zum Hauptinhalt

Jobs & Karriere: Jobstart 2.0

Die Internetunternehmen suchen wieder nach neuen Leuten. Wer frische Ideen hat, kann bei Web-Giganten wie Google oder Ebay, Startups wie Spreadshirt und Xing oder der Community StudiVZ einsteigen

In der Backfabrik herrscht Backofenhitze. Hier, in der alten Fabrikhalle im Prenzlauer Berg in Berlin, schlägt das Herz des Studentennetzwerks StudiVZ. Mehr als 140 Beschäftigte – Durchschnittsalter 25 Jahre – steuern von hier aus Deutschlands reichweitenstärkste Webseite. Die Großraumbüros sind randvoll, denn seit kurzem werden von hier aus auch die Neugründung SchülerVZ und die internationalen Ableger in Polen, Frankreich, Italien und Spanien betreut. Mittendrin, in einer kleinen Ecke versteckt, sitzt Sascha Kubak. Der 25-Jährige ist Key Account Manager bei StudiVZ und längst ein alter Hase. Kurz nach dem Start der Community vor zwei Jahren ist Kubak dazugekommen, nebenbei studiert er BWL an der FernUni Hagen. „Das Tempo hier ist schon enorm“, sagt er. Aber: „Das macht den Reiz aus.“

Nach der turbulenten Aufbauphase will das Studentennetzwerk der Georg von Holtzbrinck-Verlagsgruppe (u.a. Der Tagesspiegel, Handelsblatt, Die Zeit, Junge Karriere) weiter dynamisch wachsen. Der neue Geschäftsführer, Marcus Riecke, der von Ebay gekommen ist, plant, die Ableger voranzubringen. Sein Ziel: endlich Geld verdienen. „Nach sechs Jahren Ebay juckte es mich noch einmal, ein Startup aufzubauen", sagt Riecke. Dafür braucht er nun Personal. Die Berliner suchen Verstärkung für das Marketing, den Vertrieb, das Produktmanagement und natürlich die IT. Auch eine Studenten-Community kommt nicht nur mit Studenten aus.

StudiVZ, Google, United Internet: Die Branche boomt und sucht Tausende Mitarbeiter. Nach aktuellen Berechnungen des Branchenverbandes Bitkom gibt es 25 000 bis 28 000 offene Stellen. Längst hat sich das Internet zum Jobmotor entwickelt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind bereits mehr als 800 000 Menschen im Internet- und IT-Sektor beschäftigt. Das sind mehr als in der Automobilbranche.

Neue Technologien und Dienstleistungen beschleunigen diese Entwicklung. Einer der Boomfaktoren ist dabei das so genannte Triple-Play – bei dem zum Telefonieren und Surfen noch das komfortable Fernsehen über das Internet (IP-TV) kommt. Es herrscht Aufbruchstimmung. Gute Karten haben insbesondere Programmierer und Designer, aber auch Wirtschaftswissenschaftler und Informatiker, selbst ohne langjährige Berufserfahrung. Und nicht nur die. Auch Germanisten, Psychologen oder Soziologen werden eingestellt. Voraussetzung: Kommunikationsfähigkeit und ein gutes Gespür für die Trends im Netz. „Die Affinität zu den Kunden und die Art der Kommunikation mit ihnen hat schon immer gute von schlechten Unternehmen unterschieden“, sagt Sven Gábor Jánszky, Chef des Think Tanks forward2business.

Motor dieser Entwicklung ist das Mitmach-Internet, Schlagwort Web 2.0: Die Nutzer tragen wesentlich zu den Inhalten bei, das Online-Lexikon Wikipedia, die Video-Plattform Youtube und die Communities StudiVZ, Xing oder Myspace sind nur die bekanntesten Beispiele. Mit der User-Beteiligung erwacht die Web-Wirtschaft zu neuem Leben. „Für Agenturen und Unternehmen sind die Chancen und Möglichkeiten des Web 2.0 phänomenal“, sagt Benjamin Falch, Kreativdirektor bei der Multimedia-Agentur A&B face2net. „Es geht heute darum, die Kommunikation zwischen den Usern zu managen und entsprechende Strukturen zu entwerfen.“

