zum Hauptinhalt

Entwicklungshelfer: In die weite Welt

Wer bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) einsteigt, arbeitet international. Als Entwicklungshelfer in Afghanistan oder Mali sind Absolventen fast aller Fächer gesucht.

Wenn sich Jörg Yoder für einen Geschäftstermin in Schale schmeißt, trägt er ein weites Hemd mit langen Ärmeln und eine lockere Baumwollhose. Zudem bringt er viel Zeit mit: Zum einen für die oft beschwerliche Anreise – meist im Geländewagen, durchaus aber auch mal auf dem Rücken eines Pferdes. Und auch zum Tee trinken und Plauschen mit seinen Gastgebern, denen gegenüber es ein absoluter Affront wäre, ohne Umschweife auf geschäftliche Projekte zu sprechen zu kommen.

Yoders Arbeitsplatz ist in Faizabad, Afghanistan; in jenem Land in Zentralasien, in dem seit der US-Invasion und dem Sturz des Taliban-Regimes im Herbst 2001 Krieg herrscht. Von hier aus leitet der 39-Jährige für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Programm, das die Lebensgrundlagen der Menschen wiederherstellen soll. Er unterstützt die örtlichen Regierungen bei der Auswahl und Planung von Wiederaufbaumaßnahmen, hilft den Dörfern Gemeinderäte einzurichten und begleitet sie bei Projekten wie Wiederaufforstung, Trinkwassergewinnung, Infrastruktur oder auch Aus- und Weiterbildung. „Damit wollen wir die Menschen in die Lage versetzen, solche Vorhaben in Zukunft eigenständig umzusetzen“, erklärt Jörg Yoder.

Die Beratung in Entwicklungs- und Transformationsländern ist das Kerngeschäft des 1975 gegründeten Unternehmens. Die GTZ arbeitet vor allem für deutsche Ministerien, aber auch für internationale Organisationen, Regierungen anderer Staaten und private Firmen. Sie ist privatrechtlich als GmbH organisiert, befindet sich allerdings zu 100 Prozent im Bundesbesitz und nimmt ihre Aufgaben gemeinnützig wahr. Das heißt: Überschüsse werden ausschließlich für eigene Entwicklungsprojekte verwendet.

14 000 Mitarbeiter beschäftigt die GTZ weltweit, Tendenz steigend. 1700 von ihnen arbeiten in der deutschen Zentrale in Eschborn bei Frankfurt, etwa ebenso viele Deutsche sind als internationale Experten im Ausland. Sie kooperieren dort mit Fachkräften, die überwiegend aus der jeweiligen Region stammen. Letztes Jahr wurden 400 zusätzliche Stellen – größtenteils Auslandsstellen – geschaffen, dieses Jahr waren es bis zum Sommer bereits mehr als 270.

Für viele Einsteiger ist gerade die internationale Arbeit reizvoll. Die projektbezogenen Verträge laufen in der Regel über drei Jahre und können um maximal zwei Jahre verlängert werden, danach folgt ein Wechsel. Das kann ein anderes Projekt oder Land sein, aber auch die Rückkehr nach Deutschland; zum Beispiel in den Bereich Planung und Entwicklung, der für fachliche und konzeptionelle Fragen verantwortlich ist – oder auch ganz woanders hin.

Knapp die Hälfte eines Traineejahrgangs bleibt nach der 18-monatigen Ausbildung bei der GTZ, die andere Hälfte wechselt meist zu verwandten Arbeitgebern wie dem Deutschen Entwicklungsdienst oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Claudia Volk, Personalreferentin bei der KfW, bestätigt, dass Wirtschaftswissenschaftler, die bei der GTZ ausgebildet wurden, für die KfW durchaus interessant sind: „Mit entsprechender Fokussierung können sie sich auch im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern gut einbringen.“

Zur Auslandsarbeit gehören oft ungewöhnliche Arbeitsbedingungen dazu. So arbeitet Jörg Yoder „eigentlich mindestens sechs Tage pro Woche“, sagt er. „Das liegt aber auch daran, dass ich hier auf dem Land abseits von Spaziergängen und Lesen ohnehin wenig Freizeitmöglichkeiten habe.“ So macht er oft auch am Wochenende den einen oder anderen Dienst- oder Höflichkeitsbesuch. Dafür genießt er zusätzliche freie Tage, wenn er mal wieder in Deutschland ist, sei es beruflich oder privat.

Wer bei der GTZ einsteigt, arbeitet von Anfang an international. „Wir schicken unsere Trainees bereits nach wenigen Wochen quer über den Globus zu unseren Projektpartnern“, sagt Heise. Eine der neun Trainees, die seit Juli dabei sind (elf weitere beginnen diesen Monat), ist Eva-Maria Melis. Sie steht kurz vor ihrer Abreise nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens. Dort wird die 28-jährige Juristin, die eine Zwischenprüfung auch in Politik abgelegt hat, an einem Projekt zur Rechtsstaatsförderung mitwirken. Es soll dazu beitragen, dass die Organe der Judikative und die staatlichen Kontrolleinrichtungen ihr Mandat wirksamer wahrnehmen. Das Projekt kombiniert juristische Kenntnisse mit Organisations- und Managementberatung.

Melis spricht Spanisch und Englisch fließend. Sie hat ein Jahr an der Universidad de Oviedo in Spanien Völkerrecht studiert und drei Monate in einer spanischen Kanzlei gejobbt. Nach ihrem Studium leistete sie einen Teil ihres Referendariats im Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bonn. Bei der GTZ fühlt sie sich gut aufgehoben: Hier sei all das gefragt, was ihr in ihrer Ausbildung immer wichtig war: interkulturelle Kompetenz, ein offener Umgang mit Menschen, Fremdsprachenkenntnisse und Expertise im Bereich Recht und Gesellschaft.

Eine große Rolle für alle GTZ-Mitarbeiter spielt das Thema Sicherheit. Alle Ausreisenden durchlaufen daher im Vorfeld ein umfassendes Training. „Da geht es zum Beispiel um Sensibilität für potenziell gefährliche Situationen, um allgemeine Verhaltensregeln und vieles mehr“, erläutert Betriebsratschef Thomas Kalkert.

Jörg Yoder beendet in diesen Tagen seinen fünfjährigen Afghanistan-Aufenthalt und wird dann in der Eschborner Zentrale ein internationales Team aufbauen, um schneller auf weltweite Katastrophen und Krisen reagieren zu können. „Wenn ich dafür Bewerbungen bekomme, dann schaue ich immer als Erstes, ob die Person ein breites Themenfeld abdeckt und Interessen über das nötige Fachwissen hinaus entwickelt hat.“ Gesellschaftspolitisches Engagement zählt dazu, aber auch scheinbar Nebensächliches wie Hobbys (ein guter Reiter hat es zum Beispiel in Afghanistan leichter) oder Erfahrungen aus Studentenjobs (ein nebenberuflicher Kellner gilt als serviceorientiert).

Die fachliche Heimat kann fast überall liegen, fügt Personaler Heise hinzu: „Es gibt kaum eine Fachrichtung, für die wir keine Verwendung hätten.“ Und sagt dann doch, dass Ingenieure, die auf Energie, Wasser und Klima spezialisiert sind, sowie Volkswirte und Experten für öffentliche Finanzen die besten Karten haben. „Das liegt daran, dass wir mit unseren Projekten direkt auf Vorgaben des Bundes reagieren. Und seit zwei, drei Jahren sind eben Klimaschutz und kommunale Entwicklung die großen Themen.“

Gekürzter Beitrag aus der Novemberausgabe des Magazins „Junge Karriere“

Barbara Erbe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false