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Rompuy Ashton

© ddp

EU und UN: Deutsche sind eine Mangel-Erscheinung

Ob Europäische Union oder Vereinte Nationen – an der Spitze der 200 internationalen Organisationen spielen Deutsche kaum eine Rolle. Das Auswärtige Amt fördert daher intensiv junge Akademiker als Führungsnachwuchs

Rechts zu überholen, ist eine englische Spezialität – besonders versiert sind die Briten darin auf dem politischen Parkett: Mit der Ernennung der britischen Handelskommissarin Catherine Ashton zur ersten Außenministerin der Europäischen Union haben die gewieften Taktiker gerade gezeigt, wie man sich sogar als erklärter Gegner einer internationalen Organisation deren Spitzenposition unter den Nagel reißt und die Mitbewerber anderer Nationen abhängt.

Zwei neue Top-Posten hatte die EU zu vergeben. Doch deutsche Bewerber? Fehlanzeige. Neben der britischen Baroness etablierte sich noch der belgische Premierminister Herman Van Rompuy als EU-Ratspräsident in der Brüsseler Machtzentrale. Beide haben nun die Gelegenheit, bis 2014 die Geschicke des europäischen Staatenbundes auch zum besonderen Wohle ihrer Heimat zu lenken.

Ob Europäische Union (EU) oder Vereinte Nationen (UN), Weltbank oder Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – die rund 200 internationalen Organisationen sind zu zentralen Foren für die globale Politik avanciert. Hier werden Aktionspläne entworfen, internationale Handlungsrahmen festgelegt und Reformen angestoßen, kurz gesagt: Zukunft gestaltet.

Doch während Briten, Amerikaner und auch Franzosen seit Jahrzehnten strategische Personalpolitik betreiben, um Landsleute auf den Top-Positionen zu platzieren, spielen Deutsche an der Spitze dieser Institutionen kaum eine Rolle. In Brüssel lästert man über das Phänomen, das auf eine verfehlte Personalpolitik vergangener Jahre zurückgeht, als „deutsche Delle“.

Sie auszubügeln gehört zu Ronald Pofallas wichtigen Aufgaben als neuer Kanzleramtsminister. Er soll den Anteil deutschen Personals von derzeit rund neun Prozent an den schätzungsweise rund 56 000 Stellen des höheren Dienstes in den globalen Institutionen dringend weiter steigern. Um Landsleute auf einflussreiche Posten zu hieven, unterstützt das Auswärtige Amt den deutschen Führungsnachwuchs mit großem Aufwand. International tätige Talente zum Beispiel sollen besser verdrahtet werden, daher sponsert das Ministerium umfangreiche Netzwerk-Aktivitäten, darunter ein alljährliches Treffen von Auslandsdeutschen. Eine Online-Stellenbörse mit offenen Positionen bei globalen Organisationen soll die Jobsuche und eventuelle Wechsel erleichtern. Vorteil für die Behörde: Da in der Datenbank vielfältige Interessenten mit Berufserfahrung und ihren Profilen gelistet sind, kann das Ministerium gezielt deutsche Spezialisten anbieten – etwa wenn die Internationale Atomenergiebehörde oder die Weltgesundheitsorganisation Bedarf haben.

Darüber hinaus erhalten Akademiker mit Ambitionen auf die höhere Beamtenlaufbahn in der internationalen Verwaltung staatliche Bewerbungsnachhilfe. Denn sie müssen sich in anspruchsvollen Einstellungswettbewerben wie dem EU-Concours oder der National Competitive Recruitment Examination der Vereinten Nationen oft gegen Tausende von Mitbewerbern durchsetzen. Das Büro Führungskräfte zu Internationalen Organisationen (BFIO), eine Sonderabteilung der Bundesagentur für Arbeit, bietet deutschen Kandidaten Spezialtrainings an.

Ziel ist es auch, internationalen Verwaltungsnachwuchs möglichst schon unter Studenten zu rekrutieren. Dazu arbeitet das Ministerium mit Unis zusammen, wie beim Studiengang „International Relations“ in Potsdam und Berlin, zu dem ein Hauptseminar im Auswärtigen Amt gehört. Außerdem werden Praktikanten bei EU, UN, Weltbank oder Nato sowie in ausgewählten Nicht-Regierungs-Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder Amnesty International durch das Carlo-Schmid-Stipendium finanziell unterstützt.

Schließlich lockt noch ein besonders exklusives Stipendiatenprogramm Hochschulabsolventen mit internationalen Ambitionen: Das früher von Bosch organisierte „Kolleg für internationale Aufgaben“ ist gerade von der Mercator-Stiftung übernommen worden. In Kooperation mit der Studienstiftung des deutschen Volkes und dem Auswärtigen Amt läuft jetzt die Bewerbungsrunde für die Jahre 2010/2011 an. „Es sind alle Fachrichtungen willkommen, vom Wirtschaftsingenieur bis zum Historiker. Das selbst gewählte Projektthema muss aber Relevanz für die internationale Politik besitzen“, sagt Leiter Oliver Haack.

Denn während des 13-monatigen Programms arbeiten die jeweils 20 deutschen Kollegiaten an zwei bis drei Stationen bei unterschiedlichen Organisationen mit und bearbeiten eine praktische Frage der internationalen Zusammenarbeit. Drumherum absolvieren sie mehrwöchige Seminare zur internationalen Politik sowie zur Entwicklung ihrer Führungskompetenz. Die Stipendiaten üben sich darin, angemessen über die deutsche Außenpolitik zu parlieren und treffen dazu hochkarätige Gesprächspartner vom Vier-Sterne-General bis zum jeweiligen Regierungschef im Kanzleramt. Dank Knigge-Kurs können sie danach außerdem nicht nur ein Staatsbankett organisieren, sondern auch als Gast souverän bestehen.

Stiftung und Staat sponsern den Nachwuchs mit monatlich 1250 Euro. Zusätzlich übernehmen sie sämtliche Kosten für die persönliche und sprachliche Weiterbildung der Kollegiaten sowie für ihre Reisen in alle Welt. Kein Wunder, dass das Stipendium begehrt ist. Christoffer Brick aus Potsdam kann es noch immer kaum glauben, dass er unter rund 300 Bewerbern ausgewählt wurde. Seine Mühen, neben der Magisterarbeit noch die Bewerbungsunterlagen „vom Umfang einer Hausarbeit“ zusammenzustellen, haben sich gelohnt. Ebenso, wie sich zweieinhalb Tage lang den Strapazen des Assessment-Centers in Berlin zu stellen.

„Als Halb-BWLer bin ich eher ein Exot“, sagt Christoffer Brick beim Blick auf die aktuelle Liste seiner Kollegen, auf der sich auch Physiker, Politologen, Islamwissenschaftler und Linguisten finden. Dabei ist seine kaufmännische Expertise durchaus willkommen in der globalen Verwaltung, die ja nicht wie ein Unternehmen darauf angewiesen ist, Gewinne zu erzielen.

Gekürzter Beitrag aus der Januarausgabe des Magazins „Junge Karriere“. Der Stellenpool des Auswärtigen Amtes steht im Internet unter: www.jobs-io.de. Ansprechpartner ist auch die Arbeitsagentur unter www.ba-auslandsvermittlung.de (nach „Arbeiten bei internationalen Organisationen suchen)

Claudia Obmann

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