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Im OP muss jede Bewegung von Simone Wegener sitzen, auch kleine Ungenauigkeiten können gravierende Folgen haben.

© Georg Moritz

Gebäudereinigung mal anders: In 15 Minuten muss alles glänzen

Simone Wegener ist OP-Reinigerin. Für diese Tätigkeit sollte man sensibel sein, gründlich – und gute Nerven haben.

Bevor sie nicht mit ihrer Arbeit fertig ist, kann in Saal Nummer Drei kein neuer Patient operiert werden. Simone Wegener reinigt die Lampen, die Tische und Stühle, die Wände, die Decke und den Boden mit einem speziellen Desinfektionsmittel. Ihre Handgriffe sind routiniert, ihr Blick gleitet immer wieder prüfend durch den Raum, der im Moment vor Sauberkeit glänzt. Doch nach dem nächsten Eingriff sieht das schon wieder ganz anders aus. Wer kein Blut – oder andere Überbleibsel einer Operation – sehen kann, ist für diesen Beruf nicht geeignet. Simone Wegener kommt damit zurecht: „Natürlich sehe ich hier auch vieles, was nicht so schön ist, aber das ist eben Teil meines Berufs.“

Operationssäle gehören zu den ganz unterschiedlichen Einsatzorten, an denen Gebäudereiniger tätig werden. Wer diese Ausbildung absolviert hat, kann – so beschreiben es die Berufsinformationsseiten der Arbeitsagentur – später zum Beispiel auch in der Flugzeugreinigung arbeiten oder die gigantischen Glasfassaden an der O2 World oder am Potsdamer Platz zum Glänzen bringen. Und natürlich auch die sogenannten Fassadenbefahranlagen und hydraulischen Hebebühnen bedienen, mit deren Hilfe die Reinigungskräfte bis ganz nach oben schweben, dorthin, wo die Hochhäuser am Himmel kratzen.

Das Beispiel zeigt: Gebäudereiniger sollten schwindelfrei sein. Und Spaß daran haben, auch große Flächen zu putzen, und zu planen, wie ein Gebäude im Inneren und von außen gereinigt werden kann. Während der dreijährigen Ausbildung lernt man unter anderem, Verkehrsmittel, Böden oder Industrieanlagen zu säubern. Auch die Schädlingsbekämpfung steht auf dem Stundenplan.

Gebäudereiniger wissen, mit welchen Maschinen, Geräten und Reinigungsmitteln sie Verschmutzungen beseitigen können und wie sie ihre Arbeitsmittel instandhalten und lagern. Durch den Umgang mit Hochdruck- und Dampfreinigungsgeräten können sie etwa auch historischen Gebäuden wieder zu einem frischen Äußeren verhelfen. Neuen Verschmutzungen beugen die Experten vor, indem sie die Fassade nach der Reinigung imprägnieren. So ist diese dann – ähnlich wie die Winterstiefel – besser vor Autoabgasen, Regen oder Schnee geschützt.

Nach dem Ausbildungsende können Gebäudereiniger aber auch Führungsverantwortung übernehmen, etwa durch eine Weiterbildung in der Objektleitung. Und sind dann später für die Reinigung ganzer Gebäude und der umliegenden Anlagen verantwortlich.

Simone Wegener hat früher in der Textilbranche gearbeitet. Als sie jedoch nach 23 Jahren ihre Stelle verliert, sucht sie nach einer Alternative – und unterhält sich lange mit ihrer Schwägerin, die schon viele Jahre im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge (KEH) in Lichtenberg arbeitet. Im August 2012 fängt sie dort als Reinigungskraft an, und wechselt bald in den OP. Eine erfahrene Kollegin erklärt ihr Schritt für Schritt, was zu tun ist. Wie sie die OP-Tische für den nächsten Eingriff vorbereiten muss, und dass eine Reinigung zwischen zwei Operationen 15 Minuten dauert und jeder Operationssaal alle 24 Stunden einmal 90 Minuten lang geputzt wird. Und auch das medizinische Personal hilft ihr weiter, wenn sie Fragen hat. Im OP muss jede Bewegung sitzen, auch kleine Fehler oder Ungenauigkeiten können gravierende Folgen haben.

Direkter Umgang mit den Patienten ist wichtig

In einem unterscheidet sich der neue Beruf nicht von ihrem alten: Sie ist weiterhin viel auf den Beinen. „Aber man bewegt sich ganz anders, man muss ja von der Decke bis zum Fußboden alles reinigen“, sagt Bernd Espenhain von Gegenbauer Health Care Services. Der Anbieter hat mit dem Krankenhaus die KEH Servicegesellschaft gegründet, die sich auf dem Gelände um die Gebäudereinigung und den Sicherheitsdienst kümmert.

Espenhain hat sich mit Simone Wegener und dem pflegerischen OP-Leiter Frank Volkmann in einen Pausenraum gesetzt. Er macht sich viele Gedanken darüber, wer aus seinem Team für die Arbeit im OP geeignet sein könnte: „Unsere Mitarbeiter müssen begriffen haben, dass das hier der sensibelste Bereich eines Krankenhauses ist. Wir müssen uns hundertprozentig darauf verlassen können, dass sie ihre Arbeit gut machen und nicht schlampig arbeiten.“ Und sie müssen diese Arbeit wirklich machen wollen.

Ein Händchen für Hygiene und ein Herz für Menschen gehören dazu.
Ein Händchen für Hygiene und ein Herz für Menschen gehören dazu.

© Georg Moritz

Simone Wegener hält Durchhaltevermögen und die Bereitschaft zur Arbeit im Schichtdienst für wichtige Voraussetzungen – dabei müsse auch die Familie mitspielen. Die Frühschicht im EKH beginnt um sechs Uhr, dann folgen der zweite Frühdienst, ein Zwischendienst, die Spät- und Nachtschicht. Eine Lieblingsarbeitszeit hat sie nicht. Sie kommt gut damit zurecht, dass die Schichten so häufig wechseln. Frank Volkmann ist wichtig, dass unter den Mitarbeitern ein ordentliches Arbeitsklima herrscht. „Wir sind alle aufeinander angewiesen, das ist ganz bedeutend für die Wertigkeit.“

Dazu passt, dass Simone Wegener und ihre Kollegen die gleiche hellblaue Dienstkleidung tragen wie das medizinische Personal. Während viele Gebäudereiniger eher wie die Heinzelmännchen vor allem dann arbeiten, wenn die anderen Mitarbeiter bereits Feierabend haben oder noch zu Hause beim Frühstück sitzen, kommen die OP-Reiniger auch mit Menschen in Kontakt. Simone Wegener gefällt es, dass sie direkten Umgang mit den Patienten hat, etwa, wenn diese in den OP eingeschleust werden. In dieser Situation machen sich viele, die gleich operiert werden, große Sorgen. „Wenn diese Menschen mich bitten, ob ich ihnen nicht die Angst nehmen kann, dann halte ich ihnen natürlich die Hand und mache ihnen Mut.“

Frank Volkmann nickt: „Das Herz für den kranken Patienten gehört einfach dazu.“ Er legt großen Wert darauf, dass alle im Team gut mit den Patienten umgehen. „Die Mitarbeiter müssen physisch und psychisch belastbar sein, ihr privates soziales Umfeld muss stimmen.“ Denn man bekomme hier alles zu sehen, Menschen mit schweren Verletzungen, Sterbende. Besonders schwierig ist es, wenn junge Menschen darunter sind. Simone Wegener hat zu Hause ihren Mann und ihre Tochter. Mit ihnen kann sie auch über diese Erlebnisse sprechen.

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