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© dpa

Firmengründung: Endlich die eigene Firma!

Ein Unternehmen aufbauen, sein eigener Chef sein: Gründen war selten so einfach wie heute. Wer Mut und Leidenschaft mitbringt, hat gute Chancen, Geldgeber zu finden.

Es war im Sommerurlaub auf Rügen, als Sonja Lehnert immer wieder die gleichen Gedanken hin- und herwälzte: Sollte sie ihre Stelle in der PR-Agentur kündigen und ihr eigenes Unternehmen gründen? Doch wie lebt es sich ohne ein festes Gehalt am Monatsende? Und die kniffligste Frage: Wie zufrieden ist sie heute eigentlich? Zurück in ihrer damaligen Wahlheimat Hamburg schlug sie sich weiterhin die Nächte um die Ohren und grübelte, bis ihre Entscheidung gereift war: Gründen – endlich die eigene Firma!

Das war im August 2006. Heute kann die zierliche 35-Jährige mit dem krausen, braunen Haar wieder durchschlafen. Vor einem dreiviertel Jahr hat sie in Düsseldorf ihre Agentur „Kunstradar“ eröffnet, seitdem geht es in kleinen Schritten voran. Lehnert berät mittelständische Unternehmen, die mit Ausstellungen auf sich aufmerksam machen wollen. Daneben baut sie ein Netzwerk von jungen Künstlern auf, für die sie Ausstellungen organisiert und die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt.

Eigentlich hat sie keinen Grund, euphorisch zu sein. Ihr Arbeitstag hat nun eher zwölf als neun Stunden und ihre Arbeitswoche eher sieben als fünf Tage. Und auch ein regelmäßiges Gehalt aus der Provision der verkauften Bilder und aus dem Beratungsgeschäft kann sie sich noch nicht zahlen. Trotzdem ist sie glücklich. „Die Arbeit fühlt sich jetzt nicht mehr wie Arbeit an“, sagt Lehnert. Endlich kann sie mit Künstlern und Unternehmen zusammenarbeiten – so, wie sie es immer wollte.

Sonja Lehnert ist nicht allein mit ihrem Schritt in die Selbstständigkeit. Obwohl die Unternehmen wieder mit anspruchsvollen Stellen und guter Bezahlung locken, nimmt die Zahl derjenigen zu, die freiwillig auf ein geregeltes Einkommen, freie Wochenenden und bezahlten Urlaub verzichten. Sie wollen lieber ihre eigene Firma wachsen sehen. Zwar weist die Statistik für 2007 einen leichten Rückgang der Firmengründungen aus. Das aber liegt vor allem an der Abschaffung der Ich-AG-Förderung für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. „Früher haben viele aus der Not heraus gegründet. Jetzt haben wir wieder mehr Lustgründungen“, sagt Berater Hans Emge. Auch die Politik unterstützt den positiven Trend. In vielen Städten gibt es Gründerzentren und Beratungsangebote. Die staatseigene Förderbank KfW greift den jungen Selbstständigen mit zinsgünstigen Krediten finanziell unter die Arme.

Die Voraussetzungen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, sind gut. „Das Gründerklima ist deutlich besser als in den Jahren von 2002 bis 2005, aber nicht so überhitzt wie zu Zeiten des Internet-Hypes 1999 und 2000, als Gründer für fast jede Idee einen Kapitalgeber finden konnten“, sagt Professor Malte Brettel vom Gründerkolleg an der RWTH Aachen. Das gilt sowohl für Web2.0-Gründer als auch für diejenigen, die Geschäftsideen abseits des Internets haben. „In Deutschland herrscht momentan eine gesunde Einstellung zum Thema Gründen. Wer eine gute Idee hat, wird auch Kapitalgeber finden“, sagt Brettel.

So wie Anton Jurina, 28, und Martin Höfeler, 25. Die beiden BWL-Studenten aus Köln haben das Mode-Label „Armedangels“ gestartet. Ihre Idee: T-Shirts und Kapuzenpullis aus umweltfreundlich angebauter und fair gehandelter Baumwolle zu verkaufen. Für die Investorensuche mieteten sie sich ein Auto, luden eine Kleiderpuppe in den Kofferraum und nahmen – um Geld zu sparen – über die Mitfahrzentrale drei Begleiter mit. „Bei einer Bank haben wir gar nicht erst versucht, einen Kredit aufzunehmen, weil wir keine Sicherheiten hatten“, sagt Jurina. Also mussten sie Risikokapitalgeber für sich gewinnen, die bereit waren, Anteile an ihrem Unternehmen zu kaufen. Doch die Studenten kassierten eine Abfuhr nach der anderen. Immerhin zeigte sich in der anfänglichen Durststrecke, dass Jurina und Höfeler auch in mageren Zeiten als Team funktionieren: ohne Geld, ohne Aussicht auf Geld, dafür mit reichlich Frust im Bauch.

Im Oktober 2006, endlich, wendete sich das Blatt. Warum, das wissen die Gründer bis heute nicht. An ihrem Konzept hatten sie nichts verändert. Trotzdem ging es auf einmal bergauf.

Heute sind die Venture-Kapitalgeber BV Capital und DW Capital mit im Boot, ein Gründerwettbewerb ist gewonnen, und der Umsatz wächst jeden Monat um 20 Prozent. Dringend sucht das mittlerweile acht Mitarbeiter große Team nach Verstärkung. Einmal im Monat treffen sich Jurina und Höfeler zur Skype-Konferenz mit den Investoren, um über Fortschritte und Probleme zu sprechen. Eigentlich müssten die beiden Gründer nur einen kurzen Report an die Geldgeber schicken, doch der Rat der Investoren ist ihnen wichtig. „Wir haben den Enthusiasmus, etwas aufzubauen, und wir profitieren von der Erfahrung und von den Kontakten unserer Investoren“, sagt Jurina.