Neben Internet-Pionieren wie Google, Yahoo oder Ebay erobern viele kleine Unternehmen mit guten Ideen den Markt. Darunter sind auch deutsche Startups wie die Bilder- und Video-Plattform Sevenload, die Tauschbörse Hitflip oder der T-Shirt-Shop Spreadshirt. Trotz der guten Chancen wollte Martin Hummelt, 24, eigentlich nicht zu einer Webbude. „Ich hatte Sorge, dass der Kontakt zu Menschen fehlt“, sagt Hummelt. Ein Artikel über Lukasz Gadowski machte ihn trotzdem neugierig. Gadowksi gilt als Vorzeigeunternehmer der Web-2.0-Ära in Deutschland und gründete 2002 Spreadshirt.net, den führenden T-Shirt-Shop in Europa mit weltweit mehr als 300 Mitarbeitern. Nach zwei Gesprächen bei Spreadshirt war Hummelt von der Firma so begeistert, dass er dort unbedingt arbeiten wollte. Nach seinem Management-Studium an der Uni Magdeburg bekam er eine Trainee-Stelle. Es ist eine von derzeit rund 60 offenen Stellen. Gesucht werden weiterhin Mitarbeiter für das Management, die Bereiche Finance und Controlling, den Service oder die IT.

Auch Google sucht dringend Verstärkung, 70 Leute insgesamt. In den vergangenen zwei Jahren hat das Unternehmen die Zahl seiner Mitarbeiter in Deutschland verdoppelt. „Wir suchen Mitarbeiter mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung“, sagt Google-Personalerin Pia Baumeister. Berufseinsteiger haben trotzdem gute Chancen, in der Europa-Zentrale im irischen Dublin. Dort will Google deutschsprachige Mitarbeiter einstellen. Vor allem im Bereich Sales, um von Irland aus Kunden in Deutschland zu betreuen. Google zählt bei Europas Studenten zu den Top-Arbeitgebern – das ergab eine Umfrage des Beratungsunternehmens Universum Communications unter Studenten der Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie der Informatik.

Google ist kein Einzelfall: United Internet sucht mehr als 200 Mitarbeiter, der Telekommunikationsanbieter Hansenet („Alice“) meldet mehr als 60 offene Positionen, die Scout-Gruppe (Autoscout24, Immobilienscout24) weitere 57. Amazon hat im vergangenen Jahr in Deutschland 15 Berufseinsteiger eingestellt. Im Durchschnitt hat der Versandhändler laufend gut 40 Positionen zu besetzen. Die Kontakt-Plattform Xing hat die Zahl seiner Mitarbeiter binnen zwölf Monaten mehr als verdoppelt, von 45 auf 111. Das Wachstum scheint kaum Grenzen zu kennen. 1&1 Internet, eine Tochter von United Internet, will bis 2010 insgesamt 500 neue Stellen besetzen. In erster Linie werden Absolventen für die Bereiche IT, Entwicklung und Produktmanagement gesucht.

Die rasante Entwicklung hat längst die etablierte Wirtschaft erfasst. Die traditionsreiche Otto-Gruppe macht mittlerweile mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes im Internet, die Deutsche Telekom rüstet für ihre Angebote Internet-TV, T-Home und T-Online kräftig auf, und die Holtzbrinck-Verlagsgruppe investiert Millionen in neue Internet-Angebote: von Audible über My-Hammer bis zu Parship und StudiVZ.

Wer bei Agenturen oder Startups einsteigt, bekommt vom Start weg ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Soweit die glänzende Seite der Medaille. Geregelte Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden oder tarifliche Sonderleistungen sind bei Startups und Agenturen hingegen ein Fremdwort. Eine 42-Stunden-Woche, 24 Tage Urlaub und die stete Bereitschaft zu Spät- und Wochenendschichten sind eher die Regel, als die Ausnahme. „Ich habe schon geschluckt, als ich meinen Arbeitsvertrag gelesen habe“, sagt eine Beraterin einer Internet-Agentur.

Außerdem sind die wilden Zeiten der New Economy vorbei – Selbstdarsteller und Eigenbrötler sind selbst bei kreativen Gründerfirmen nicht erwünscht. „Schwierige Diven, die keine kommunikativen Teamplayer sind, haben bei uns keinen Platz“, heißt es bei Spreadshirt.

