehr länger als eine halbe Stunde auf der Leiter stehen konnte. Damit war sie nicht mehr fähig, ihren Beruf auszuüben.

Schließlich hörte sie von der freien Lehrstelle als Fahrzeuglackiererin beim Autohaus Zellmann. Sie schrieb eine Bewerbung und kurz darauf wurde sie zum Probearbeiten eingeladen. Schließlich sollte es auch tatsächlich klappen und Julia Tscheslog befindet sich nun im dritten Lehrjahr ihrer zweiten Ausbildung. Eigentlich ist es erst das zweite Jahr, aber wegen ihrer abgeschlossenen ersten Lehre durfte Julia ein Jahr überspringen. Und wegen ihrer guten Noten.

Die sind auch Manfred Zellmann wichtig. Weniger bei der Einstellung als während der Lehrzeit. Wenn der Firmengründer von seinen Azubis spricht, dann funkeln seine Augen. Dann merkt man, dass der Besitzer von drei Autohäusern einst selbst klein angefangen hat. Noch zu DDR-Zeiten hat sich der ausgebildete Ingenieur mit einer Werkstatt für Trabbis selbstständig gemacht. Nach der Wende baute er dann Stück für Stück seinen Betrieb aus.

41 Lehrlinge beschäftigt das Autohaus Zellmann heute. Bei insgesamt 200 Angestellten ist das ein ungewöhnlich hoher Anteil. „Das ist mir schon ein Anliegen“, sagt Zellmann dazu. „Vor allem ist die Durchfallquote unserer Azubis fast null.“ Im Berliner Durchschnitt liegen die bei 30 bis 40 Prozent. Und viele bleiben auch danach als Gesellen im Haus oder machen noch ihren Meister.

Das kann sich Julia Tscheslog auch vorstellen, wenn sie im kommenden Jahr ihre Prüfung bestehen sollte. Stress macht sie sich deswegen aber noch nicht. Im September gilt es zunächst mal, die erste Zwischenprüfung zu bestehen. „Ich gehe das aber ruhig an. Ist ja schließlich schon meine zweite Lehre.“

„Ich werde nicht anders behandelt als die Jungs“

Diese Ruhe hilft ihr auch in der eher von Männern dominierten Welt als Frau zu stehen. Obwohl sie selten mit Vorbehalten konfrontiert wurde. „Selbst auf den Baustellen in meinem alten Beruf war das selten“, sagt die attraktive junge Frau. Wenn ihr doch Vorurteile begegneten, dann konnte sie die bisher stets mit guten Leistungen aus der Welt schaffen. Bisher habe sie sich aber immer gleichberechtigt gefühlt: „Ich werde nicht anders behandelt als die Jungs.“

Glänzende Aussichten: Im Zellmann-Autohaus bekommen verstaubte Karossen einen edlen Look verpasst.
Glänzende Aussichten: Im Zellmann-Autohaus bekommen verstaubte Karossen einen edlen Look verpasst.

© Kitty Kleist-Heinrich

Dennoch freut sie sich, bald weibliche Gesellschaft zu bekommen. Demnächst kommt eine zweite Auszubildende in die Lackiererei von Zellmann. Tscheslog hofft auf Unterstützung – allerdings in Sachen Fußball. Sie gehört nämlich mit drei weiteren Angestellten zu den einzigen Hertha-Fans im Betrieb in Alt-Glienicke. Der Rest der Fußballinteressierten sind Unioner. „Das ist aber eigentlich das einzige, worüber wir uns mal streiten. Ansonsten ist das hier wie eine große Familie“, sagt sie. Deshalb würde sie auch gerne nach der Ausbildung weiter hier arbeiten. Und natürlich, weil sie Autos liebt. Vor allem ihren Golf, bei dem sie schon vor ihrer Ausbildung als Fahrzeuglackiererin die Motorhaube optisch selbst veredelt hat.

Was reizt sie denn am Lackieren von Autos? „Das Ergebnis ist es. Das fertige Endprodukt zu sehen ist schon ein tolles Gefühl“, sagt Tscheslog. Etwas völlig Zerstörtes wieder aufzubauen sei schon eine Genugtuung für sie. Büroarbeit wäre nichts für sie. „Ein Stapel Papier schreckt mich ab. Beim Handwerk ist nach der Arbeit ein Erfolg zu sehen.“ Auch wenn mal etwas schief gegangen ist. Das kommt natürlich auch vor. Aber dann heißt es, ruhig Blut und von vorne beginnen.

Mit ihrer ausgeglichenen Art hat sie auch schnell ihren Gesellen überzeugt. Seit Beginn ihrer Ausbildung hat sie einen festen Paten, der sich um sie kümmert und ihr die wichtigen Tricks und Kniffe zeigt, die es bei Lackarbeiten so gibt. Ob sie durch ihre Gelassenheit auch eine ruhige Hand bekommen hat, die es für das Lackieren braucht, kann sie nicht sagen. „Wichtig ist, dass wir gut im Team zusammenarbeiten. Dann geht auch der Rest gut von der Hand.“

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