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DIE RICHTIGE MARKTLÜCKE FINDEN Was Dienstleister heute brauchen: Die Problemlöser

Die Dienstleisterbranche ist bunt. Existenzgründer haben gute Chancen, mit der richtigen Idee und unternehmerischem Know-how Geld zu verdienen

Stefan Preuss macht sich gern nützlich. Er bringt die Wäsche zur Reinigung, holt das Auto aus der Reparatur und wartet auf den Monteur, der die Waschmaschine anschließen soll. Und nicht einmal ein Dankeschön erwartet der 35-Jährige dafür. Nur eines ist ihm wichtig: dass seine Kunden pünktlich zahlen. Denn Preuss ist Unternehmer. „Modern Butler“ heißt seine Firma und bietet fast jede erdenkliche Dienstleistung an. Falls gewünscht, gibt der Berliner den livrierten Diener und verwöhnt ein Liebespaar im Restaurant. Meist aber schlüpft er – ganz leger – in Jeans und Turnschuhe, besorgt für seine Kunden Einkäufe oder organisiert Partys. Jetzt, kurz vor Weihnachten hat der Dienstleister Hochkonjunktur. Denn nicht nur Wein und Weihnachtsgans sollen pünktlich zum Fest auf der Tafel stehen. „Ein Unternehmen beauftragte mich, 300 Weihnachtsgeschenke für seine Mitarbeiter einzupacken“, sagt Preuss. Drei Tage lang haben seine Helfer gewerkelt, bis jede Schleife auf den Päckchen saß.

Preuss profitiert davon, dass immer mehr Menschen bereit sind, für Dienstleistungen Geld auszugeben. „Früher hatten die Leute ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich bedienen ließen“, sagt Andreas Steinle, Leiter der Zukunftsakademie in Kelkheim und Autor der Studie „Service-Märkte: Die neuen Dienstleister“. Heute seien viele froh, wenn ihnen jemand Arbeit abnehme oder sie verwöhne.

Die neue Verwöhn-Mentalität hat nicht nur Preuss Unternehmen auf die Beine geholfen. Die gesamte Dienstleistungsbranche, wozu der Tankwart ebenso zählt wie der Unternehmensberater und im weitesten Sinne auch der Handel und die Gastronomie, befindet sich im Aufwind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat die Umwandlung der Industrie- in eine Dienstleistungsgesellschaft gar als Jahrhunderttrend ausgemacht und prophezeit dem Dienstleistungssektor fünf Millionen neue Arbeitsplätze bis 2020. Die Nachfrage wächst: Nicht nur Unternehmen und die öffentliche Hand nehmen Dienstleistungen in Anspruch, sondern zunehmend auch die privaten Haushalte.

Zwar läuft die Konjunktur in Berlin nicht ganz so gut wie in München oder Hamburg. Dennoch wird der Hauptstadt, wo schon heute fast 85 Prozent aller Betriebe Dienstleister sind, in der DIW-Studie bescheinigt „langsam in die Funktion einer deutschlandweit bedeutsamen Dienstleistungsmetropole hinein zu wachsen“. Mit verantwortlich für den Boom ist der Gründergeist der Berliner. Immer wieder schaffen sie es, interessante Marktlücken aufzuspüren und somit ganz neue Dienstleistungen zu etablieren. „Da entstehen Unternehmenszweige, die man so noch gar nicht kannte“, sagt Claus Labonté anerkennend. Für den Dienstleistungsexperten bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin liegt das am „kreativen Umfeld“. „In Wanne-Eickel wäre das gar nicht denkbar“.

In Berlin dagegen ist es zum Beispiel nicht nur denk- sondern auch machbar, Demonstranten zu vermieten – und damit Geld zu verdienen. „Die Demonstranten sind allerdings erst seit Anfang des Jahres in unserem Programm“, sagt Chris Möller, Geschäftsführer der Vermietungsplattform Erento. Doch zu der Zeit hatten Möller und sein Partner Uwe Kampschulte längst bewiesen, dass sie mit ihrer Dienstleistung eine lukrative Marktnische besetzen: Bereits wenige Monate nach dem Start des Unternehmens im Jahr 2003 schrieb es schwarze Zahlen. Bei dem Online-Vermietmarktplatz sind aktuell mehr als eine Million Artikel registriert, rund 330 000 Mieter und 6900 Vermieter. „Die Kultur hat sich geändert, die Menschen legen nicht mehr so viel wert auf Besitz“, erklärt Möller den Zuspruch zu seiner Idee. Wichtiger sei ihnen, für ein konkretes Problem eine Lösung zu bekommen. Ist beispielsweise der Ehering bei der Gartenarbeit verloren gegangen, mietet man sich heute ein Metallsuchgerät, um das gute Stück wieder zu finden.

Der Dienstleister als Problemlöser – das klingt fast so, als ob jeder das Zeug zu einem solchen Service hätte. Doch das stimmt nur bedingt. Zwar ermöglicht die Vielfalt an Dienstleistungen Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten und Qualifikationen den Einstieg in die Selbstständigkeit. Eine spezielle Ausbildung ist nicht zwingend erforderlich, wichtiger ist der Riecher für die richtige Idee, wie Möller und Preuss beweisen. Angesichts der „hohen Fluktuation“ unter den Existenzgründern warnt Labonté jedoch vor Blauäugigkeit und mahnt zur professionellen Herangehensweise. „Man darf die Geschäftsidee nicht aus der Zeitung abschreiben“, sagt der Experte. Außerdem seien Kenntnisse in Betriebswirtschaft unerlässlich, ergänzt ein Verdi-Sprecher. Es gibt eine Reihe privater und öffentlicher Einrichtungen, die entsprechende Kurse anbieten. Fehlendes Wissen kann man sich aneignen.

Das haben auch Katharina Klotz und Doris Müller-Toovey getan, bevor sie als Ausstellungsmacherinnen eine Firma gründeten. Noch wichtiger aber sei es gewesen, flexibel zu agieren, glauben die Agenturinhaberinnen. Anfangs hatten sie sich darauf konzentriert, Sammlungen in Inventarlisten zu dokumentieren. Doch nachdem die Freie Universität Berlin ihnen den ersten Ausstellungsauftrag erteilte, verlagerten sie ihren Schwerpunkt auf das Konzipieren von Präsentationen – „von der Recherche bis zur schlüsselfertigen Übergabe“, berichtet Katharina Klotz. Mittlerweile organisieren die beiden Frauen bundesweit Ausstellungen – und sind mit dem Erfolg ihres Unternehmens zufrieden.

In den heißen Projektphasen, wenn die Ausstellungen aufgebaut werden und der Arbeitstag 14 Stunden dauert, könnten sie dafür jemanden wie Stefan Preuss allerdings gut gebrauchen.

Sabine Hölper

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