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Ärzte

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Fortbildung: Fleiß nach Vorschrift

In einigen Berufen ist Fortbildung gesetzlich vorgeschrieben. Praktisch wird das jedoch kaum kontrolliert.

Ärzte, Anwälte, Lehrer und Beamte – auf den ersten Blick haben diese vier vermutlich nur eins gemeinsam: Sie müssen sich so manch schlechten Witze über ihre jeweilige Zunft gefallen lassen. In Sachen Weiterbildung verbindet sie aber noch etwas anderes. Während es den meisten Menschen selbst überlassen bleibt, wie ernst sie lebenslanges Lernen nehmen, sind die Angehörigen dieser Berufe gesetzlich zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet. Eigentlich. Denn die Konsequenzen, die „Schwänzern“ in der Praxis drohen, sind höchst unterschiedlich.

ÄRZTE

Bestens organisiert und kontrolliert ist die Fortbildungspflicht bei Medizinern. Seit dem 1. Juli 2004 besteht sie für niedergelassene Ärzte, für die Kollegen aus den Krankenhäusern seit dem 1. Januar 2006. Innerhalb von fünf Jahren müssen sie insgesamt 250 Fortbildungspunkte, so genannte Creditpoints, sammeln – durch den Besuch von Seminaren, Vorträgen und Kongressen, aber auch, indem sie Fachzeitschriften lesen und danach Fragebögen beantworten. Niedergelassene Ärzte müssen ihr Wissen in verschiedenen Kategorien auf den neuesten Stand bringen; die Fortbildung soll breit gefächert sein. Fachärzte in Krankenhäusern dagegen müssen einen Teil ihrer Creditpoints in fachspezifischen Fortbildungen sammeln.

Punkte gibt es dabei nur für Veranstaltungen, die von den Ärztekammern zertifiziert wurden. Die Teilnahme wird mit Hilfe von Ausweisen und Strichcode-Aufklebern genau dokumentiert. „Um das Sammeln der Punkte noch unkomplizierter zu machen, werden die Ärzte ihre Konten ab diesem Jahr auch selbst im Internet überprüfen können“, erklärt Sascha Rudat, Pressesprecher der Ärztekammer Berlin. Bisher war dafür ein Anruf bei der Kammer nötig.

Wer bei der Fortbildung schludert, dem drohen nach Ablauf von fünf Jahren Honorarkürzungen. „Die Berliner Ärzte gehen dieser Pflicht aber äußerst gewissenhaft nach“, beruhigt Sascha Rudat. Die von der Berliner Ärztekammer zertifizierten Veranstaltungen seien allesamt sehr gut besucht. Und so werde man voraussichtlich allen zur Fortbildung verpflichteten Kandidaten zum Stichtag die entsprechenden Zertifikate ausstellen können.

BEAMTE

Vom OP ins Bürgeramt: Auch für Berliner Verwaltungsbeamte ist Fortbildung Pflicht, festgeschrieben im Laufbahngesetz des Landes. Wie viele Arbeitstage im Jahr der Qualifizierung dienen sollen, ist dort zwar nicht geregelt. „In der Praxis sind das aber mindestens zwei Tage“, sagt Karl Heinz Wanninger, Leiter der Arbeitsgruppe „Landesweites Personalmanagement“ bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Dazu kämen Inhouse- Kurse, die von der Personalentwicklung speziell für einzelne Behörden konzipiert würden. Beamte in den Bürgerämtern werden so zum Beispiel für den Dienstleistungsbereich geschult, Mitarbeiter der Ordnungsämter nehmen an Seminaren zum Konfliktmanagement teil und Verwaltungsjuristen werden mit neuen Gesetzen vertraut gemacht.

Anders als bei den Medizinern soll der Besuch der Kurse aber nicht mit Zwang durchgesetzt werden, „denn das führt selten zu nachhaltigen Ergebnissen“, findet Karl Heinz Wanninger. „Die Teilnahme an dienstlichen Fortbildungen und damit das lebenslange Lernen sollte weniger Rechtspflicht, als vielmehr eine Selbstverständlichkeit sein.“ Dieses Fortbildungs-Verständnis im Verwaltungsalltag umzusetzen, sei vor allem für die Führungskräfte eine große Herausforderung, so Wanninger weiter. Eine Formulierung, die zumindest vermuten lässt, dass so manch Berliner Beamter seinen „Weiterbildungs-Dienst“ eher widerwillig antritt.

