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Kontakte pflegen: Kaffeeklatsch für die Karriere

Persönliche Kontakte sind gerade in der Krise wichtig: Wer sein Netzwerk gezielt ausbaut, vergrößert seine Chancen auf einen neuen Job.

Acht Millionen Menschen konnten im Juli sehen, dass Christopher Rodriguez eine neue Anstellung sucht. Als sich sein Wirtschaftsinformatik-Studium dem Ende neigte, lud der 29-Jährige ein sehr ausführliches Profil bei Xing hoch und stellte sich innerhalb des Netzwerks bei einer Hochschulabsolventengruppe vor. Seine Initiative war erfolgreich: In seinem Postfach landeten prompt fünf Stellenangebote.

So wie Christopher Rodriguez nutzen derzeit immer mehr Menschen Netzwerke für die Stellensuche. „In der Krise versuchen die Menschen auf vielen Wegen, an einen Job zu kommen. Dass da auch die Bedeutung von Netzwerken wächst, ist nur natürlich“, sagt Wirtschaftspsychologe Hans-Georg Wolff, der an der Universität Erlangen-Nürnberg das individuelle Networking-Verhalten erforscht. Die gestiegene Bedeutung lässt sich auch messen: Seit Beginn der Wirtschaftskrise im September 2008 hat das weltweit größte Online-Netzwerk Linked-in einen doppelt so hohen monatlichen Zuwachs wie in den Monaten zuvor. Auch das aus Deutschland stammende Netzwerk Xing verzeichnet eine starke Zunahme: Eine Million neue Mitglieder meldeten sich seit Januar an.

Eines der fünf Stellenangebote fand der junge Hochschulabsolvent nämlich so attraktiv, dass er zusagte. Seit August arbeitet er bei Vianova Company, einer Unternehmensberatung im hessischen Bad Homburg.

Aus dem alten Vitamin B – B für Beziehungen – ist das neue Vitamin N geworden. Verließ man sich früher auf die Bekanntschaften aus dem Familien- und Freundeskreis, netzwerkt man heute. Leute kennenlernen und Visitenkarten sammeln, im Internet, auf Kongressen oder Branchentreffen genauso wie in der Kneipe oder auf der Party der Nachbarin: Nach einer Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wurden im Jahr 2008 29 Prozent aller Stellen über Kontakte vergeben. Gerade für hochqualifizierte Arbeitnehmer sind Netzwerke bei der Stellensuche wichtig. Laut Forsa ist inzwischen jede fünfte Führungskraft in Deutschland vernetzt, Tendenz stark steigend. Einer der Gründe dafür ist: „Bestimmte Fähigkeiten sind anhand von Bewerbungsunterlagen nur schwer zu beurteilen“, sagt Andreas Lutz, Autor des Buchs „Praxisbuch Networking“.

Der virtuelle Weg

In Deutschland nutzen derzeit vor allem mittlere und kleine Unternehmen das Netz zum Recruiting. „Wir haben bei Xing den Einblick in acht Millionen Bewerbungsunterlagen“, erklärt Christian Borchert, der Christopher Rodriguez bei der Vianova Company eingestellt hat. „Gerade für ein kleines Unternehmen wie unseres, das keinen bekannten Namen hat, ist es ein großer Vorteil, dass wir uns bei den Jobsuchenden melden können und nicht umgekehrt.“ Das Beratungsunternehmen stellte innerhalb des vergangenen halben Jahres fünf Mitarbeiter über Xing ein.

Um als Bewerber das Potenzial der virtuellen Netzwerke optimal für die Stellensuche zu nutzen, sollte man einige Dinge beachten. Ganz wichtig: ein professionelles Foto. Wenn der Personaler schon ein Bild von seinem Kandidaten hat, kann er eine Beziehung zum Bewerber aufbauen, was bei einem ersten Telefonat Pluspunkte bringt. Bei der Beschreibung im Profil sollte man sich Gedanken machen, wonach die Firma sucht und dementsprechende Schlagworte verwenden. Um die Aufmerksamkeit zusätzlich zu erhöhen, kann man sich an Diskussionen in fachspezifischen Foren beteiligen, rät der Autor Lutz. Allerdings muss man darauf achten, dass man hinter seinen Äußerungen und Informationen auch wirklich zu 100 Prozent steht, schließlich sind sie im Internet sehr lange abrufbar. Wahllos Kontakte zu sammeln, mache hingegen keinen Sinn. Das schade eher, als es nützt, denn diese Sammler wirken leicht unsortiert und planlos.

