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Betriebschor

© promo

Weiterbildung: Mit den Kollegen was bewegen

Wer sich im Betrieb auch nach Feierabend engagiert, lernt dabei oft mehr als in so manchem Lehrgang.

Doris Krönig wird dieses Jahr 70, ging vor fünf Jahren in Rente. Das ist für sie allerdings noch lange kein Grund, auch ihr ehrenamtliches Engagement an den Nagel zu hängen. 48 Jahre lang arbeitete Krönig beim Sender Freies Berlin, später rbb. Erst als Sekretärin, dann als Hauptsachbearbeiterin. Bereits als junge Frau engagierte sie sich im Personalrat – damals eine absolute Männerdomäne. „Voll akzeptiert war ich trotzdem“, erzählt die resolute Berlinerin. Ihrem damaligen Personalchef hat ihr selbstbewusstes Auftreten sogar so imponiert, dass er sie kurzerhand beförderte. „Gleich zwei Lohngruppen habe ich übersprungen“, berichtet Doris Krönig. Und nicht nur das: Sie wurde für ihre neue Aufgabe geschult, fuhr zu Weiterbildungen, in deren Genuss sonst nur Führungskräfte kamen. Bis heute engagiert sie sich außerdem in der Sportgemeinschaft des Senders, errichtete 1984 gemeinsam mit ihren Mitstreitern eine Tennisanlage für die Beschäftigten des SFB.

Die Möglichkeiten, sich neben der Arbeit im Betrieb zu engagieren, sind zahlreich. Auf den ersten Blick macht das zwar vor allem eines: jede Menge Arbeit. Doch wer beispielsweise eine Sportgruppe leitet, Betriebsausflüge organisiert oder sich gemeinsam mit Kollegen für eine gute Sache einsetzt, nimmt ganz nebenbei auch noch etwas für den Job mit. Organisieren, planen, Netzwerke knüpfen und in der Not auch mal improvisieren – viele der so genannten Soft Skills, die andere mühsam und höchst theoretisch in einer Weiterbildung lernen müssen, stellen sich dabei ganz von selbst ein.

So wie bei Doris Krönig. Ihr Eifer blieb im Übrigen auch dem Betriebssportverband Berlin-Brandenburg nicht verborgen: Seit über 20 Jahren ist sie nun auch dort in Sachen Tennis aktiv. „Kurzum, ich hatte mein Leben lang zig Ämter“, lacht Doris Krönig, „und das neben einem Fulltime-Job.“ Ihre unermüdliche Arbeit hat ihr dabei nicht nur den Respekt von Vorgesetzten und Kollegen eingebracht. „Ich habe auch gelernt, Großprojekte zu organisieren und andere Ehrenamtliche anzuleiten“, sagt Krönig. Etwa bei der Umgestaltung der ehemaligen Buga-Halle im Britzer Garten zu einer großen Tennisanlage im Auftrag des Betriebssportverbands. Und auch den beruflichen Ruhestand lässt die 69-Jährige nicht als Ausrede gelten, um die Hände in den Schoß zu legen: Für diesen Sommer hat sie bereits dreiwöchige Tenniscamps für die Kinder der rbb-Mitarbeiter an Land gezogen.

Ehrenamt bildet also. Das ist für die meisten Menschen aber offenbar nur ein schöner Nebeneffekt. Zu diesem Ergebnis kam Ulrike Burrmann vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Potsdam, die gemeinsam mit ihren Kollegen den Gründen für ehrenamtliches Engagement im Sport auf der Spur war. Dazu befragten die Wissenschaftler rund 1800 Sportvereinsmitglieder zwischen 15 und 80 Jahren. „Die meisten wollen etwas für die Vereinsgemeinschaft tun oder sich in ihrer Freizeit für etwas engagieren, das ihnen persönlich sinnvoll erscheint“, fasst Ulrike Burrmann ein Ergebnis der Umfrage zusammen. Gerade für ältere Menschen spiele auch Pflichtgefühl eine wichtige Rolle. Einige nutzen das freiwillige Engagement allerdings auch als Sprosse auf der Karriereleiter. zehn Prozent der Befragten stimmten etwa der Aussage zu, dass sie sich im Verein engagieren, um mit Leuten in Kontakt zu kommen, die ihnen auch außerhalb des Sports weiterhelfen können.

