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Jobs & Karriere: Ich will mehr!

Wie Sie trotz Krise Ihr Gehalt verhandeln, in welchen Branchen noch mehr drin ist, welche Forderungen Sie stellen können und wie Sie sich auf die Verhandlungen vorbereiten

Wie ein Besuch beim Zahnarzt? Nein, diesen Vergleich findet Benjamin Lüpschen übertrieben. Wenn er in den nächsten Tagen zum Jahresgespräch bei seinem Chef antritt, empfindet das der 30-Jährige eher als positiv. „Ich bekomme ein konstruktives Feedback auf meine Arbeit. Und weil ich im letzten Jahr gut war und viele meiner Ziele erreicht habe, kann ich mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein da rein und über den Bonus und das Gehalt verhandeln.“

Die miesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in diesem Jahr wird er bei seinen Verhandlungen zwar berücksichtigen. Komplett ausbremsen lassen will er sich aber nicht: „Natürlich habe ich ein Auge auf die Interessen der Firma und darauf, was das Unternehmen derzeit umtreibt. Andererseits weiß ich auch, was ich geschafft habe. Ich denke, wir werden uns irgendwo in der Mitte einigen.“

Seit viereinhalb Jahren ist der Diplom-Kaufmann beim Konsumgüterkonzern Henkel beschäftigt, seit zwei Jahren in der Konzernstrategie und als Assistent des Vorstandsvorsitzenden Kasper Rorsted. Vier Jahresgespräche hat Lüpschen bereits hinter sich, viermal Ziele vereinbart, viermal seine Leistung verkauft – und unterm Strich ist er sehr zufrieden mit seinen Gehaltssprüngen. Mit etwa 45 000 Euro ist er wie jeder Hochschulabsolvent, der bei Henkel einsteigt, vor Jahren gestartet. Nach mehreren Gehaltsrunden und Positionswechseln verdient er inzwischen deutlich mehr.

Benjamin Lüpschen ist mit seinen Gehaltsambitionen und dem Ruf „Ich will mehr“ nicht alleine, das zeigt eine aktuelle Umfrage des Job-Portals Monster. Demnach planen 45 Prozent aller befragten Arbeitnehmer, auch in diesem Jahr beim Chef um mehr Gehalt zu fragen. Nur jeder Vierte gab an, dass er momentan darauf verzichte, weil ohnehin keine Aussicht auf Erfolg bestehe.

Die Bereitschaft, sein Gehalt zu verhandeln, ist in letzter Zeit merklich gestiegen. Vor einigen Jahren noch war das Gros der Belegschaft froh, dass sich die Tarifparteien um die Erhöhungen kümmerten. Mittlerweile ist es in vielen Unternehmen üblich, Ziel- und Bonusvereinbarungen zu schließen.

Regelmäßige Gehaltsgespräche sollten zum Standardrepertoire von Fach- und Führungskräften gehören. Die Verhandlungen sind Teil der persönlichen Selbstvermarktung, und weil Firmen den Beitrag eines Mitarbeiters zur Gesamtleistung letztlich in Geld bewerten, ist es sinnvoll, ihm die Chance zu geben, selbst für sein Gehalt zu kämpfen. Wer viel beiträgt, sollte mehr bekommen. Wer seine Ziele nicht erreicht, muss eventuell eine Runde aussetzen bei der Verhandlung, um wie viel das Monatsgehalt ansteigt.

In diesem Jahr allerdings werden verhandlungswillige Arbeitnehmer mit Blick auf die täglichen Horrormeldungen aus der Wirtschaft mit einem mulmigen Gefühl beim Vorgesetzten antreten. Ist es überhaupt sinnvoll, jetzt um einen Zuschlag zu bitten? Wie kommt das an? Welche Forderung ist okay, welche maßlos?

Derzeit ist Augenmaß gefordert. Gehaltscoach Martin Wehrle macht Arbeitnehmern trotzdem Mut: „Die Krise trifft längst nicht alle Unternehmen und auch nicht alle zur gleichen Zeit. Wer wirklich gut ist, hat jetzt beste Chancen auf ein erfolgreiches Gespräch.“ Wer erst bis zum Aufschwung wartet, wird sich anhören müssen: „Jetzt müssen wir uns erst ein bisschen erholen, bevor es wieder mehr gibt.“ Ohnehin würde sich dann die ganze Belegschaft ein Herz fassen und etwas vom Gehaltskuchen abhaben wollen.