Zunächst vertrieben die Gründer ihre in Portugal und Indien geschneiderte Ware nur im Internet. Die Frühjahrskollektion lag jedoch auch in kleinen Boutiquen aus. Sogar Promis haben Jurina und Höfeler von ihrer Idee überzeugt. Die Band „Sportfreunde Stiller“ trägt ihre Klamotten, Rapper Thomas D. von den „Fantastischen Vier“ auch, und die Viva-Moderatorin Johanna Klum hat für die neue Kollektion ein T-Shirt entworfen.

Prominente Fürsprecher sind gut fürs Geschäft. Mehr noch aber kommt es auf die Persönlichkeit an. Banken und Investoren haben aus den Pleiten des Dotcom-Booms gelernt und legen deutlich mehr Wert darauf, statt Blendern charismatische Unternehmer zu unterstützen.

„Das Team ist wichtiger als die Idee“, sagt auch Alexander Samwer. Er gründete mit seinen zwei Brüdern unter anderem den Klingelton-Marktführer Jamba, den sie dann 2004 für 273 Millionen Dollar an den Softwarehersteller Verisign verkauften. Mit dem Geld startete das Trio 2006 den European Founders Fund, der in vielversprechende Internetfirmen investiert. Die Samwers waren auch am Netzwerk StudiVZ beteiligt. Momentan halten sie unter anderem Anteile an Sport1, dem größten deutschen Sportportal, und an der Tauschbörse Hitflip. „Wir investieren auch in kleinere Testballons, bei denen das Team gut ist, aber an der Idee noch gefeilt werden muss“, sagt Samwer.

Viele Existenzgründer müssen es erst einmal durch eine finanzielle Ebbephase schaffen. Dabei hilft ein gut durchdachter Businessplan. Der macht das Risiko kalkulierbar und ist essenziell, wenn es darum geht, Investoren zu überzeugen. „Der Businessplan ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden“, betont Andreas Lutz, Betreiber der Internetseite www.Gründungszuschuss.de.

Vor allem durch die neuen Eigenkapitalvorschriften der Banken müssen die Kreditinstitute nun viel genauer ihre Risiken kalkulieren. Die Konsequenz: Charisma und Enthusiasmus zählen nur noch in Verbindung mit überzeugenden Konzepten. Ohne einen professionellen Businessplan sollten Gründer deshalb gar nicht erst zur Bank gehen. „Dabei muss vor allem die Executive Summary überzeugen, denn Geldgeber haben für die Erstbeurteilung oft nur wenige Minuten Zeit“, sagt Lutz. In der Management-Zusammenfassung müssen Geschäftsmodell und Erfolgsaussichten überzeugend dargestellt sein.

Für Gründer auf Kapitalsuche ist die Förderbank KfW eine wichtige Anlaufstelle. Seit Januar bietet das so genannte Startgeld Anfangskapital zu günstigen Konditionen für Gründer, Selbstständige und kleine Unternehmen, die nicht länger als drei Jahre auf dem Markt sind. Den KfW-Kredit von bis zu 50 000 Euro bekommen Gründer über ihre Hausbank. Lutz rät jedoch, sich immer auch Gegenangebote für reguläre Bankkredite einzuholen. Die könnten sogar günstiger sein. Gründer mit einem Kapitalbedarf von 50 000 Euro und mehr haben es hingegen deutlich schwerer, das nötige Geld zu bekommen. Unmöglich ist aber auch das nicht. Wer Kapitalgeber überzeugt, kann ihnen Anteile an seiner Firma verkaufen. Dazu wird der Unternehmenswert in einem komplizierten Verfahren berechnet. Zwar investieren Risikokapitalgeber nur selten in ganz junge Firmen, aber beim Business Angels Netzwerk sind die Chancen gerade sehr gut. „Wir sind nur zu zwei Dritteln ausfinanziert. Es ist also noch Geld da“, sagt Roland Kirchhof, Vorstand des Vereins. Die erfahrenen Unternehmer beteiligen sich nicht nur mit Kapital an den jungen Unternehmen, sondern beraten sie auch und lassen die Gründer von ihrem Netzwerk profitieren.

Wer in Branchen wie Medizintechnik oder Biotechnologie gründen will, kommt mit Business Angels allein jedoch kaum aus. Viele schicken ihre Bewerbung deshalb auch zu Michael Brandkamp. Er ist Geschäftsführer des High-Tech-Gründerfonds, der seit 2005 Startkapital für Technologieunternehmen bereitstellt. Jeden Monat gehen dort rund 100 Bewerbungen von Gründern ein, die Kapital von bis zu 50 0000 Euro benötigen. „Wer uns überzeugen will, der muss eine innovative Technologie mit Wachstumspotenzial präsentieren“, sagt Brandkamp. Etwa zwölf Prozent aller Bewerber erhalten eine Beteiligungszusage.

Eineinhalb Jahre hat sich Sonja Lehnert gegeben, um ihren Kunstradar zum Laufen zu bringen. Dann muss sie sich wieder die Fragen stellen: Geht das Konzept auf? Verdient sie genug, um sich zu ernähren? Eine Antwort steht für sie aber heute schon fest. „Ich kann mir nicht vorstellen, wieder angestellt zu arbeiten“, sagt sie. „Wenn es irgendwie geht, möchte ich ab jetzt immer selbstständig sein.“

Beitrag aus dem Magazin „Junge Karriere“

Astrid Dörner

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