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Filmbranche: Hinter der Kamera

Roter Teppich, Stars und Glamour: Viele Quereinsteiger zieht es in die Filmbranche. Mit Praktika und Weiterbildung haben sie gute Chancen, als Producer oder Aufnahmeleiter Fuß zu fassen

Fotografen, die Kameramänner werden wollen, Friseure, die gern als Visagisten arbeiten möchten oder auch studierte Germanisten, die sich gleich als Regisseure sehen – kaum eine andere Branche zieht so viele Quereinsteiger an wie der Film. Wenn am Donnerstag die Berlinale beginnt, werden wieder hunderte Schaulustige am roten Teppich stehen und die Stars und deren Gefolgschaft bewundern. Die Filmbranche übt auf viele einen großen Reiz aus. Denn sie riecht nach Hollywood, Ruhm und Glamour.

Doch die Zeiten, in denen man als Autodidakt in der Branche Fuß fassen kann, sind lange vorbei. Ohne Weiterbildung und Praxiserfahrungen etwa durch Praktika, hat man schlechte Karten. Und auch wenn man bereits in der Branche arbeitet gilt: „Wer sich nicht kontinuierlich weiterbildet, hat keine Chance“, sagt Klaus Keil, der Geschäftsführer des Erich Pommer Instituts in Potsdam, das medienspezifische Forschung, Beratung und Weiterbildung im Programm hat. „Die Entwicklung im Film geht wahnsinnig schnell voran“, so Keil.

Für Quereinsteiger und auch für Profis gibt es zahlreiche Weiterbildungskurse. Doch das Angebot ist oft wenig transparent und unübersichtlich. Zahlreiche private Akademien haben Seminare und Lehrgänge für zukünftige Filmschaffende im Angebot. Die Wahl der – oft teuren – Weiterbildung fällt da schwer. Keil rät Bewerbern, auf die Reputation des Veranstalters zu achten. Ist er schon lange auf dem Markt? Welche Referenzen hat er aufzuweisen? Ein seriöser Anbieter wird auf diese Fragen gern Auskunft geben. Das zweite Kriterium für die Wahl bei der Weiterbildung sind die angegebenen Lehrinhalte. „Je konkreter, desto besser“, sagt Keil. Schließlich spielen auch die Referenten eine wichtige Rolle. „Theoretiker kann man nicht gebrauchen. Die Dozenten müssen einen Namen haben und vor allem aus der Praxis kommen.“

Joachim von Vietinghoff ist so ein praxiserfahrener Lehrer. Er ist Filmproduzent und lehrt am Institut für Schauspiel-, Film- und Fernsehberufe (iSFF), einem Weiterbildungsinstitut der Volkshochschule Berlin-Mitte, das sich an professionelle Schauspieler sowie Film- und Fernsehschaffende wendet. Zur Zeit leitet von Vietinghoff den dreimonatigen Kurs „Produzenten und Produktionsleitung“. „Meinem Seminare bestehen zu mehr als der Hälfte aus praktischen Übungen. So produzieren wir zum Beispiel einen ganzen Tatort nach. Dafür erstellen wir die Drehpläne, machen die Kalkulation und organisieren die Aufnahmen“, berichtet er.

Die Teilnehmer, die sich in ihrem Bereich weiterbilden oder noch eine Zusatzqualifikation erwerben, sind nach dem Seminar gewappnet für die Praxis. „Wenn man erst einmal schwimmen kann, ertrinkt man nicht mehr“, so von Vietinghoff. 75 Prozent der iSFF-Absolventen bekommen nach Aussage des Instituts innerhalb eines halben Jahres nach der Weiterbildung einen Job.

Auch für Quereinsteiger bietet das iSFF Kurse an. Ab Herbst gibt es vier Lehrgänge, die mit einem IHK-Abschluss zertifiziert werden. Damit ist die IHK Berlin nach der IHK Köln bundesweit die zweite Kammer, die diese Abschlüsse abnimmt. „Wir freuen uns, dass wir jetzt auf die wachsende Nachfrage der Branche nach passgenauen Qualifizierungen reagieren – und bundesweit anerkannte Abschlüsse anbieten können“, sagt der IHK-Geschäftsführer für die Aus- und Weiterbildung, Christoph von Knobelsdorff. Die Lehrgänge für Producer, Aufnahmeleiter, Produktionsleiter oder Regieassistenten dauern drei bis vier Monate und werden in Vollzeit unterrichtet. Die Kosten von 3000 bis 4500 Euro übernimmt in der Regel die Arbeitsagentur.

Ein zertifizierter Abschluss wird für Quereinsteiger immer wichtiger. Denn die Anforderungen steigen. „Die Filmhochschulen haben einen derart hohen Output an guten Leuten, dass sich Quereinsteiger heutzutage deutlich mehr anstrengen müssen als vor ein paar Jahren noch.“, sagt Klaus Keil vom Erich Pommer Institut. Doch das heißt nicht, dass die Branche gänzlich auf Quereinsteiger verzichten kann. „Quereinsteiger werden akzeptiert und gebraucht“, sagt Keil.

Der Produzent von Vietinghoff gibt aber zu Bedenken, dass die drei großen Bereiche Regie, Produktion und Kamera in den meisten Fällen von Filmhochschulabsolventen besetzt werden. Fotografen, die sich an einem Wochenendkurs zum Kameramann weiterbilden, hätten am Markt eher weniger Chancen, sagt von Vietinghoff. „Im ganzen Mittelfeld aber, also in der Aufnahmeleitung, in der Regieassistenz oder auch im Maskenbild, gibt es dagegen sehr gute Perspektiven für Quereinsteiger.“

In einem sind sich alle Experten einig: Gerade Quereinsteiger müssen ein hohes Maß an Eigeninitiative haben und engagiert sein. Und: Sie müssen wissen, dass die Filmbranche ein Handwerk ist. Und eben nicht nur aus Blitzlichtgewitter und roten Teppichen besteht.

Diese Erfahrung hat auch Juliane Kemper gemacht. Der 28-jährigen war schon früh klar, dass sie zum Film wollte. Bereits mit 15 drehte sie mit ihrer Videokamera kleine Filme von sämtlichen Familienfesten und Geburtstagen. Doch sie studierte zunächst Medienkultur in Hamburg. Daneben absolvierte sie Praktika bei verschiedenen Filmproduktionen und arbeitete schon als Regieassistentin bei mehreren Kurzfilmen. Da merkte sie schnell, dass die täglichen Dreharbeiten mit Glamour nur wenig zu tun haben. „Da steht man schnell mal drei Stunden im Matsch und friert“, sagt Kemper. 22 Stunden am Set, das sei ihr längster Arbeitstag gewesen.

Abschrecken konnte sie das dennoch nicht. Sie will vielmehr fachlich weiterkommen. Gerade bewirbt sie sich für einen Regie-Aufbaustudiengang in Ludwigsburg, Köln, München und Potsdam-Babelsberg.

Anne Hansen

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