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© Thilo Rückeis

Grüne Woche: Der Melkmann

Zur Grünen Woche wird viel über die Landwirtschaft geredet. In Berlin gibt es noch 40 Betriebe. Gesucht sind Azubis – und neue Betreiber

Eine Blumenwiese mit zwei malmenden Kühen darauf, ein Schmetterling, der vor blauem Himmel über die Webseite fliegt. So wirbt der Bauer Georg Mendler im Internet für seinen Milchhof in Rudow.

Doch so idyllisch ruhig geht es auf dem Hof, den er mit seinem Bruder betreibt, eher selten zu. Die Mendlers halten Kühe, Schweine und Hühner und kümmern sich um Pensionspferde. In einem Hofladen verkaufen sie Milchprodukte, Fleisch, Brot und Eier. Der Arbeitstag beginnt um kurz vor fünf Uhr morgens und endet gegen halb sieben Uhr abends. Melken, füttern, verkaufen. Wenn es nötig ist, helfen Saisonkräfte. Gearbeitet wird auch am Wochenende.

„Ein Bürojob wäre nichts für mich“, sagt der gelernte Landwirt. Georg Mendler mag die abwechslungsreiche Arbeit in der Natur. In naher Zukunft steht für den 57-Jährigen die Frage an, die einige Bauern der rund 40 Betriebe in Berlin betrifft: Wird sein 16-jähriger Sohn den Hof einmal übernehmen?

Zur Grünen Woche wird in Berlin wieder über Landwirtschaft geredet. Nicht nur über Ernährung, Gartenbau und Tierhaltung kann man sich vom 15. bis zum 24. Januar auf der Messe informieren, sondern auch über die Ausbildungsmöglichkeiten. Bauer ist dabei nur einer von 14 Ausbildungsberufen in der Landwirtschaft. (Siehe Kasten)

Die Berufsperspektiven unterscheiden sich von Region zu Region. In den Betrieben in Berlin und Brandenburg sind Fach- und Führungskräfte gesucht, sagt Martin Lambers, der beim Deutschen Bauernverband (DBV) für Berufsbildung und Bildungspolitik verantwortlich ist. „Aktuell haben viele Betriebe Probleme, Nachwuchs zu finden, Ausbildungsplätze sind noch frei“, sagt Lambers.

Der Berufsalltag des Landwirts ist inzwischen hochgradig technologisiert, erklärt der DBV-Experte. Betriebliche Abläufe wie die Viehfütterung und die Stallklimatisierung verlaufen oft computergesteuert. Spezielle Programme berechnen die Zusammensetzung und Ausgabezeiten des Futters und den Düngereinsatz. Landwirte geben Daten über Tiere, Acker und betriebliche Ereignisse in ein elektronisches Handgerät ein. Am Rechner werden die Informationen dann ausgewertet. Auch landwirtschaftliche Maschinen werden immer öfter vom Fahrer über einen Bordcomputer gesteuert und kontrolliert.

IT-Kenntnisse sind daher ein wichtiger Teil der Ausbildung und auch Inhalt der Fort- und Weiterbildung, die vom Bauernverband, den Kammern und Bildungseinrichtungen angeboten wird. „Es ist in diesem Beruf sehr wichtig, am Ball zu bleiben“, sagt Lambers. Auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse seien gefragt, besonders wenn man einen Betrieb führt. Vermittelt wird das Know-how in der Meisterprüfung oder auch im Fachschulunterricht.

Nicht nur die Ausbildung führt in den Beruf. Wer als Fach- oder Führungskraft in die Landwirtschaft einsteigen will, für den kann auch ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium interessant sein. In den Bachelor und Master-Studiengängen können Schwerpunkte gewählt werden. Für den ökologischen Landbau etwa gibt es spezielle Studienangebote an der Fachhochschule Eberswalde und an der Universität Kassel. Bevor man mit dem Studium beginnt, sollte man aber Erfahrungen auf einem Bauernhof gesammelt haben, zum Beispiel in einem Praktikum – oder in einer Ausbildung. Denn der Beruf birgt einige Besonderheiten.

Die Arbeit ist meist saisonal geprägt, etwa durch die Ernte im Sommer und bestimmte Abläufe in der Tierproduktion. Danach richtet sich auch der Urlaub. „Bei uns auf dem Hof lässt sich freie Zeit ganz gut einrichten“, sagt Mendler. Die Brüder vertreten sich gegenseitig. Aber solche Verhältnisse sind nicht immer gegeben. „Man muss motiviert sein und sich mit dem Beruf identifizieren, um die Besonderheiten zu akzeptieren“, sagt Lambers.

Doch es spricht auch viel für den Beruf. Viele Landwirte träumen von einem eigenen Hof. Sie schätzen die Unabhängigkeit, die Entscheidungsfreiheit und die ländliche Lebensqualität, sagt Christian Vieth. Er führt an deutschen Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen Seminare zu „Selbstständigkeit in der Landwirtschaft“ durch. Um ältere Hofbesitzer und junge Gründer zusammenzubringen, hat Vieth 2008 das Internet-Portal Hofgruender.de ins Leben gerufen.

„Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich in der Landwirtschaft selbstständig zu machen“, sagt Vieth. Mit ausreichend Kapital kann man einen kompletten Hof übernehmen oder einen Hof neu aufbauen. Mit weniger Geld lässt sich ein sanierungsbedürftiger „Resthof“ kaufen und mit den erwirtschafteten Erträgen nach und nach erweitern. „Viele Betreiber gehen anfangs noch arbeiten und bauen sich die neue Existenz parallel auf“, sagt Vieth. „Wichtig ist, dass die Gründer eine gute Idee haben, die zur Region und der eigenen Qualifikation passt“, sagt er. Von der Region auch hängt es ab, wie viel ein Hof kostet. So bekommt man in abgeschiedenen Gebieten einen Resthof vielleicht schon für 20 000 Euro, muss dafür aber im Umkreis von Berlin weit mehr zahlen.

Existenzgründer können außerdem in bestehende landwirtschaftliche Betriebe einsteigen, die keinen innerfamiliären Nachfolger haben. In der Regel gibt es einen schrittweisen Übergang zwischen Alt- und Neueigentümer, der von externen Beratern begleitet werden sollte. „Die Lösungen für einen Generationswechsel sind dabei individuell verhandelbar: Vom lebenslangen Wohnrecht des Alt-Bauern auf dem Hof über ein ausgezahltes Altenteil oder einen teilweisen Verkauf oder die Verpachtung des Hofes ist vieles denkbar“, sagt Vieth.

Bauer Georg Mendler sieht die Hofnachfolge gelassen. Solange wie möglich, will er weiterarbeiten. „Mein Sohn soll nur Bauer werden, wenn er wirklich dahinter steht“, sagt der Vater. Entscheidet sich der Sohn gegen den Hof, werden die Mendlers ihn verkaufen.

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