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Jobs & Karriere: Das Doppelleben

Halb Student, halb Angestellter: Wie man es schafft, neben dem Beruf zu promovieren

Während Naturwissenschaftler die Uni oftmals erst mit dem Doktortitel verlassen, haben viele Studenten der Geistes- und Sozialwissenschaften nach der Abschlussprüfung die Nase voll. Sie wollen raus in die freie Wirtschaft, um mit ihrem Wissen Geld zu verdienen – ob als Lektor im Verlag, Betriebswirt in einem Unternehmen oder Jurist im Deutschen Bundestag.

Ganz aus dem Kopf schlagen wollen sich manche Absolventen einen akademischen Titel jedoch nicht. In einer so genannten externen Promotion durchforsten sie neben ihrem eigentlichen Beruf Bibliotheken und besuchen wissenschaftliche Kongresse. Sie treibt das Interesse für ihr Fachgebiet – oder auch die Aussicht auf ein höheres Gehalt.

PROMOVIEREN ZAHLT SICH AUS

Zwar sei der Doktortitel für den Einstieg in hochqualifizierte Jobs nicht mehr ausschlaggebend, erklärt Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie. „Mit fachbezogenen Praktika, Fremdsprachenkenntnissen und Auslandssemestern während des Studiums hat zum Beispiel ein Diplom-Kaufmann einen Vorsprung gegenüber dem Promovierten ohne Arbeitserfahrung.“

In Punkto Bezahlung gibt es jedoch in vielen Unternehmen weiterhin eine klare Hierarchie unter akademischen Abschlüssen und Hochschultypen. Nach Ergebnissen der letzten High-Potential-Studie von Kienbaum Consultants erhalten Absolventen von Fachhochschulen ein durchschnittliches Einstiegsgehalt von 39 000 Euro im Jahr. Ihre Kollegen mit Doktortitel können dagegen mit bis zu 60 000 Euro rechnen.

UNTERSTÜTZUNG VOM CHEF

Wer die Voraussetzungen erfüllt, einen Doktorvater gefunden und sich für eine nebenberufliche Promotion entschlossen hat, muss sich nun entscheiden: Er kann das Thema für seine Doktorarbeit so wählen, dass sich die Arbeit mit den Aufgaben im Unternehmen verbinden lassen. Dann kann er von seinem Arbeitgeber gefördert werden. Oder er reduziert seine wissenschaftlichen Recherchen auf die private Zeit nach Dienstschluss.

„Wer seinem Chef erklären kann, dass eine Promotion nicht nur der eigenen Karriere, sondern auch dem Unternehmen etwas bringt, ist klar im Vorteil“, sagt Hans-Werner Rückert, Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und psychologische Beratung der Freien Universität Berlin. Denn viele Firmen unterstützen Mitarbeiter mit höheren akademischen Ambitionen auch finanziell.

Rückert weiß von Doktoranden der Betriebswirtschaft, die von einer Unternehmensberatung für ein Jahr freigestellt wurden, um ihre wissenschaftliche Arbeit über ein betrieblich relevantes Thema voran zu treiben – und zwar bei vollem Gehalt. „Manchmal fördern die Chefs auch Aufenthalte im Ausland, die für eine Doktorarbeit notwendig sind“, sagt Rückert. Denkbar wäre es, den Mitarbeiter für einige Zeit in eine Firmenvertretung im Ausland zu schicken.

Viele Unternehmen erwarten für Ihre Investition in die Ausbildung der Mitarbeiter jedoch Gegenleistungen. „Ich kenne Doktoranden, die von Siemens gefördert wurden und sich im Gegenzug für mindestens fünf Jahre an das Unternehmen binden mussten“, sagt Rückert. Solche Abmachungen werden individuell ausgehandelt und im Arbeitsvertrag festgeschrieben.

WENN DER ARBEITGEBER NICHT HILFT

Wer dagegen in einem Fach seine Doktorarbeit schreiben möchte, das mit dem Job nichts zu tun hat – wie zum Beispiel ein Banker, der über osteuropäische Literaturgeschichte promoviert – arbeitet unter erschwerten Bedingungen. Eine Reduzierung der Arbeitszeit bei geringerem Lohn kann er mit dem Chef zwar verhandeln. Doch die gedankliche Barriere zwischen Beruf und Hochschule kostet Kraft. „Eine solche Hobby-Arbeit kann schon einmal fünf bis zehn Jahre dauern“, sagt Rückert.

In jedem Fall gilt: Ein bisschen promovieren geht nicht. „Man braucht Phasen, in denen man sich mehrere Tage am Stück mit seinem Thema beschäftigen kann“, sagt Rückert. Wenn der Chef nicht mitspielt, müsse man seinen Jahresurlaub dafür aufbringen. Um die knappe Freizeit effektiv auszunutzen, könnten Doktoranden bei den Studienberatungen der Hochschulen Kurse belegen. „Nachgefragt bei uns sind vor allem die Themen Organisation und Krisenbewältigung“, so Rückert. Die Workshops würden an mehreren Terminen im Semester angeboten.

Ratsam ist auch der Besuch von Doktorandencolloquien und privaten Gesprächsgruppen, die man über das Schwarze Brett in der Hochschule unter Angabe von Fach oder Thema findet. Solche Angebote nehmen vielen die Angst vor der Schreibblockade und helfen, Motivationstiefs zu überwinden.

SCHUMMELN GILT NICHT

Selbst wenn die Zeit bei einer berufsbegleitenden Promotion knapp bemessen ist: Weder bei der Recherche, noch bei der Niederschrift dürfen sich die Nachwuchswissenschaftler helfen lassen. „Vor Abgabe ihrer Arbeit müssen die Doktoranden mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie eine eigene wissenschaftliche Leistung abliefern“, sagt Hellmut-Johannes Lange, Leiter des Rechtsamts der Freien Universität.

Fliegt der Doktor-Schummel auf, kann der akademische Grad nachträglich entzogen werden. „Das ist an der Freien Universität schon vorgekommen“, so Lange. „Manchmal packt eine Ex-Freundin über die Täuschung aus, manchmal ein Verwandter.“ Im schlimmsten Fall war nicht nur die Mühe umsonst, es droht auch ein Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber. Sollte die zukünftige Promotion eine Voraussetzung für eine Einstellung gewesen sein, könne er zum Teil das ausbezahlte Gehalt zurück verlangen.

Philipp Eins

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