Der ungeteilten Aufmerksamkeit des Chefs kann man sich also eher jetzt sicher sein. Die sollte ein Arbeitnehmer allerdings nur suchen, wenn er in jüngster Zeit Leistungen vollbracht hat, die eine zusätzliche Belohnung verdienen. Ein erfolgreiches Projekt also, ein gewonnener Neukunde oder eine entdeckte Möglichkeit, Kosten zu reduzieren. Mit Mittelmaß fällt man in der Gehaltsverhandlung eher negativ auf.

Dass für Erhöhungen durchaus das Budget vorhanden ist, zeigen aktuelle Erhebungen unter Personalverantwortlichen: Nach einer Studie der Vergütungsberatung Mercer planen deutsche Unternehmen, das Gehalt ihrer Führungskräfte um 3,3 Prozent zu erhöhen. Fachkräfte sollen 3,5 Prozent erhalten. Ihre früheren Schätzungen für 2009 haben die Unternehmen schon leicht nach unten korrigiert. Mitte 2008 hatte man noch damit gerechnet, in diesem Jahr knapp vier Prozent mehr zu zahlen. Möglich ist, dass die Firmen ihre Pläne ein zweites Mal korrigieren, sagt Jutta Kömm, Vergütungsspezialistin bei Mercer. Dass die Einkommen ganz eingefroren werden, wie derzeit bei Yahoo und der Omnicom-Gruppe, zu der Werberiese BBDO gehört, hält die Expertin aber nur in vereinzelten Branchen und Bereichen für wahrscheinlich.

Im Vergleich zum Vorjahr fallen die aktuellen Budgets zwar deutlich magerer aus – 2008 gab es laut Mercer im Schnitt 3,9 Prozent mehr, 2007 waren es drei Prozent. Trotzdem sind die Unternehmen auch 2009 gewillt, über Zuwächse mit sich reden zu lassen. Der Haken: Es gibt nicht für jeden etwas. Die Palette reicht von Nullrunden bis zu sechs, sieben, acht Prozent. In wirtschaftlich miesen Zeiten ist deshalb mehr Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick nötig. Die Erhöhungen sitzen längst nicht mehr so locker wie noch im vergangenen Jahr. Immerhin: Es gibt welche.

Anders als in finanziell guten Zeiten werden jetzt Mitarbeiter bevorzugt, die das Unternehmen durch die Krise bringen. Gehaltscoach Martin Wehrle hat diese Erfahrung in früheren Krisen gemacht, beispielsweise nach dem Platzen der Internetblase. „Bei der Masse der Belegschaft sind die Gehälter eher gesunken, bei Führungskräften und Leistungsträgern dagegen gestiegen.“ Thomas Haussmann, Leiter des Bereichs Human Capital bei Watson Wyatt Heissmann, bestätigt: „Die Firmen haben aus der Vergangenheit gelernt. Um nicht wieder beim Anziehen der Konjunktur ein Personalproblem zu bekommen, versuchen sie, ihre guten Leute bei Laune zu halten und an sich zu binden.“

Das Ziel muss also sein, den Chef von seinen Qualitäten als Leistungsträger zu überzeugen. Während sich jeder gerne selbst für einen solchen hält – schließlich gibt man sich ja ordentlich Mühe im Job –, folgt die Chef-Wahrnehmung anderen Regeln. „Sie müssen Ihre Stellung in der Abteilung und im Unternehmen kritisch unter die Lupe nehmen“, sagt Sabine Hansen, Partnerin bei der Personalberatung Heidrick & Struggles. „Sie müssen herausfinden, wie Ihre Chancen stehen.“

Arbeiten Sie mit den entscheidenden Kunden und Budgets? Sind Sie an strategisch wichtigen Projekten beteiligt? Also dort, wo Umsatz gemacht, das Image verbessert und Kosten verringert werden? Sind Sie Know-how-Träger? Haben Sie Kontakte? Sind Sie eine Marke? Wie sind Sie und Ihre Arbeit bei den entscheidenden Leuten angesehen? Wie war bisher das Feedback in Personalgesprächen? All das macht den Wert für die Firma aus.

Wie erfolgreich die Verhandlungen ausfallen, hängt letztlich aber von der Branche ab. Vorgesetzte in Banken und Automobilunternehmen bemühen derzeit oft das Totschlagargument – „Der Firma geht es nicht gut, und Sie wollen mehr Geld haben? Nein, tut mir leid!“ – und haben damit Recht. Andere Branchen hingegen – die Pharma- und weite Teile der Konsumgüterindustrie zählen dazu – kommen vergleichsweise glimpflich durch die Krise. Hier lassen sich solche Argumente seitens des Chefs mit einer kurzen Recherche vorab kontern.

Den vollständigen Beitrag finden Sie unter www.karriere.de

Ulrike Heitze

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