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Wirtschaft: Kassenbeiträge könnten wieder steigen

Streit um einheitliche Forderungen an eine neue Bundesregierung

Berlin Vier Monate vor der Bundestagswahl schließen viele große Krankenkassen wie die AOK, Barmer, DAK und einige große Betriebskrankenkassen nicht aus, dass sie ihre Beitragssätze vielleicht schon 2006 erhöhen müssen. Als Grund geben sie in einer „Handelsblatt“-Umfrage neben der klammen Finanzlage die ausstehende Reform des Finanzausgleichs zwischen den Kassen an, den die Bundesregierung nicht geschafft hat. Dagegen erwartet Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für 2005 hohe Überschüsse – und mahnte am Donnerstag erneut Beitragssenkungen an.

Die Einführung eines morbiditäts- oder krankheitsorientierten Finanzausgleichs hatte die Regierung für 2007 versprochen. Er würde großen Kassen mit ihrem besonders hohen Anteil an kranken Versicherten mehr Geld bringen. AOK-Vorstandschef Hans-Jürgen Ahrens appellierte an die Union, ihre ablehnende Haltung zu überdenken. „Jede Regierung muss diese Reform umsetzen, um zu verhindern, dass die Versorgerkassen ihre chronisch Kranken nicht mehr versorgen können“, sagte er .

Doch unter den Kassen ist die Finanzausgleichsreform umstritten. Entsprechend schwer tun sich die Kassen, einheitliche Forderungen an eine neue Bundesregierung zu formulieren, die sie nach Angaben von IKK-Vize Gernot Kiefer im Sommer vorlegen wollen. Kassen mit einem hohen Anteil junger, gesunder Versicherter wie Betriebskrankenkassen und die Techniker Krankenkasse (TK) befürchten, künftig draufzahlen zu müssen und lehnen die Reform ab. „Der Finanzausgleich würde nur zu neuen Subventionen für eine Reihe von großen Krankenkassen führen“, sagte TK-Vorstandschef Norbert Klusen dem Tagesspiegel. „Er senkt aber nicht die Gesamtkosten des Systems, sondern treibt sie in die Höhe.“

Mit einer Verteuerung der Beiträge rechnet der TK-Chef anders als viele große Kassen vorerst nicht. „Ich gehe nicht von steigenden Beiträgen in 2006 aus.“ Ein Unsicherheitsfaktor seien allerdings die Arzneimittelkosten, die im April im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich stärker gestiegen seien als erwartet.

Nach dem ersten Quartal sind die Zahlen noch schwarz: Die gesetzlichen Krankenkassen erzielten einen Überschuss von 156 Millionen Euro, wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Donnerstag mitteilte. Die Schulden der Kassen von rund zwei Milliarden Euro könnten möglicherweise bereits in diesem Jahr abgebaut sein, erwartet sie und forderte deshalb weitere Beitragssenkungen von den Kassen.

Die Befürchtung von DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher, eine schwarzgelbe Regierung könnte Teile der seit dem Jahr 2004 geltenden Gesundheitsreform wieder zurücknehmen, teilen die meisten seiner Kollegen nicht. „Die Reform war ein Kompromiss zwischen SPD und Union und hat zu einer finanziellen Stärkung der Krankenkassen geführt“, sagte TK-Chef Klusen. „Keine Regierung wird den Fehler machen, sie zurückzunehmen.“

Einen raschen Systemwechsel hin zu einer Gesundheitsprämie erwarten die Kassen von einer neuen Regierung nicht. „Das Konzept ist undurchführbar“, sagt Doris Pfeiffer, Verbandschefin der Angestellten-Krankenkassen. „Bis heute ist nicht klar, wo die Steuern für den Sozialausgleich herkommen und was passiert, wenn die Einheitsprämien erhöht werden müssen.“ Auch TK-Chef Klusen hat große Bedenken: „Ich halte beide Modelle nicht für ausgereift.“

Der SPD-nahe Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung hat unterdessen seine eigene, überarbeitete Position zu einer Gesundheitsreform vorgelegt. Wie die Union bevorzugt auch der Managerkreis ein Prämienmodell, das die Gesundheits- und die Arbeitskosten entkoppeln würde. Der solidarische Ausgleich für sozial Schwache soll über Steuern erfolgen. Um die Lohnnebenkosten dauerhaft einzugrenzen, plädiert er dafür, den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren. pt/HB/pet

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