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Unternehmerinnentag: Ich bin Chefin

Immer mehr Frauen machen sich selbstständig. Beim Unternehmerinnentag können sie Kontakte knüpfen – und voneinander lernen.

Frauen sind zu weich, um Chefinnen zu sein. Sie können nicht verhandeln, sind zu emotional und haben nicht genug Selbstbewusstsein. Unternehmerinnen werden immer wieder mit solchen Vorurteilen konfrontiert. Doch was ist eigentlich dran an den vermeintlichen Schwächen der Frauen?

Statistisch gesehen sind zumindest immer weniger Frauen entscheidungsschwach: Die Zahl der Existenzgründerinnen wächst kontinuierlich. 80 000 Berlinerinnen sind heute selbstständig, fast jedes dritte Unternehmen wird von einer Frau gegründet. Laut Senatsverwaltung für Wirtschaft arbeiten Frauen vor allem in der Dienstleistungsbranche, der Gastronomie, im Gesundheitswesen und im Handel. Ihr Einkommen liegt nach wie vor im Schnitt unter dem selbstständiger Männer.

Die Schwächen der Frauen? Selbstständige Frauen arbeiten überwiegend professionell, sagt Senatssprecherin Petra Schwarz. Es hapere allerdings noch beim beruflichen Netzwerken. Alle zwei Jahre veranstaltet der Senat deshalb in Kooperation mit der Investitionsbank Berlin einen Unternehmerinnentag. Dort können selbstständige Frauen Kontakte knüpfen, sich weiterbilden und über neue Geschäftstrends wie Diversity-Marketing diskutieren (siehe Kasten). Erfahrungsaustausch ist unbedingt erwünscht.

Doch wo sehen eigentlich Frauen selbst ihre Defizite? Im Folgenden schildern sechs Berliner Unternehmerinnen, was sie von den Vorurteilen halten und welche Tipps sie für Frauen haben, die, wie sie, den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen sind.

SELBSTBEWUSSTSEIN

Annekatrin Grambauer ist Osteopatin und Supervisorin. Am Anfang ihrer Selbstständigkeit hat sich mit einem Coach zusammengesetzt und mit ihm ihre Stärken und Schwächen analysiert. „Ganz neutral, nicht wie mit einem Freund oder Lebenspartner“, sagt sie. Es sei wichtig, sich selbst gut einzuschätzen, zu wissen was man kann und welche Aufgaben man besser abgibt. „Viele Frauen bewegen sich zwischen Minderwertigkeitsgefühl und Perfektionismus“, meint Grambauer. Sie glauben oft, dass sie noch nicht weit genug sind und noch ein paar Fortbildungen absolvieren müssen, bis sie einen Auftrag annehmen können. „Da muss mal ein Schalter umgelegt werden.“ Frauen bräuchten mehr Mut, um mit dem, was sie können, anzufangen. Sie sollten sich Zeit geben, learning by doing zu wachsen. „Man muss nicht perfekt sein, um etwas zu wagen.“

Am mangelnden Selbstbewusstsein hat es sicher nicht gelegen, sagt Birgit Fiedler. Die 52-jährige Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie hat sich vor zehn Jahren mit einem Speziallabor für angewandte Mikrobiologie selbstständig gemacht. Mit der Mappe in der Hand sprach sie bei Banken vor und versuchte einen Kredit zu bekommen. „Frauen haben es da noch immer viel schwerer als Männer“, sagt sie. Das liege an gesellschaftlichen Vorurteilen. Da helfe nur, sich bis ins kleinste Detail vorzubereiten, um zu überzeugen. Das sei aber ein Problem, dass nicht nur die Frauen lösen müssen. „Da muss sich gesamtgesellschaftlich etwas ändern.“

VERHANDELN

Ilka Fiedler (36) ist Modedesignerin. Gerade am Anfang ihrer Karriere ist ihr der Kontakt mit Geschäftspartnern schwer gefallen, sagt sie. Wie viele ihrer Kollegen sei sie eher Einzelgängerin. „Small Talk, Akquise, Verhandlungsgespräche. Dabei habe ich mich oft unsicher gefühlt“, sagt sie. „Ich hatte meine eigenen Interessen sehr stark vor Augen, manchmal fehlten mir aber die Argumente, um mein Gegenüber zu überzeugen.“ Heute bekommt sie das besser hin. Bevor sie verhandelt, spricht sie sich mit ihrem Berater ab, definiert ihre Ziele genauer und hat es gelernt, auch mal über den Schatten zu springen und zu akzeptieren, wenn ihre Produktionsfirma eine Naht anders setzen will, als sie das geplant hat.

„Frauen trauen sich oft nicht über Geld zu reden und ganz klar und deutlich zu sagen: Das brauche ich, um den Auftrag auszuführen“, sagt die Lebensmitteltechnikerin Birgit Fiedler. „Sie reden um den heißen Brei herum und führen einen Auftrag auch dann aus, wenn er zu schlecht bezahlt ist.“ Damit müssten Frauen offensiver umgehen. „Wir leben ja schließlich nicht von Luft und Liebe“, sagt sie.

