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Jobs & Karriere: Die hohe Schule des Konterns

Sie stehen bei kritischen Bemerkungen oft sprachlos da? Das muss nicht so bleiben. Schlagfertigkeit kann man lernen – und so Gespräche souverän meistern

Der Zuschauer hatte es gut gemeint, er wollte Harald Schmidt nur ein wenig helfen. Dem Moderator fiel nämlich nicht ein, wie das neue Buch seines Studiogastes hieß. Also rief der Mann von seinem Sitz aus den Titel unaufgefordert auf die Bühne, wo Schmidt zusammen mit Sarah Kuttner saß. Gelächter im Saal, Schmidt ist düpiert. Doch so schnell lässt er sich nicht die Schau stehlen. Sein Konter folgte prompt. Er wartete kurz, dann wandte er sich seinem Kollegen Manuel Andrack zu. „Wozu sind wir eigentlich mit Putin befreundet, wenn wir uns so etwas bieten lassen müssen?“

Keine Frage, in einem Meeting käme der Spruch vermutlich schlecht an. Wenn der Chef korrigierend in einen Vortrag eingreift, sollte man sich boshafte Antworten verkneifen. Trotzdem lässt sich aus Schmidts Replik lernen, wie man einen Gegenschlag wirkungsvoll platziert: Seine Reaktion kam schnell, sie lenkte von seiner Gedächtnislücke ab, und die Lacher waren anschließend auf seiner Seite. Eins zu null für ihn.

Das sind aber nur drei Tipps. Wer seine Schlagfertigkeit trainieren will – und das geht! –, dem stehen zahlreiche Tricks und Techniken zur Verfügung. Anhand von 22 gängigen Fragen, mit denen Unternehmen ihre Bewerber im Vorstellungsgespräch prüfen, spielen die Karriereberater Christian Püttjer und Uwe Schnierda im Folgenden in verteilten Rollen durch, die man auf kritische Nachfragen reagieren sollte. Welche Strategie angebracht ist, ob man also mit einer Gegenfrage Zeit gewinnen sollte, mit einem Kompliment antwortet oder mit einer humorvollen Übertreibung, das hängt von der Situation ab.

Klar ist: Eine geschliffene Rhetorik wird immer wichtiger. In vielen Unternehmen und Branchen ist die Konkurrenz bei Einsteigern und Nachwuchskräften groß, die Zahl der offenen Stellen hingegen klein. Im Vorteil ist, wer sein Können nicht nur durch Zeugnisse belegt, sondern es im Vorstellungsgespräch auch eloquent verkauft und die Kollegen durch seine Argumente mitreißt.

Und wer im Alltag von einem Vorgesetzten, Kollegen oder Sprücheklopfer verbal in die Enge getrieben wird, möchte sich aus dieser Situation befreien. Möglichst mit einer spontanen, geistreichen Antwort, die dem Gesprächspartner im Handumdrehen zeigt: Ich lasse mir nicht alles bieten, gehe aber diplomatisch vor.

Das Gesicht wahren, seine Spitzen wohldosiert abfeuern: Das ist im Geschäftsleben wichtig. Nur so kann man auch nach einem hitzigen Wortgefecht weiter zusammenarbeiten. Das gelingt vor allem dann, wenn man eine gesunde Portion Gelassenheit mitbringt. Wer sich seiner Stärken bewusst ist und Auseinandersetzungen sportlich nimmt, wehrt Kritik souverän ab. Oder geht auf sie ein, wenn sie berechtigt ist. Andersherum kann das Trainieren seiner Schlagfertigkeit helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken. Am Anfang reicht schon der Kniff, Antworten auswendig zu lernen. Etwa so: „Das klappt sowieso nicht.“ – „Genau. Und die Titanic war unsinkbar.“

Das üben Mitarbeiter in Seminaren, Studenten in Debattierclubs und Schüler in der „Deutsch-Olympiade“. An dem größten Rhetorik-Wettbewerb der Republik, den die Initiative Deutsche Sprache organisiert, nahmen in diesem Jahr knapp 30 000 Schüler teil. Durch Sprachspiele und Improvisationsübungen ermittelten sie in mehreren Runden ein bundesweites Siegerteam.