Stephan Pfisterer vom Branchenverband Bitkom unterscheidet zwischen drei entscheidenden Berufsfelder, die in der Branche besonders gefragt sind: dem Programmierer, dem Designer und dem Produktmanager. Der Programmierer ist für die technische Umsetzung des Projekts verantwortlich und muss die Software mit den gewünschten Funktionen austüfteln. Gefragt sind hier vor allem Medieninformatiker sowie Spezialisten für Systemintegration und Anwendersoftware mit den entsprechenden Qualifikationen. Java-Kenntnisse sind ein Muss. Je nach Spezialwissen verdienen die Programmierer laut Gehaltsspiegel des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) im Schnitt zwischen 25 000 und 30 000 Euro im ersten Berufsjahr. Angesichts der guten Branchen-Konjunktur können Absolventen auf einen stattlichen Bonus hoffen. Und der Einstieg ist schnell gefunden. Michael Romer, 27, beispielsweise absolvierte während seines Informatik-Studiums in Gelsenkirchen ein sechsmonatiges Praktikum beim Auktionshaus Ebay. „Ein Dreivierteljahr nach meinem Abschluss bekam ich ein Angebot für eine feste Stelle“, sagt Romer.

Die Designer hingegen komponieren das gesamte Aussehen des jeweiligen Internet-Auftritts. Hier sind Kreative gefragt, die nicht nur ein Auge für die Optik haben, sondern auch auf die Bedienbarkeit – die Usability – einer Website achten. Ein Webdesigner verdient als Berufseinsteiger rund 33 000 Euro im Jahr. Hier tummeln sich neben Profis von Designschulen auch zahlreiche Quereinsteiger, wie etwa Benjamin Falch. Nach Architektur-Studium und Praktikum bei Star-Architekt Hadi Teherani ist er als Creative Director in der Webbranche gelandet.

Produktmanager entwickeln Ideen für neue Projekte, leiten die Umsetzung und halten Kontakt zum Kunden. Besonders gefragt sind Wirtschaftswissenschaftler, die fit sind in Finanzierung und Marketing und strategisch denken können. Projektmanager müssen die Trends im Web beobachten, die sich zu Geschäften ausbauen lassen. Daher finden auch Marketing-Experten, Sales-Manager und Controller eine Anstellung in Internet-Firmen. Das durchschnittliche Einstiegsgehalt liegt bei rund 35 000 Euro. „An meiner Uni in Passau wurde ein Kurs über E-Commerce angeboten“, sagt Jan Wulff, Performance-Marketing-Spezialist bei Yahoo. Über ein Praktikum bei Yahoo bekam er schließlich eine Festanstellung.

Die Zeiten, in denen Absolventen viele Monate in einer Praktikums-Warteschleife hängen, scheinen zumindest in der Internet-Branche vorbei. „Wir verzeihen auch Patzer bei den Noten oder eine längere Studienzeit, wenn der Kandidat bereits viel praktische Erfahrung hat“, sagt Onvista-Personalchefin Hewener. „Deutsche Absolventen sind zwar älter als die anderer Länder“, sagt Pia Baumeister aus der Personalabteilung von Google, „doch durch Praktika haben sie mehr Erfahrung“.

Selbst konservative Unternehmen haben das Internet für sich entdeckt – und sind auf der Suche nach Internet-Know-how. Prominentes Beispiel: der Grevenbroicher Lokal-Journalist Hort Schlämmer („Weißte Bescheid, Schätzelein!“). Mit seinem Videoblog stürmt Schlämmer, alias Hape Kerkeling, die Blogging-Charts. Blog und Filmchen im Internet zeigen die Kunstfigur des Komikers in der Fahrschule, beim Fahrunterricht und schließlich in der Prüfung. Dass Schlämmer in einem silbernen Golf übt, fiel kaum auf – bis sich Volkswagen kurz vor Ende der Kampagne outete: Das Schlämmer-Blog ist ein Produkt des Internet-Marketings von VW und ein Paradebeispiel dafür, wie Blogs wirken können. Längst sind die Schlämmer-Zoten Kult und ein Erfolg für den Autobauer aus Wolfsburg. Beitrag aus „Junge Karriere“

Sebastian Ertinger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false