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ENDLICH URLAUB Was Mitarbeiter beachten sollten: Email-Check am See

Einfach wegfahren geht nicht. Was Sie vor den Ferien noch erledigen müssen

Es soll nach Spanien in den Urlaub gehen in ein paar Wochen. Schon jetzt heißt das für Kerstin Exner Zusatzarbeit. Die Assistentin des Personalleiters der Berliner Siemens AG muss sich um eine Vertretung kümmern. Dazu fragt die 30-Jährige zunächst Kollegen aus der eigenen Firma, ob sie freie Kapazitäten haben. Klappt das nicht, lässt sie sich über eine Zeitarbeitsfirma eine Fachkraft vermitteln. „Dann muss ich für das Anlernen aber schon ein paar Tage mehr einplanen“, sagt sie.

Sommer, Sonne, Strand. Für viele tausende Berliner Beschäftigte beginnt mit den Schulferien auch der Urlaub. Einmal im Jahr mindestens sollte man drei zusammenhängende Wochen frei machen, raten Experten. Allerdings ist diese Zeit gut vorzubereiten, denn nur dann kann man ungestört abschalten (siehe Kasten).

Viele Berliner Firmen greifen wie Siemens inzwischen auf Zeitarbeitsfirmen zurück, um verreiste Mitarbeiter zu ersetzen. Gerade in den Sommermonaten suchen Mittelständler und Großunternehmen für schnell anzulernende Tätigkeiten befristet Arbeitskräfte, berichtet die Sprecherin der Zeitarbeitsfirma Adecco, Tanja Siegmund. Im kaufmännischen Bereich seien gerade Sachbearbeiter, Sekretärinnen oder Aushilfen in Callcentern, im technisch gewerblichen Bereich besonders Facharbeiter in der Fertigung und Konstruktion gesucht.

WIE SIE SICH VORBEREITEN

Doch gleich ob Kollegen aus der eigenen Firma oder Zeitarbeiter. Für die Einarbeitung der Vertretung gilt dasselbe: Dem Stellvertreter sollte kein Chaos hinterlassen werden. Übersichtliche Ordnungssysteme ermöglichen ihm, sich zurechtzufinden. Außerdem sollten Mitarbeiter vor der Übergabe Unerledigtes abschließen, empfiehlt der Berliner Arbeits- und Organisationspsychologe Jens Walter.

Wie Kerstin Exner die Abwesenheit an ihrem Arbeitsplatz organisiert, bleibt ihr selbst überlassen. „Ich schaue, welche wichtigen Termine während meiner Abwesenheit anstehen und richte Ordner und Telefonnummern ein, die meine Vertreterin schnell für den Chef zur Hand haben muss“, sagt Kerstin Exner. Ganz wichtig sei auch ein Eintrag in den Outlook-Abwesenheitsassistenten: „Die Mitarbeiter sollen informiert sein, wer Ansprechpartnerin ist, während ich weg bin.“

Empfehlungen für ihre Mitarbeiter geben auch andere Berliner Unternehmen wie Dussmann, Bayer Schering Pharma oder Philip Morris nicht. „Wir setzen auf den gesunden Menschenverstand und die Eigenverantwortlichkeit unserer Beschäftigten“, sagt etwa die Philip Morris-Sprecherin Elfriede Buben. Mitarbeiter kümmern sich selbstständig um Stellvertreter. Sie richten Out-of-Office-Mails ein, informieren Kunden oder klären, wer das Telefon während des Urlaubs übernimmt. Bislang, so Buben, habe das immer bestens funktioniert.

Doch nicht immer klappt die Übergabe reibungslos. „Es mag banal klingen, ist aber trotzdem sehr wichtig: Damit der Stellvertreter ohne mühevolle Suche alle Informationen zu einem Projekt findet, sollten diese systematisch angeordnet, verständlich und vollständig sein“, sagt Psychologe Walter. Gibt es vorhersagbare Probleme, sollte man seinen Stellvertreter bereits vorab informieren.

Ein automatisches Weiterleiten der Emails an zuständige Mitarbeiter aus der Abteilung ist dabei in manchen Fällen nicht ausreichend. „Viel wichtiger ist, dass die Mail auch kompetent beantwortet wird“, sagt Christoph Altenhofen vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart.

Nicht nur die Arbeitsprozesse sollten möglichst nahtlos weiter laufen. Auch manch unscheinbare Kleinigkeit im Büroalltag organisiert Assistentin Kerstin Exner vorab, schließlich müssen Mineralwasser und Kaffee ausreichend vorhanden sein und die Blumen regelmäßig gegossen werden.

IM URLAUB

Während Exner ihr Handy zuhause lässt und sich in Spanien ganz ausklinkt aus dem Arbeitsleben, hat ihr Vorgesetzter, der Personalleiter Stefan Moschko, den Blackberry immer im Urlaubsgepäck. „Jeden Abend schaue ich schon in das Postfach, um wichtige Emails zu lesen“. Seine Assistentin kann ihn in dringenden Fällen erreichen. Ab und an meldet er sich selbst, um zu fragen, ob Besonderes anliegt. Das beeinträchtige seinen Urlaub nicht, sagt er. „Ich identifiziere mich mit meinem Beruf.“ Die Arbeit hat auch in seiner arbeitsfreien Zeit einen Platz.

Eine gesetzliche Pflicht für den Arbeitnehmer im Urlaub erreichbar zu sein, gibt es indes nicht. „Von einem Arbeiter am Fließband wird niemand erwarten, dass er im Urlaub Emails abruft oder dringende Telefonate entgegennimmt“, sagt Anja Böckmann, Arbeitsrechtlerin der Berliner Anwaltskanzlei „Loh von Hülsen Michael“. Greifen könnte die so genannte Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber dagegen bei leitenden Mitarbeitern oder Managern, die sich im Unternehmen in hoher Führungsposition befinden. „Da muss dann jeder die Erreichbarkeit während des Urlaubs mit seinem Arbeitgeber vorab individuell klären“, rät Böckmann. Allerdings sollte man als Beschäftigter klarstellen, nicht wegen Lappalien angerufen zu werden. Schließlich sei es auch Teil der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, sicherzustellen, dass sich der Angestellte im Urlaub erholt.

ZURÜCK IM JOB

„Findet man nach dem Urlaub einen Stapel mit unerledigten, dringlichen oder gar überfälligen Vorgängen vor, macht das jeden Erholungseffekt in kürzester Zeit zunichte“, sagt Jens Walter. Wer seine Aufgaben vorher gut delegiert hat, profitiert auch nach der freien Zeit davon. Ganz reduzieren lässt sich der Stress nach dem Urlaub aber trotz bester Vorbereitung nicht. Auch auf die Siemens-Personalassistentin warten nach dem Urlaub reichlich Post und Hunderte Emails, die bearbeitet werden müssen. „Sich dann einen Überblick zu schaffen, Prioritäten zu setzen und Dringliches abzuarbeiten, kann schon einen Tag dauern“, sagt sie. Da kann es sich lohnen, offiziell einen Tag später aus dem Urlaub zurückzukommen. Das schafft erstmal etwas Freiraum zum Wiedereinarbeiten.

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