Mitglied werden

Wer sein Netzwerk auf- oder ausbauen möchte, dem bieten sich noch andere Möglichkeiten. Während virtuelle Kontaktbörsen eine geeignete Plattform für die Pflege von Bekanntschaften und exklusive Informationen über offene Stellen bieten, eignen sich Berufsverbände und Alumni-Netzwerke für den Aufbau von engen und vertraulichen Beziehungen, die zu einer Empfehlung für eine Stelle führen können. Außerdem können sich die Mitglieder fachlich austauschen.

Christian Clarus nutzte den Kontakt zu den Absolventen seines Fachbereichs, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Bereits während seiner Studienzeit an der FU Berlin war der 28-Jährige im Absolventen-Netzwerk des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaften, kurz OSI-Club, aktiv. Der Alumni-Verein organisiert einmal im Monat Vorträge, zu denen auch Studenten eingeladen sind. Clarus besuchte diese Vorträge während seines Studiums regelmäßig. Einer der Vortragenden war Ekkehard Münzing, der im Vorstand des Clubs ist. Nach dem Seminar ging Clarus auf ihn zu und unterhielt sich mit ihm. Auch danach trafen sich die beiden gelegentlich zum Mittagessen, Clarus fragte den Politikwissenschaftler um Rat für seine Diplomarbeit. Irgendwann in der Endphase seines Studiums, als er sich wieder einmal mit Münzinger zum Mittagessen traf, erzählte er ihm, dass er gerade auf Stellensuche sei.

„Ich hatte damals gar nicht den Hintergedanken, dass Herr Münzinger einen Job für mich haben könnte“, sagt Clarus. Umso mehr freute er sich, als Münzinger den klassischen Satz sagte, der bei Jobsuchenden Hoffnungen weckt: „Ich kenne da jemanden!“ Clarus gab ihm Bewerbungsunterlagen, Münzinger leitete sie weiter, und Clarus bekam die Stelle als Junior-Berater bei PGRS, einer Unternehmensberatung für Politik- und Krisenmanagement. Sie war noch nicht einmal offiziell ausgeschrieben.

Ein Grund dafür, warum Alumni- Clubs an privaten Unis besser funktionieren, ist der Elitecharakter kleiner Netzwerke. Sie haben schlicht weniger Mitglieder, Beziehungen lassen sich leichter herstellen und aufrechterhalten. Missbraucht ein Mitglied seine Kontakte und bringt nach einer Empfehlung schlechte Leistungen, spricht sich das schneller herum als in größeren Netzwerken. Jörg Borkowsky, Vorstand von Inpraxi, dem Alumni-Netzwerk der privaten Hochschule WHU: „Wenn jemand der Gemeinschaft schadet, schließen wir ihn aus.“ Nur Mitglied zu sein, reiche nicht, man müsse auch einen Beitrag leisten.

Die Gemeinsamkeit, die gleiche Hochschule besucht zu haben, bietet die Basis für ein Absolventen-Netzwerk. Informelle Netzwerke definieren sich über soziale Ähnlichkeiten und gemeinsame Interessen. Deshalb haben Frauen oft einen Nachteil, wenn es um das Knüpfen neuer Beziehungen geht. Die Wirtschaft ist nach wie vor von Männern und ihren Vorlieben geprägt. Haben Frauen zum Beispiel keine Lust, mit ihren Kollegen am Abend noch Fußball zu schauen und Bier zu trinken, sind sie aus dieser informellen Runde ausgeschlossen. „Weil Männer auch ihre eigenen Netzwerke haben, sind spezielle Frauenverbände manchmal nötig“, sagt Soziologe Diewald. Denn auch wenn es komisch klingt: Das gleiche Geschlecht bietet den Mitgliedern von Frauennetzwerken schon mal eine gemeinsame Basis, die verbindet. Neben dem Geschlecht kann auch der Beruf eine Gemeinsamkeit sein. Darauf bauen Berufsverbände wie der Bundesverband der Volks- und Betriebswirte. Hier informieren sich studierte Wirtschaftswissenschaftler nicht nur über Fachthemen, sondern knüpfen auch Kontakte, die hilfreich bei der Stellensuche sein können.

Gekürzter Beitrag aus der Novemberausgabe des Magazins „Junge Karriere“

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