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KAUFEN oder NICHT: Für Dünnarmige

Norbert Thomma testet eine Lesehilfe für das Bett

Um im Bett zu lesen, braucht es die Muskulatur von Popeye. Popeye ist eine Comicfigur mit Unterarmen, die aussehen wie geschwollene Putenkeulen samt tätowiertem Anker. Man muss sich diesen Seemann vorstellen wie Arnold Schwarzenegger, der plötzlich auf die Maße von Danny de Vito schnurren würde, nur die Unterarme blieben die des Gouverneurs.

Menschen wie Popeye vulgo Danny Schwarzenegger legen sich nach den Tagesthemen entspannt im Bett auf den Rücken und greifen nach Zettels Traum, einem Büchlein von Arno Schmidt. Zettels Traum ist im DIN-A-3-Format gedruckt und wiegt 8,3 Kilogramm. Dann lesen sie ein paar hundert Seiten, halten das Buch im richtigen Abstand mit beiden Armen über dem Kopf, kein Zittern, keine Ermüdung, und irgendwann machen sie das Licht aus.

Normale Menschen können das nicht. Ich beobachte seit vielen Jahren eine Frau bei ihrem Versuch, im Bett zu lesen. Meist blättert sie in Magazinen und Illustrierten. Sie sagt, mit einem Buch käme sie nicht zurecht, es sei zu unbequem. Liege sie auf dem Bauch, müsse sie den Oberkörper recken wie eine Kobra, das führe zu Verspannungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Seitlich liegend wiederum werde der Kopf auf einer Hand abgestützt, mit der Folge eines Nacken- traumas; außerdem drücke sie dabei den Brillenbügel tief in die Schädeldecke, sie bekäme davon Seitenohrenhämatome.

Erstaunliche Wendungen des Lebens: Neuerdings liest diese Frau Bücher im Bett. Sie bekam vor einigen Monaten eine Leselotte geschenkt. Dabei handelt es sich um ein kleines Kissen, gefüllt mit Styroporkügelchen. Obendrauf klemmt das Buch, leichter Druck schiebt es in den richtigen Blickwinkel. Diese Leselotte hat ein Rot, das beruhigend an einen jungen Bordeaux erinnert. Der Prospekt sagt, es gebe sie auch in acht weniger weinigen Farben, von natur bis schwarz.

Jedenfalls verschwindet die Frau inzwischen vor der Tagesschau. Sie liegt, sie liest ein Buch nach dem anderen. Sie klagt nicht, sie war noch nie beim Orthopäden. Dann schläft sie, ohne dass vorher die Arme einschlafen.

Die Leselotte kann man über das Internet bestellen unter www.leselotte.com. Sie kostet 24,50 Euro zuzüglich Versandkosten.

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