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Fernstudium: Schlau, und nicht allein

Wer Bachelor, Master oder Diplom im Fernstudium erwirbt, sollte seinen inneren Schweinehund im Griff haben – über Jahre. Vereinsamen müssen die Fernstudenten aber nicht: Wer sich mit Leidensgenossen vernetzt, kommt meist besser voran.

Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Als der Postbote bei Carina Hartmann klingelte, um ihr das erste Paket Studienunterlagen für den Fernstudien-Master in Management von der Wissenschaftlichen Hochschule Lahr (WHL) zu bringen, war die 23-Jährige gerade nicht zu Hause. Mit dem im Briefkasten hinterlassenen Abholschein in der Hand machte sie sich auf den Weg zur Post: „Als ich dann das riesige Paket gesehen habe, musste ich schon erst mal schlucken.“ Kiloweise Bücher und Studienbriefe schleppte die Frankfurterin nach Hause: „Das hat mir noch mal bewusst gemacht, was ich mir eingebrockt habe.“

Die nächsten Monate bestätigen ihre Ahnung, dass Freunde und Hobbys jetzt erst mal zurückstehen müssen. Als Absolventin eines dualen Berufsakademiestudiums war Hartmann ein strammes Programm gewohnt, doch das Fernstudium an der Hochschule der privaten AKAD-Gruppe neben ihrem Vollzeitjob als Consulting Analyst bei der Unternehmensberatung Steria Mummert ist ein anderes Kaliber: „In der Berufsakademie ist es eher wie in der Schule, jetzt muss ich mir alles selber erarbeiten.“

Etwa zehn Stunden, so schätzt Carina Hartmann, gehen im Schnitt pro Woche fürs Lernen drauf. „Ich habe Glück, dass ich ein Abendlerner bin.“ Das erste Semester ist inzwischen geschafft. Hartmann schätzt, dass es bis zum Abschluss noch fünf weitere werden: „Ich arbeite bis zu 60 Stunden in der Woche. Da ist es utopisch, den Abschluss in der Regelstudienzeit von zwei Jahren zu machen.“

Zahl der Fernstudenten nimmt zu

Etwa 100 000 immatrikulierte Fernstudenten gibt es in Deutschland. Damit streben 36 Prozent der insgesamt rund 300 000 Fernlerner einen akademischen Abschluss an. Fünf Prozent der zwei Millionen deutschen Studenten sind damit bereits in einem Fernstudium eingeschrieben: Vieles spricht dafür, dass es künftig noch mehr werden. Die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master machen es möglich, dass man schneller einen ersten akademischen Abschluss in der Tasche hat. Der Anteil der Bachelorabsolventen, die für den Master nicht mehr aus dem Job aussteigen wollen, wächst.

Darauf stellen sich auch die Anbieter ein: Nicht nur die zumeist privat geführten Fernhochschulen bauen ihre Studienangebote aus, auch staatliche Hochschulen rüsten ihr Fernstudienangebot auf. Vorreiter sind etwa die Hochschule Wismar oder die TU Kaiserslautern: Von den etwa 10 000 Studenten der TU Kaiserslautern sind über 3000 in berufsbegleitend angelegten Studiengängen eingeschrieben. Andere Hochschulen bieten Fernstudiengänge im Verbund an. So haben sich die Fachhochschulen aus Hessen, Rheinland-Pfalz und aus dem Saarland bereits 1996 zur Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen (ZFH) zusammengeschlossen.

Alle in diesem Artikel vorgestellten Hochschulen (siehe Kasten) sind staatlich anerkannt und bieten größtenteils bereits akkreditierte Studiengänge an: Die Abschlüsse sind also mit denen „normaler“ Präsenzhochschulen vergleichbar. Doch wie findet man das passende Angebot? Die entscheidende Frage neben dem Studienschwerpunkt dürfte sein, welches Angebot am besten zur persönlichen Lebenssituation passt. Angehende Fernstudenten sollten ihre Wunschstudiengänge daher auf folgende Fragen abklopfen: Möchte ich jedes Semester ein festes Pensum absolvieren oder meinen Studienverlauf weitgehend frei gestalten? Kann ich mich über Jahre zum Selbststudium motivieren oder gelingt mir dies in einer festen Studiengruppe besser? Ermöglicht mir mein Arbeitgeber, an mehrwöchigen Präsenzphasen teilzunehmen, oder kann ich nur Seminare am Wochenende nutzen? Unterhält die Hochschule ein Studienzentrum in der Nähe meines Wohn- oder Arbeitsortes oder muss ich für Präsenzveranstaltungen lange Reisezeiten (und damit auch hohe Kosten) in Kauf nehmen?

Doch egal für welches Programm man sich entscheidet: So einsam, wie viele glauben, ist ein Fernstudium längst nicht. Carina Hartmann, die Masterstudentin an der WHL, schätzt die freiwilligen Präsenztage im badischen Lahr – zu jedem ihrer 15 Module während des Masterstudiums werden drei bis vier Veranstaltungen angeboten – als willkommene Abwechslung zum Selbststudium: Fast noch wichtiger als das Wiederholen oder Vertiefen der Lerninhalte ist ihr die Tatsache, dass sie die Kommilitonen kennenlernt.

Kaum etwas hat das Fernlernen in den letzten Jahren so sehr verändert wie das Internet: E-Learning in Form von interaktiven Lerneinheiten, moderierten Foren oder Gruppenarbeiten übers Netz setzen inzwischen alle Anbieter ein. Entsprechende Angebote werden überall ausgebaut, neue Lernformen wie „Mobile Learning“ entstehen. Studierende der FernUni Hagen können sich bereits Teile von Kurseinheiten, wie etwa Übungsaufgaben, aufs Handy oder auf den Personal Digital Assistent (PDA) laden.

Kennenlernen über Social Networks

Internet-Plattformen, wie etwa Studienservice.de, eine private Seite von und für Fernstudenten der FernUni Hagen, ersetzen den Smalltalk in der Mensa. Bei Xing oder im StudiVZ bilden Fernstudenten eigene Gruppen, in denen alles von „wer kann mir alte Klausuren zu Steuerlehre schicken“ bis „wer von euch ist am Freitag beim Münchener Stammtisch?“ diskutiert wird. Für Olaf Grünner, der im letzten Jahr sein Diplom in Wirtschaftswissenschaften beim Platzhirsch FernUni Hagen gemacht hat, sind die Möglichkeiten, die das Netz bietet, zwar interessant, können aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.

Die Hagener haben mit 61 Studienzentren im In- und Ausland das dichteste Netz an Präsenzorten, an denen Übungen und Seminare stattfinden: Die Teilnahme ist freiwillig. Grünner, der als Organisationsberater beim Bundesverwaltungsamt beruflich viel unterwegs ist, hat seine Kurse danach ausgewählt, ob passende Veranstaltungen angeboten wurden. Fortan verbrachte er seine Wochenenden in den Studienzentren der FernUni. Der Austausch mit Kommilitonen und die Möglichkeit, Fragen zu den Inhalten der Studienbriefe zu stellen, motivierten ihn enorm. Und nicht nur in Sachen Studienerfolg brachte dem heute 33-Jährigen der Besuch der Studienzentren etwas: Gab es da doch eine besonders nette Kommilitonin, die im gleichen Studiengang eingeschrieben war. Seit drei Jahren sind die beiden nun ein Paar. Karriere-Magazin

Dorothee Fricke

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