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Jobs & Karriere: Stille Nacht

Wie sich aus der Fettnäpfchen-Fete eine Win-Win-Feier machen lässt. Ein Ratgeber von Benimmexpertin Elisabeth Binder

Jeder blutige Anfänger kennt die Grundregeln für Weihnachtsfeiern: Du sollst Dich nicht sinnlos besaufen. Du sollst nicht lallend Deinem Chef in die Arme torkeln mit den Worten „Ey, Alter, ab heute wird geduzt“. Du sollst nicht vor versammelter Mannschaft deinem Lieblingsfeind seine größten Flops vorhalten. Du sollst nicht ausgerechnet an diesem Abend Kollegen, auf die du grade scharf bist, mit anzüglichen Bemerkungen anbaggern. Es gibt noch mehr solcher Regeln, aber es lohnt kaum, sie alle aufzuführen. Verbote sind gar nicht mehr zeitgemäß. Viel besser ist es, den Sinn, der sich dahinter verbirgt, zu verstehen und ins Positive zu wenden.

Um das zu tun, muss man zunächst mal seine Haltung gegenüber der Weihnachtsfeier überprüfen. Ist sie ein lästiges Ritual, das man irgendwie hinter sich bringen muss, damit man nicht unnötig unangenehm auffällt? Oder freut man sich wie wild darauf, endlich mal die Chefs zu schädigen und auf Kosten des Betriebs ausgiebig zu feiern? Beide Einstellungen sind so falsch, wie der Gedanke ans Schwänzen. Man kann Weihnachtsfeiern schließlich gut nutzen, um etwas nachhaltig Weihnachtliches in die oft raue Arbeitswelt hineinzutragen.

Wer mit dem Ritual kreativ umgeht und die Weihnachtsfeier als Chance versteht, wandelt eine potenzielle Fettnäpfchen-Fete lässig in ein Win-Win-Event. Gerade Krisenzeiten drücken leicht auf die Stimmung. Klimaeinbußen sind aber schon in guten Zeiten kontraproduktiv, weil sie Kostenfaktoren wie Fehl- und Krankheitstage befördern. In schwierigen Zeiten wird ein gutes Klima noch wichtiger. Und daran kann wirklich jeder mitwirken. Die Weihnachtsfeier bietet die ideale Gelegenheit für einen Anfang. Streng genommen wird ja schließlich auch ein Fest des Friedens und des Anfangs zelebriert.

Vor der Weihnachtsfeier sollten Sie eine Kleinigkeit essen. Es wird einem leicht schlecht, wenn man sich ausgehungert den Bauch voll schlägt. Und man möchte den Kollegen ja auch nicht als maßlos schlingender Vielfraß im Gedächtnis haften bleiben.

Viele nehmen sich das ganze Jahr über vor, weniger zu trinken und schaffen es doch nicht. Aber an diesem einen Abend sollte man dem guten Vorsatz eine faire Chance geben und wirklich nur genauso viel trinken, dass man ein bisschen in Schwung kommt, aber eben auch nicht so viel, dass Kreativität und Contenance beeinträchtigt werden. Der Trick gelingt, wenn man zwischen alkoholischen Drinks ganz viel Saft und Wasser trinkt. Oder Bionade wegen der Ähnlichkeit zum Bier. Was man einmal gesagt hat, kann man nie mehr zurückholen. Und ein einziger betrunkener Ausrutscher bleibt länger im Gedächtnis haften, als hundert perfekt erledigte Projekte.

Geben Sie Ihrem Outfit einen festlichen Touch, aber protzen Sie nicht mit dem letzten Designerfummel und vermeiden Sie es, ein neues Kleidungsstück auszuprobieren, dessen Tücken Sie noch nicht kennen. Wer sich mit sich selber rundum wohl fühlt, hat einfach eine sympathischere Ausstrahlung.