IM SCHATTEN DER MÄNNER

„Stehen Männer in einer Runde, erkennt man ziemlich schnell, wer der Chef ist“, sagt Gabi Grützner. Sie ist Geschäftsführerin und Inhaberin des Mikroelektronik-Unternehmens Micro Resist Technology und beschäftigt 42 Angestellte. „Frauen nehmen sich eher zurück. Deshalb traut man uns oft weniger zu, als wir können“. meint Grützner. Die Lösung sei aber nicht, es den Männern gleich zu tun und sich in den Vordergrund zu drängen, sondern als fachkompetente, angenehme Gesprächspartnerin aufzutreten, die zuhört, die aber auch weiß, was sie will und sich selbstbewusst positioniert.

Inhee Chu-Mauer ist Geschäftsführerin von Frindas International, einer Firma für deutsch-asiatischen Im- und Export. „Mit deutschen Männern kann man einfacher zusammenarbeiten als mit asiatischen“, weiß die gebürtige Koreanerin. In ihrer Heimat gebe es kaum Frauen in Chefpositionen. Daran müssten sich ihre männlichen Gesprächspartner erst gewöhnen. Bei geschäftlichen Telefonaten spricht die 52-Jährige mit besonders kräftiger Stimme. Außerdem bereitet sie sich sehr gut vor. Um als Frau zu überzeugen, brauche sie gute Argumente, sagt auch sie.

DER SOZIALE TOUCH

„Frauen neigen dazu, Harmonie zu suchen und sich in ihr Gegenüber einzufühlen“, sagt Geschäftsführerin Grützner. Das betreffe die Familie, die Mitarbeiter wie auch die Kunden, denen sie im Geschäftsgespräch gegenübersitzen. Die Unternehmerin rät: „Treten Sie neben sich, schalten sie ihre Emotionen aus und konzentrieren Sie sich auf die Sache, auf das Ziel, das Sie für Ihr Unternehmen erreichen wollen.“

„In Korea ist der Arbeitstag nicht nach der Uhr zu Ende, sondern, wenn alles Wichtige erledigt ist“, sagt Inhee Chu-Mauer. Sie musste sich erst daran gewöhnen, dass das in Deutschland anders ist. In ihrem Handels-Unternehmen beschäftigt sie vier Mitarbeiter. Es gab deshalb Konflikte. „Als Chefin darf man aber kein Problem damit haben, auch unangenehme Gespräche zu führen“, sagt Inhee Chu-Mauer. Das hat sie daraus gelernt. Heute sucht sie schneller das Gespräch mit den Mitarbeitern.

Bevor sich die Supervisorin Annekatrin Grambauer selbstständig gemacht hat, arbeitete sie als leitende Angestellte. Damals habe sie sich oft einsam gefühlt und jemanden gesucht, mit dem sie über Personalangelegenheiten reden kann. Die Mitarbeiter waren jedenfalls die falsche Wahl, weiß sie heute. Das habe ihre Rolle als Chefin verletzt. Heute würde sie sich Unterstützung von außen holen, etwa in Netzwerken von Führungskräften.

NETZWERKE

Nach der Arbeit macht sich die Lebensmitteltechnikerin Birgit Fiedler nicht selten auf den Weg zum Netzwerken. Fiedler ist im Lady’s Stammtisch organisiert, sie ist 2. Vorsitzende im Segelverein und arbeitet mit im Sanddornverein. „Bevor Netzwerke Blüten tragen, muss man allerdings viel Zeit und Arbeit investieren, so ihre Erfahrung. „Viele Frauen engagieren sich in Verbänden, weil sie glauben, dann in kürzester Zeit den Umsatz zu verdoppeln. Doch so funktioniert das nicht.“

„Netzwerke sind das A und O“, sagt die Supervisorin Annekatrin Grambauer. Sie rät sowohl Frauennetzwerken sowie branchenspezifischen Netzwerken beizutreten. Branchenspezifische Kontakte seien aus unternehmerischer Sicht wichtig, in frauenspezifschen Netzwerken könne man sich Tipps zu Methoden und Wegen holen, um ans Ziel zu kommen. „Man trifft auf Gleichgesinnte, kann sich austauschen, fühlt sich vielleicht besser verstanden.“ Netzwerke seien außerdem eine gute Gelegenheit, die eigenen Leistungen zu vergleichen und besser einzuschätzen.

WORK-LIFE-BALANCE

Seit etwa acht Jahren hat die Modedesignerin Ilka Fiedler ihr eigenes Label. In den ersten Jahren hat sie viel gearbeitet. „Zu viel“, sagt sie. Es fiel ihr schwer, abzuschalten. Die Energie ging ihr aus. Irgendwann hat sie gemerkt, dass etwas anders werden muss. Sie zog die Bremse, hat ihr Unternehmen verkleinert. Das tut ihr gut, sagt sie. Jetzt hat sie wieder ein Privatleben.

Die Restauratorin Regina Nägele (38) ist alleinerziehend. Für ihre Arbeit bedeutet das enges Zeitmanagement, und dass sie nur Aufträge im Umkreis der Stadt annehmen kann. Wenn sie an Handmalereien oder Steinstatuen arbeitet, hat sie immer die Uhr im Blick, um nicht zu spät bei ihrem Kind zu sein. „Es ist wichtig, dass man das Kind an einem Ort weiß, an dem es gut aufgehoben ist“, sagt sie. Auch Unterstützung durch Familie oder Freunde sei sehr wichtig. „Man muss das nicht alles allein schaffen.“ Seit dem sie sich das bewusst macht, kann sie sich auch mal entspannt zurücklehnen.

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