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Jackson Bodyguard

© dpa

Ausbildung: Bodyguards: Gefahr im Blick

Eine Fortbildung zum Bodyguard bringt Nervenkitzel pur. Worauf es beim Schutz von Politikern und Wirtschaftsbossen ankommt.

Mitten in der Nacht klingelt das Handy von Tobias Holzhüter. Der 37-Jährige ist sofort hellwach. Der Anrufer teilt ihm mit, es habe einen Übergriff auf einen Wirtschaftsboss gegeben und fragt, ob Holzhüter und seine Mitarbeiter den Schutz des Mannes übernehmen können. Der ausgebildete Personenschützer überlegt nicht lange: Zwei Stunden später ist er mit seinem Team auf der Autobahn, sie rasen 500 Kilometer durch die Nacht nach Süddeutschland. Für die nächsten vier Wochen bewachen sie die Schutzperson rund um die Uhr. Dann ist der Attentäter, der auf den Unternehmensleiter geschossen hatte, gefasst.

„In solchen Fällen ist der Adrenalinspiegel schon sehr hoch“, erinnert sich Tobias Holzhüter heute. In seinem linken Ohrläppchen funkelt ein kleiner Ring, eine schmale Goldkette lugt unter einem karierten Hemd hervor. In seinen akkurat gestutzten Haaren steckt eine Sonnenbrille und seine muskulösen Arme verraten, dass er regelmäßig Gewichte hebt. „Das typische Klischee eines Personenschützers: Breite Schultern und schwarze Sonnenbrille“, sagt er grinsend und um seine braunen Augen erscheint ein Kranz kleiner Lachfältchen.

Seit 2000 leitet der Vater zweier Kinder eine eigene Sicherheitsfirma mit sechs festen Mitarbeitern. Seine Kunden stammen fast ausschließlich aus Politik und Wirtschaft, nur selten aus dem Showbusiness. „Einige Stars und Sternchen beauftragen Bodyguards, weil es gut aussieht. Die wenigsten von ihnen brauchen sie wirklich“, erklärt er.

Wer denkt, Personenschützer seien nichts weiter als grimmig dreinblickende Gorillas in dunklen Anzügen, die nichts tun außer gefährlich auszusehen, der irrt gewaltig. Personenschutz erfordert auch geistige Arbeit. „Man braucht ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit, muss ständig alles im Blick haben“, sagt der Sicherheitsprofi.

Ursprünglich wollte der ehemalige Leistungsturner Polizist werden. Er bestand den Aufnahmetest, doch kurz darauf beendete ein schwerer Sportunfall seine Karrierepläne. Eines Tages sah er eine Zeitungsannonce, in der Sicherheitspersonal für ein Straßenfest gesucht wurde. Er meldete sich – und war sofort begeistert. Weitere Jobs in der Branche folgten. Im Jahr 1999 absolvierte er dann eine einjährige Fortbildung zum Personenschützer bei der Tüv-Akademie Nord. Den Lehrgang musste er aus eigener Tasche bezahlen – doch bereut hat er es trotzdem nicht.

Das Programm beinhaltete unter anderem Unterrichtung über Eingriffsbefugnisse, Einsatztaktik, Verhaltensschulung, Nahkampf, Fahrsicherheits- und Schusstraining. Auch das Erkennen und der Umgang mit Spreng- und Brandsätzen wurden geübt. Die Entschärfung von Bomben überlassen Holzhüter und seine Mitarbeiter in der Realität jedoch lieber den Spezialisten. „Keiner von uns will den Heldentod sterben“, betont er. Draufgänger hätten in diesem Job sowieso nichts zu suchen.

Neben körperlicher Fitness, Teamfähigkeit und Zuverlässigkeit zählt vor allem die psychische Belastbarkeit. In Gefahrensituationen braucht man starke Nerven und ein gesundes Maß an Misstrauen, um die Lage richtig einschätzen zu können. „Man darf nicht sofort in Panik verfallen, wenn ein Auto mit verdunkelten Scheiben an der Schutzperson vorbeifährt“, rät Holzhüter. Auch absolute Diskretion sei wichtig. „Sogar meine Frau fragt nicht mehr nach. Sie weiß, dass ich ihr nichts Konkretes über meinen Job und meine Auftraggeber erzählen werde.“

Zu einem Einsatz gehören mindestens drei Personen: Ein Teamleiter, der die Entscheidungen trifft, ein Mann, der sich in unmittelbarer Nähe zur Schutzperson befindet und ein Fahrer, der startbereit beim Wagen bleibt, falls sie evakuiert werden muss. Vor jedem Einsatz erstellen Holzhüter und seine Mitarbeiter eine umfangreiche Gefahrenanalyse: Von welcher Seite könnte eine Bedrohung kommen? Hat der Firmenchef etwa kürzlich Leute entlassen? Wie sieht sein Tagesablauf genau aus? Welche Orte besucht er und welche Fluchtwege gibt es dort?

„Meine Arbeit ist nie langweilig, jeder Tag ist anders“, sagt Holzhüter. Zu den Schattenseiten gehören unregelmäßige Arbeitszeiten, auch am Wochenende und nachts. Mit einem Acht-Stunden-Tag dürfe man nicht rechnen. Zwölf bis fünfzehn Stunden täglich seien für Leibwächter eher die Regel als die Ausnahme. Auch zu wochenlangen Einsätzen im Ausland müsse man bereit sein. Hinzu kommt: Man spürt die Launen aller Beteiligten. Besonders, wenn sich ein Auftrag über mehrere Tage oder gar Wochen hinzieht und man rund um die Uhr mit seinem Auftraggeber und dessen Familie zusammen ist, sei man schon mal der Blitzableiter. „Da muss man dann drüber weg sehen und sich ein dickes Fell zulegen.“

Allein in Berlin gibt es hunderte von Sicherheitsfirmen. Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September boomte die Branche, inzwischen sei die Nachfrage aber wieder gesunken. „Vom Personenschutz allein kann man nicht leben“, sagt Holzhüter. Seine Firma bietet daher unter anderem auch Geld- und Werttransporte für Juweliere an.

Doch wie sicher fühlt er sich in seinem Beruf? „Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie, ein Restrisiko bleibt immer. Aber das erlebt man auch im Straßenverkehr“, sagt er, als er aufsteht und seine Jacke überstreift. Er muss zum Flughafen. In ein paar Stunden landet ein Kunde, der sich darauf verlässt, dass sein Beschützer alle Gefahren im Blick hat.

Sina Tschacher

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