Sehen Sie sich um. Irgendein junger Kollege hat vielleicht gerade eine schwere Zeit hinter sich, weil er überarbeitet oder sogar ein bisschen überfordert ist oder immer mal wieder angemobbt wird. Warum bieten Sie ihm nicht mal das „Du“ an, wenn sie ihn trotz allem sympathisch finden? Vielleicht entspannt ihn das, vielleicht motiviert es ihn sogar, vielleicht ergibt sich eine gute Zusammenarbeit daraus. Wer seinem Chef das „Du“ anbietet, setzt sich nur dem Verdacht aus, rumzuschleimen und wird sich spätestens bei der nächsten Gehaltsverhandlung fragen, ob das wirklich eine gute Idee war. Schauen Sie sich auch ruhig um, welche Kollegen Ihnen schon lange so sympathisch sind, dass ein „gefühltes Du“ im Raume steht. Das kann man möglichst unaufdringlich und behutsam an diesem Abend in die Tat umsetzen.

In jedem Unternehmen gibt es Kollegen, die mit ihren Marotten allen auf die Nerven gehen. Das ist nicht schön, aber manche Leute merken das einfach nicht. Manchmal sind auch neue Kollegen hoch motiviert und stoßen unabsichtlich trotzdem andere vor den Kopf, nur weil sie die internen Gebräuche noch nicht richtig kennen. Beim lockeren Small Talk kann man manchmal glättende Hinweise besser unterbringen, als wenn man im Geschäftsalltag gleich ein Thema daraus macht. Allerdings sollte man darauf achten, dass man nicht selber durch Ungeschick Kollegen in großer Runde vor den Kopf stößt. Für so etwas eignen sich Momente, in denen man zu zweit zusammensteht. Und das geht leider wirklich nur mit glasklarem Kopf. Es darf auch nicht um ernsthafte Konflikte gehen, sondern nur um unnütze kleine Stolpersteine.

Sehen Sie sich noch einmal um. Bestimmt entdecken Sie mindestens einen Kollegen, der im vergangenen Jahr Ihren Neid erregt hat. Ungerechterweise hat er eine Beförderung bekommen, ist besser bezahlt, als Sie und beliebter womöglich auch noch. Die Frage, warum ausgerechnet dieser Vollidiot all die Dinge bekommt, die Sie selber so nötig bräuchten und sich wünschen, frisst an Ihrem Herzen. Jetzt ist die Chance da! Gehen Sie auf ihn zu und versuchen, beim Small Talk wenigstens ansatzweise herauszufinden, was es wohl sein könnte, was den Kollegen so erfolgreich macht. Überwinden Sie Ihren Groll und gehen Sie so unbefangen, wie es Ihnen möglich ist, an die Gesprächssituation heran. Wenn Sie eine Ahnung davon bekommen haben, nehmen Sie die für sich selbst als Anregung mit nach Hause.

Haben Sie sich im vergangenen Jahr mit einem Kollegen hoffnungslos zerstritten? Die Weihnachtsfeier bietet die Möglichkeit, sich ganz locker wieder zu vertragen. Gehen Sie auf den Kollegen zu, erheben Sie Ihr Glas und bieten Sie die Versöhnung an, auch wenn Sie immer noch meinen, dass er im Unrecht war. Es lebt und arbeitet sich leichter, wenn man sich verträgt. Und die meisten Streitigkeiten sind es nicht wert, dass man kostbare Energie mit den Folgen blockiert.

Oder sind Sie immer noch sauwütend auf einen Kollegen? Versuchen Sie mindestens fünf Minuten Small Talk mit ihm durchzuhalten. Dann verraucht der Zorn vielleicht von selbst. Aber Achtung: Entfernen Sie sich unbedingt rechtzeitig, bevor Sie doch noch explodieren.

Für den Tag danach gilt: Schadenfreude kann man sich schenken. Lästern Sie bitte nicht über Kollegen, denen doch durch Alkohol oder andere Umstände eine Peinlichkeit widerfahren ist. Diskretion in solchen Fällen ist wirklich das Mindeste, was Sie den Kollegen zu Weihnachten schenken können.

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