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Bankbranche: Vom Schalter auf die Schulbank

In der Finanzkrise haben Banker mit Fachwirtbrief die besten Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz

Die Schreckensmeldungen aus den USA reißen in diesen Tagen nicht ab. Von Milliardenverlusten ist die Rede, von Übernahmen und vor allem von Entlassungen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Finanzkrise fast 200 000 Bankern in den USA den Job kosten könnte. So weit wird es in Deutschland nicht kommen. Langfristig, so sind sich Experten einig, wird vor allem die Zahl der Angestellten im Vertrieb konstant bleiben oder sogar leicht steigen. Dennoch könnte die Realität mittelfristig anders aussehen. „Machen wir uns nichts vor“, sagt Ingolf Jungmann, Vize-Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. „Auch bei uns wird es Entlassungen in der Bankbranche geben.“

Wie sich ein Banker am besten gegen einen Jobverlust schützen kann? Kaum hat man die Frage gestellt, sprudelt es aus Jungmann heraus: „Weiterbildung, Weiterbildung und nochmals Weiterbildung.“ Die Zeiten, in denen sich ein Banker nach der Ausbildung hinter dem Schalter bis zur Rente ausruhen kann, sind Jungmann zufolge schon seit langem vorbei. Der Druck in der Branche ist groß. Das Bankwesen verändert sich kontinuierlich, die Kunden haben immer neue Wünsche und ständig kommen neue komplexe Produkte auf den Markt. Wer da nicht mithält, hat verloren. „Die Bedeutung der Weiterbildung wächst immens“, sagt auch Richard Stehle, Inhaber des Lehrstuhls für Bank-, Börsen- und Versicherungswesen der Humboldt-Universität zu Berlin. „Gerade in Zeiten der Krise kommt kaum ein Banker drum herum.“

Die Liste der Weiterbildungsmöglichkeiten für Banker ist lang. Sie reicht von Wochenendkursen im Rechungswesen und Buchführung hin zu Lehrgängen zum Thema Immobilen, Versicherungen oder auch Projektmanagement. Eine umfassende Fortbildung, die auf den beruflichen Aufstieg vorbereitet, ist der zweijährige Lehrgang zum Bankfachwirt. Voraussetzung dafür ist eine abgeschlossene Ausbildung zum Bankkaufmann oder in einem sonstigen kaufmännischen oder verwaltenden Beruf. An der Berliner Dependance der Frankfurt School of Finance können sich auch Quereinsteiger für den Bankfachwirt anmelden – sofern sie mindestens über vier Jahre Berufserfahrung in einer Bank verfügen. Nach erfolgreicher Prüfung als Bankfachwirt ist die nächste Stufe der Weiterbildung zum Bankbetriebswirt.

Das Studium findet in der Regel am Wochenende statt, so dass die Banker weiterhin in Vollzeit arbeiten können. Den Großteil der Kosten für die Weiterbildung übernimmt in den meisten Fällen der Arbeitgeber, berichtet Jungmann. Für den Banker allerdings bleibt ein Anteil von etwa 2000 Euro, den er, zum Beispiel für einen Bankfachwirt, zahlen muss.

Dass Bankhäuser in der Krise ihre Mitarbeiter stärker sich selbst überlassen, erfuhr Ingolf Jungmann bereits in den Jahren von 2001 bis 2003. Die Dotcom-Blase führte einerseits dazu, dass viele Banken ihre Budgets für interne Weiterbildung zurückfuhren. Andererseits verbuchte die Frankfurt School of Finance mehr Anmeldungen zu Seminaren und Lehrgängen als jemals zuvor.

„Die Banker haben ihre Weiterbildung selbst bezahlt, weil sie wussten, dass es eine Investition ist, die sich rechnet. Denn derjenige, der nichts vorzuweisen hat, wird unter Umständen als erster gehen müssen“. Dabei profitiert nicht nur der Arbeitnehmer von einer Weiterbildung. Auch der Arbeitgeber hat ein Interesse an gut qualifizierten Mitarbeitern. „Die Leute haben momentan kein Vertrauen mehr in ihre Bank.“, sagt Jungmann. „Nur mit top ausgebildeten Leuten kann man jetzt das Imageproblem wieder in den Griff bekommen. Alles muss nun in die Beratung gesteckt werden.“

Neben einer fachlichen Weiterbildung werden auch weiche Faktoren, so genannte Soft Skills, in der Bankbranche immer wichtiger. Eine Studie der Personalberatungsfirma Robert Half aus Frankfurt hat ergeben, dass Kommunikationsfähigkeit bei vielen deutschen Personalchefs an erster Stelle steht, wenn es um das Profil von Jobkandidaten geht. Auch die Anpassungsfähigkeit von Firmenneulingen halten die Personaler für besonders wichtig.

Gerade für Banker, die sich als Finanzberater selbstständig machen wollen, sind diese weichen Faktoren von besonderer Bedeutung, sagt Stehle von der Humboldt-Universität. Da der Begriff „Finanzberater“ nicht gesetzlich geschützt ist, ist es ratsam, sich durch Sozialkompetenz und ein umfangreiches Fachwissen von unseriösen Anbietern abzugrenzen. Eine zwölfmonatige berufsbegleitende Fortbildung für angehende Finanzberater bietet die Bildungs- und Wirtschaftsakademie (BIWAK) in Spandau an, inklusive einer externen Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer. Quereinsteiger mit Branchenkenntnissen werden im Lehrgang aufgenommen. Erfahrungen ersetzen kann der Kurs jedoch nicht.

„Neben Fachwissen sollte man als eigenständiger Finanzberater eloquent und charmant sein“, sagt Stehle. „Und: Man muss vor allem Lebenserfahrung mitbringen, da man in der Regel ältere Kunden berät und diese einen 24-Jährigen, der frisch von der Uni kommt, kaum für glaubwürdig halten.“ Von der Existenzgründung rät der Fachmann ohnehin ab. „In Zeiten der Krise ist jede feste Stelle Gold wert. Wenn sich die Branche in zwei Jahren wieder erholt hat, kann man sich immer noch in die Selbständigkeit wagen.“

Anne Hansen

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