Die meisten Teilnehmer dieser Kurse werden ihre Pointen vermutlich nie so gekonnt setzen wie Harald Schmidt. Aber das muss man auch nicht. Es genügt bereits, wenn es einem durch ein wenig Übung nicht immer so geht wie Mark Twain. Wie formulierte der Schriftsteller einst so treffend? „Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.“

ANTWORTEN AUF KRITISCHE FRAGEN

„Sie sind aber nervös.“

Es ist keine Schande, in einer Prüfung nervös zu sein. Sie nehmen die Situation halt ernst. Würde es dem Prüfer besser gefallen, wenn Sie die letzten Nächte durchgetanzt hätten? Führen Sie ihm diese Alternative mit der Besser-als-Technik vor Augen: „Ich bin lieber nervös als desinteressiert und schlecht vorbereitet.“

„Besonders entscheidungsfreudig scheinen Sie nicht zu sein.“

Nicht drängeln lassen. Von einer schnellen, aber falschen Antwort hat auch Ihr Chef nichts. Machen Sie ihm klar, dass Ihre ruhige, konzentrierte Art für alle vorteilhaft ist. Dabei hilft die Gerade-weil-Technik: „Gerade weil ich meine Aufgaben genau abwäge, komme ich so gut mit der Arbeit voran.“

„Sie haben offensichtlich Lücken.“

Erwischt! Leugnen bringt in dieser Prüfung nichts. Machen Sie also Zugeständnisse: „Das stimmt. Umso mehr werde ich mich bei den anderen Themen anstrengen.“ Oder gewinnen Sie Zeit, indem Sie zurückfragen: „Was genau meinen Sie damit?“ Schweift der Prüfer nun ab, dringt er vielleicht nicht zu weiteren Wissenslücken vor.

„Wenn Sie vorbereitet wären, wüssten Sie, dass ...“

Ihnen pauschal vorzuwerfen, Sie hätten sich nicht vorbereitet, ist eine Gemeinheit und hoffentlich falsch. Weisen Sie Ihren Vorgesetzten darauf hin, dass er eine Grenze überschritten hat (Abgrenzungs-Technik): „Bitte bleiben Sie fair. Ich habe mich selbstverständlich vorbereitet.“ Sie können seine Unterstellung auch zuspitzen und die Übersetzer-Technik anwenden: „Sie haben mir gerade vorgeworfen, ich würde in ein wichtiges Meeting spazieren, ohne vorher eine Zeile gelesen zu haben.“ Derart in die Ecke gedrängt, wird Ihr Chef wahrscheinlich abwiegeln.

„Können Sie auch mal was zur Diskussion beitragen?“

Einige Chefs nutzen Meetings zur Selbstdarstellung und werfen Mitarbeitern hinterher vor, ihn nicht unterbrochen zu haben. Entlarven Sie den Schwafler nicht, geben Sie ihm lieber ein paar Streicheleinheiten (Komplimente-Technik): „Sehr gerne, ich möchte an etwas unheimlich Wichtiges anknüpfen, das Sie eben gesagt haben, nämlich ...“

„Ihnen fehlt Berufserfahrung.“

Der Hass-Satz jedes Anfängers. Sind Sie ein unbeschriebenes Blatt, hilft eine Ablenkung. Zeigen Sie, was noch schlimmer wäre als ein Mangel an Berufserfahrung (Besser-als-Technik): „Besser unerfahren als lernunwillig. Und lernen will ich.“

„Ich fürchte, Sie sind dieser Aufgabe nicht gewachsen.“

Reine Vermutung. Der klassische Konter (Retour-Technik) lautet: „Und ich fürchte, Sie sind Ihrer Aufgabe, wertvolle Talente zu erkennen, nicht gewachsen.“ Aber das wäre wohl Ihr letzter Satz in diesem Unternehmen. Bleiben Sie gelassen und holen Sie aus der Killerphrase das Wenige heraus, das sich in Ihrem Sinne umdeuten lässt (Übersetzer-Technik): „Das bedeutet, dass Sie mich nicht grundsätzlich ablehnen. Und damit haben Sie Recht, denn ...“

Beitrag aus dem Magazin „Junge Karriere“

Marc Winkelmann

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