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Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund

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Karrierefrage: Erst Arzt, dann Büro?

Kann man während der regulären Arbeitszeit Arzttermine vereinbaren? Das geht nur unter besonderen Bedingungen, erklärt die Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund, Martina Perreng

Ich arbeite als Assistent der Geschäftsführung für ein mittelständisches Unternehmen. Oft bin ich länger als acht Stunden am Tag im Büro. Deshalb ist es schwer, Arzttermine zu vereinbaren. Bisher war dies auch selten nötig. Nun bin ich aber in regelmäßiger Behandlung und weiß nicht, wie ich die Termine verlässlich einhalten kann. Darf ich auch während der üblichen Arbeitszeit zum Arzt gehen?

Eine klare gesetzliche Regelung, die es Ihnen erlauben würde, auch während der Arbeitszeit den Arzt aufzusuchen, gibt es nicht. Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) legt nur fest, dass der Anspruch auf Vergütung erhalten bleibt, wenn der Beschäftigte ohne sein Verschulden durch einen in seiner Person liegenden Grund für kurze Zeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Konkret für den Fall der Arbeitsunfähigkeit regelt Paragraf 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, dass der Beschäftigte, der infolge von Krankheit seine Arbeit nicht leisten kann, Anspruch auf Lohnfortzahlung hat. Zwar ermöglicht Ihnen Ihre Krankheit offensichtlich zu arbeiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt aber auch dann eine Arbeitsunfähigkeit vor, wenn durch eine ambulante Behandlung eine Arbeitsunfähigkeit verhindert werden kann.

Dient Ihre ambulante Behandlung nun dazu, eine Verschlechterung Ihres Zustandes und damit eine Arbeitsunfähigkeit zu verhindern, sind Sie für die Zeiten der Behandlung „krank“. Sie können die Termine also unter Weiterzahlung Ihrer Vergütung wahrnehmen, ohne sich gesondert dafür frei nehmen zu müssen.

Würde aber die unterbleibende Behandlung nicht in absehbarer Zeit dazu führen, dass Sie arbeitsunfähig werden, gilt die allgemeine Regel, dass planbare Arztbesuche grundsätzlich in der Freizeit stattfinden müssen.

Ausnahmsweise kann auch in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ein Freistellungsanspruch für Arztbesuche vorgesehen sein. Ist das nicht der Fall, müssen Sie (Teil-) Urlaubstage oder einen Ausgleich für Mehrarbeit in Anspruch nehmen, um Arzttermine wahrzunehmen. Wenn Sie am Arbeitsplatz stark in Anspruch genommen werden und Arztbesuche grundsätzlich schwierig sind, so muss eine Güterabwägung erfolgen: Der Arbeitgeber hat die Fürsorgepflicht, Ihnen die notwendige Freizeit zu gewähren, die die Wahrnehmung von Arztterminen auch außerhalb der Ansprüche auf Entgeltfortzahlung möglich macht. Das heißt also: Wenn Sie Behandlungstermine längerfristig vereinbaren müssen und Sie diese Termine frühzeitig dem Arbeitgeber mitteilen, muss der Arbeitgeber das bei der Arbeitsplanung berücksichtigen.

– Haben Sie auch eine Frage?  Dann schreiben Sie uns:
E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

Martina Perreng

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