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Seminare: Kampf gegen Neonazis im Klassenzimmer

Seminare des Verfassungsschutzes für Lehrer finden große Nachfrage. Seit Herbst haben bereits 100 Lehrer in vier Städten an der dreistündigen Fortbildung teilgenommen, und das ist erst der Anfang: Nach und nach sollen alle Schulamtsbezirke abgedeckt werden.

Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes schiebt eine CD in den Laptop. Zu metallenen Gitarrenklängen singt der in der Neonazi-Szene populäre Rocksänger Michael Regener. Die Lehrer, die sich im Konferenzraum des Darmstädter Schulamts zur Fortbildung versammelt haben, lesen den Text mit, stolpern über Wörter wie „Wolf“ und „Kamerad“ – können aber keine ausdrücklich rechtsextreme Parole entdecken. Wie also sollen Lehrer Neonazis m Klassenzimmer bekämpfen? Der hessische Verfassungsschutz hat dafür ein Angebot für Pädagogen entwickelt – die Nachfrage ist groß.

Seit Herbst haben bereits 100 Lehrer in vier Städten an der dreistündigen Fortbildung teilgenommen, und das ist erst der Anfang: Nach und nach sollen alle Schulamtsbezirke abgedeckt werden. „Wir müssen uns ganz besonders um unsere Jugend kümmern“, sagt der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Alexander Eisvogel. Die rechte Szene in Hessen befindet sich in einem Wandel: Während die NPD an Einfluss verliert, erstarken gewaltbereite Neonazis. „Ihnen geht es in erster Linie darum, Aufsehen zu erregen und so die Jugend einzubinden“, berichtet der Behördenchef. Viele der Cliquen seien nur regional aktiv. Deshalb sei es wichtig, dass die Lehrer über die Aktivitäten in ihrer Gegend Bescheid wüssten.

Der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der lieber anonym bleiben will, kramt eine Schülerzeitung aus seiner Tasche: Auf dem Hochglanzmagazin steht in poppiger Schrift „Perplex“, in der Unterzeile heißt es „jung, frech, deutsch“. In letzter Zeit würden immer häufiger rechte Schülerzeitungen auf Pausenhöfen verteilt, berichtet der Referent.

Bislang gebe es in Hessen noch keine eigene Ausgabe. „Aber das ist letztlich nur eine Frage der Zeit.“ Im Alltag setzten die Rechtsextremen vor allem auf Musik, um Jugendliche für die rechte Szene zu werben: „Sie kann als Einstiegsdroge in die Szene funktionieren.“ So sei vor der Bundestagswahl auch in Hessen eine Schulhof-CD mit Liedern rechter Bands verteilt worden.

Der Mitarbeiter hält ein Cover mit dem Titel „BRD vs. Deutschland“ in die Luft. Die Zuhörer gucken erstaunt. „Wusstest du das?“, flüstert eine Lehrerin, ihr Kollege schüttelt den Kopf.

An Musik ist in der rechten Szene inzwischen das ganze Spektrum vertreten: Von Hip-Hop über Techno bis hin zu Black Metal. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die Kleidung der Jugendlichen. Das typische Klischee sei out, sagt ein weiterer Referent. Kaum noch ein Neonazi laufe mit Glatze und Springerstiefeln durch die Gegend.

Ein Lehrer meldet sich zu Wort, fragt nach der bei Rechtsextremen beliebten Klamottenmarke „Thor Steinar“, ein anderer wirft „Consdaple“ in den Raum. Diese Marken trage nur noch ein kleiner Kreis, erwidert der Referent. Die meisten Jugendlichen kämen „normal“ in Jeans und Pulli in die Schule. Rechtsextreme könne man nur noch an ihren Äußerungen erkennen – und hier müssten die Lehrer ansetzen.

Der Vortrag des Mitarbeiters endet mit dem Appell, in der Schule Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln: „So leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Verfassungsschutz.“ Einige Lehrer blicken hilflos in die Runde, ihnen ist der Satz zu allgemein. Was sollen sie denn konkret tun? Doch eine klare Handlungsanweisung vermeidet der Referent bewusst: „Das möchten wir nicht.“ Die Lehrer müssten jeweils individuell auf die Situation reagieren. Der Verfassungsschutz stelle als Hilfe sein Fachwissen zu Verfügung.

Kathrin Hedtke (ddp)

Kathrin Hedtke (ddp)

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