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Glück gehört dazu, vor allem aber eine gewisse Risikobereitschaft. Doch Studien zufolge unterbleiben in Deutschland die Hälfte aller Gründungen aus Angst vor dem Scheitern. Dabei ist gerade ein risikoreiches auch ein chancenreiches Projekt. Foto: picture alliance/Bildagentur-o

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Unternehmensgründung: Mut zum Risiko

Nach dem Studium ein Unternehmen zu gründen, trauen sich nur wenige – obwohl die Unis Starthilfe geben.

Nach dem Studium stellt sich die Frage: „Was nun?“ Ein eigenes Unternehmen zu gründen, trauen sich hierzulande nur wenige. Dabei greifen immer mehr Hochschulen ihren Absolventen unter die Arme – von der ersten Beratung bis zum Businessplan.

Viele Studenten entwickeln schon in ihrer Diplom- oder Master-Arbeit innovative Ideen. Manche würden sich damit gerne selbstständig machen. Aber wie? Sogenannte Präinkubatoren helfen, Antworten auf diese Frage zu finden. Das sind Einrichtungen im Umfeld von Hochschulen, die Studenten bei der Existenzgründung auf die Sprünge helfen.

Sönke Burkert wusste schon früh, dass er sein eigener Chef sein will: Sein erstes Unternehmen, eine Internetagentur, hatte der Bankkaufmann gegründet, kaum dass er volljährig war. Als er dann in Oldenburg Wirtschaftswissenschaften studierte, war er längst auf den Geschmack gekommen. So lag es nahe, vor Studienende Kontakt zum VentureLab aufzunehmen, dem Präinkubator seiner Uni.

Dessen Gründer Alexander Nicolai hat eine Stiftungsprofessur für Entrepreneurship. „Es ist noch immer eine Minderheit von Studenten, die Unternehmer werden wollen“, sagt der Wissenschaftler der Uni Oldenburg. „Aber das Interesse wird größer.“ Allerdings ist auch bei denen, die mit dem Gedanken an ein eigenes Unternehmen spielen, die Unsicherheit groß. „Viele wollen zunächst einfach ein Feedback auf ihre Idee“, sagt Nicolai. „Es gehört auch zu unseren Aufgaben, Zweifel zu äußern, wenn wir welche haben.“

Das zweite große Thema in der Beratung sei die Finanzierung. Ohne Kapital von anderen ist der Start in die Selbstständigkeit unrealistisch. Bei Einrichtungen wie dem VentureLab gibt es deshalb nicht zuletzt Informationen zum breiten Spektrum an Gründer-Stipendien. Die Experten beraten Studenten auf dem Weg von der Idee zum wirtschaftlich tragfähigen Geschäftsmodell.

Sönke Burkert bekam die Idee für sein Start-up von einem Investor, der Kontakt zum VentureLab hatte: „Er hat vorgeschlagen, Affiliate Marketing offline zu machen“, sagt Burkert – also ein im Internet übliches Vertriebskonzept in die Welt außerhalb des Webs zu übertragen. Das kann zum Beispiel enthalten, dass ein Unternehmen für erfolgreiche Werbung eine Provision bezahlt. Das VentureLab hat Burkert bei der Umsetzung der Idee betreut. „Es ist ganz wichtig, dass man eine unabhängige Beratung von der Uni bekommt“, sagt der 28-Jährige. „Das VentureLab hat uns beim Schreiben des sehr komplexen Businessplans geholfen und auch beim Antrag auf Fördergelder.“ Anfang 2010 hat Burkert seine GmbH Affiliprint gegründet. Inzwischen ist die Förderung ausgelaufen – das Start-up steht auf eigenen Beinen.

Burkerts Risikobereitschaft teilen aber die wenigsten Studierenden. Dabei sei der Mut, sich selbstständig zu machen, für die gesamte Gesellschaft wichtig, findet Marc Evers vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Schreibt sich die aktuelle Entwicklung fort, dürfte es 2050 fast 700 000 Selbstständige weniger geben. Damit würden zwei Millionen Arbeitsplätze wegfallen, rechnet Evers vor.

Dass Hochschulen Absolventen beim Thema Existenzgründung unter die Arme greifen, ist oft auch schon deshalb vernünftig, weil in manchen Branchen die Festanstellung nicht die Regel ist: Für Architektur und Design gilt das zum Beispiel. „Viele arbeiten schon während des Studiums selbstständig“, sagt Anke Lührs vom BM Gründungsservice an der Fachhochschule Potsdam. Auch hinterher sei das eine realistische Perspektive. „Viele Designer zum Beispiel wollen selbstständig arbeiten und ihre Ideen selbst vermarkten.“ Der Gründungsservice berät Studenten über Fördermöglichkeiten, vermittelt aber auch BWL-Kenntnisse. Anke Lührs empfiehlt, sich nicht erst nach der letzten Prüfung mit dem Thema zu beschäftigen: „Besser schon ab dem vierten, fünften Semester.“ Viele Studenten unterschätzten den Aufwand, der mit dem Weg in die Selbstständigkeit verbunden sei.

Hochschulen widmen sich heute dem Thema Gründungen stärker als früher. „Den ersten Lehrstuhl für Entrepreneurship in Deutschland gab es Mitte der 90er Jahre“, sagt Marc Evers. Heute sind es mehr als fünf Dutzend. Für Evers aber kein Grund zum Jubeln: „In Deutschland gibt es immer noch eine geringe Gründungsbereitschaft im Vergleich zu anderen Industriestaaten.“ Führend seien Länder wie die USA, Norwegen oder Australien. „Deutschland liegt auf den hinteren Rängen.“

Auch die Hochschulen spielen in diesem Zusammenhang noch keine große Rolle: Von den bundesweit fast 400 000 Existenzgründungen im Jahr 2008 waren gerade mal 15 300 solche, bei denen zumindest ein Hochschulabsolvent beteiligt war. „Das ist ein Anteil von 3,8 Prozent.“

Evers glaubt, dass es vor allem an der geringen Risikobereitschaft scheitert. „Dabei ist gerade im Hightech-Bereich ein risikoreiches auch ein chancenreiches Projekt.“ Studien zufolge unterbleiben in Deutschland 50 Prozent der möglichen Existenzgründungen aus Angst vor dem Scheitern, weiß Evers. „In den USA sind es nur 20 Prozent.“ (dpa)

Auch die Berliner Unis und Fachhochschulen unterstützen gründungswillige Absolventen, so etwa die Freie Universität (www.fu-berlin.de/wirtschaft/profund), die Humboldt Universität (www.humboldt-innovation.de) und die Technische Universität (www.gruendung.tu-berlin.de) – um nur einige zu nennen.

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