RECHTSANWÄLTE

Tausende von Gesetzen und Rechtsverordnungen gibt es allein in Deutschland – und jedes Jahr kommen neue hinzu. Damit Rechtsanwälte angesichts dieser Paragrafenflut auf dem laufenden bleiben, besteht auch für sie eine Grundpflicht zur Fortbildung. So sieht es zumindest die Bundesrechtsanwaltsordnung vor.

Doch Papier ist bekanntlich geduldig. In der Praxis gibt es bisher keine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Anwälte dieser Pflicht tatsächlich nachkommen – und so auch nur selten Sanktionen. „Fällt ein Anwalt allerdings dadurch auf, dass er dauerhaft Schadensersatzprozesse verursacht, liegt der Schluss nahe, dass er sich zum Beispiel über Gesetzesänderungen nicht ordentlich informiert“, sagt Marion Pietrusky, Hauptgeschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Berlin. „In diesen Fällen tritt dann die Verletzung der Fortbildungspflicht offen zu Tage und kann eine Rüge bis hin zu einem anwaltsgerichtlichen Verfahren nach sich ziehen.“ Ein solcher Fall sei ihr aber nicht bekannt, meint Pietrusky.

Einer verschärften Weiterbildungspflicht unterliegen Fachanwälte, also Rechtsanwälte, die sich auf ein bestimmten Rechtsgebiet spezialisiert haben. Die Bandbreit reicht dabei vom Arbeits- über das Familienrecht bis hin zum Handels- und Gesellschaftsrecht. Fachanwälte müssen jährlich mindestens zehn Stunden an Fortbildungen teilnehmen, die ihr Fachgebiet betreffen. „Wer dies versäumt, wird zunächst aufgefordert, die Stunden nachzuholen“, sagt Marion Pietrusky. Danach drohten „schärfere Sanktionen“.

Überlegungen, eine kontrollierte Fortbildungspflicht einzuführen, gibt es seit längerem. Juristin Pietrusky ist da jedoch skeptisch. „Anwälte üben einen freien Beruf aus. Und dazu gehört es auch, frei darüber zu bestimmen, wie man diesem Beruf gewissenhaft nachgeht“, sagt sie.

Allerdings lockt ein gut informierter Rechtsberater im Zweifel auch mehr Mandanten an. Mit diesem Argument versucht die Bundesrechtsanwaltskammer, ihren Mitgliedern das eigens entwickelte Zertifikat „Qualität durch Fortbildung“ schmackhaft zu machen. Das Gütesiegel können Anwälte erwerben, die sich über drei Jahre hinweg regelmäßig weiterbilden. Und sie dürfen damit auf ihrem Briefkopf, ihrer Visitenkarte und in ihren Kanzleiräumen werden.

LEHRER

Bessere Bildungschancen für Kinder sind spätestens seit den Pisa-Studien in aller Munde. Ein Schlüssel hierzu sind gut qualifizierte Pädagogen. Berliner Lehrer müssen sich laut Schulgesetz seit 2004 selbstständig und regelmäßig in der unterrichtsfreien Zeit fortbilden. „Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, kann bei sehr starken Defiziten im Einzelfall durchaus eine Fortbildung vom Schulleiter oder einer höheren Stelle verordnet werden“, erklärt der Berliner Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall. Bei der Auswahl der Fortbildungen erwarte man aber grundsätzlich ein hohes Maß an Eigeninitiative.

Neben den Kursen des Lisum, des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, können Pädagogen zahlreiche Angebote von Universitäten, freien Bildungsträgern und Kulturinstituten wahrnehmen (siehe Kasten). Laut Hans-Jürgen Pokall kommt es außerdem immer öfter vor, dass Lehrer in Unternehmen gehen, um dazuzulernen. Gut so, findet der Landesschulrat, denn „neue Entwicklungen in vielen Berufsfeldern machen Betriebe zu sehr sinnvollen Fortbildungsstätten.“

Viola Zech

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