Bettina Elfers Engagement nach Feierabend hat vor allem einen Grund: ihre Leidenschaft fürs Singen – egal ob Gospel, Schlager, Pop oder auch schon mal die Beach Boys. Weil sie diese Begeisterung mit anderen Kollegen teilt, gründeten einige Daimler-Chrysler-Mitarbeiter des Werkes Hamburg vor rund sechs Jahren den Betriebschor „DC Stars“. „Ein paar von uns haben ohnehin zu allen möglichen Gelegenheiten gesungen“, erzählt Bettina Elfers schmunzelnd, „im Büro, auf Abschiedsfeiern, einmal sogar im Flugzeug.“ Da lag es nahe, die gemeinsame Leidenschaft zu professionalisieren. Dass auch ein Profi die Chorleitung übernehmen sollte, stand für die Laiensänger fest. Man entschied sich nach Gefühl – und hatte Glück. Die Chorleiterin und Stimmbildnerin Almut Stümke nahm sich der singenden Kollegen an. „Was wir jetzt können, haben wir in erster Linie ihr zu verdanken“, sagt Bettina Elfers. Heute haben die „DC Stars“ rund 20 aktive Sänger – Elfers ist eine von ihnen. Doch damit nicht genug: Die Sekretärin stemmt auch die gesamte Organisation der Chorarbeit, kümmert sich um Auftritte, mietet Säle, beschafft Eintrittskarten und hält nach Wettbewerben Ausschau, in denen die Sänger ihr Können unter Beweis stellen.

Was ihr das Engagement bringt? „In erster Linie macht es einfach Spaß“, sagt Elfers. Angenehmer Nebeneffekt: Unter den singenden Kollegen herrscht eine beinahe familiäre Atmosphäre, die auch die tägliche Zusammenarbeit angenehmer macht. „Wir kommen aus den verschiedensten Unternehmensbereichen, aber durch die Musik haben wir eine gemeinsame Basis“, erzählt die Hamburgerin von ihren Erfahrungen. „Das ist eine super Vernetzung, die sich auch auszahlt, wenn es mal um dienstliche Angelegenheiten geht.“

Sich über sämtliche Hierarchieebenen hinweg einer gemeinsamen Sache zu verschreiben: Das schätzen auch die Mitarbeiter des Aufzugbauers Otis. Seit 1994 engagiert sich das Unternehmen für die Special Olympics, ganzjährige Sporttrainings und Wettbewerbe für Menschen mit geistiger Behinderung. Dabei fließen nicht nur Spenden; im Vordergrund steht das private Engagement der Mitarbeiter: Rund 4000 Angestellte in 40 Ländern helfen bei den Wettkämpfen – in ihrer Freizeit. In Deutschland werden die Einsätze des Otis-Teams von Corinna Jähn aus der Unternehmenskommunikation organisiert. „Hier in Berlin unterstützen wir zum Beispiel jedes Jahr das Schwimm- und Tischtennisturnier“, erzählt sie. „Wir organisieren das Wettkampfbüro, helfen bei den Eröffnungsveranstaltungen, sorgen für die Verpflegung oder zählen die Punkte.“ Und, ganz wichtig: „Wir trösten: die Athleten, die auf eine Goldmedaille gehofft haben, aber auch die, die aus Freude weinen.“

Der Wunsch, sich für eine gute Sache einzusetzen, sei für sie und ihre Kollegen die wichtigste Motivation, sagt die Berlinerin. Doch ganz nebenbei könne man durch die Einsätze auch noch viel für den Job mitnehmen. In der Unternehmenskommunikation, dem Arbeitsplatz von Corinna Jähn, werden zum Beispiel Mitarbeiter- und Kundenevents organisiert. „Und bei Großveranstaltungen wie den Special Olympics Wettkämpfen lernt man in Sachen Eventmanagement natürlich eine Menge.“

Ähnlich wie die Daimler-Chrysler-Sänger genießen aber auch die Mitglieder des „Team Otis“ vor allem die Zusammenarbeit mit ihren Kollegen, jenseits einer Hierarchie, vom Manager bis zum Praktikanten. Und auch erste Berührungsängste mit den geistig behinderten Sportlern sind nach wenigen Stunden verflogen. Denn, so Corinna Jähn: „Bei diesen Veranstaltungen zählt nicht, wie ein Mensch aussieht oder welchen Titel er hat. Da ist man einfach nur ein Freund.“ Und das ist vielleicht auch eine interessante Erkenntnis für das tägliche Miteinander zwischen Kopierer, Konferenzraum und Kaffeemaschine.

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