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Wirtschaft: Kaufkraft für das Wachstum

Die Gewerkschaft will die Arbeitnehmer am Aufschwung teilhaben lassen. Die Arbeitgeber sehen Arbeitsplätze in Gefahr

Frankfurt am Main – Die IG Metall will mit einem hohen Tarifabschluss die „Standfestigkeit des Aufschwungs absichern“. Unter dem Motto „Plus ist ein Muss!“ geht die Gewerkschaft mit einer Forderung von 6,5 Prozent mehr Lohn in die im März beginnenden Verhandlungen. „Wer Wachstum will, muss Kaufkraft geben“, lautet einer der Werbesprüche der Gewerkschaft.

Das Ziel der Arbeitgeber, mit einer Einmalzahlung die Arbeitnehmer am guten Konjunkturverlauf zu beteiligen und den prozentualen Abschluss klein zu halten, ist für IG-Metall-Chef Jürgen Peters der Versuch, „der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen“. Die IG Metall werde ein zu starkes Gewicht bei den Einmalzahlungen nicht akzeptieren, weil es auch keine „Einmalproduktivität und keine Einmalinflation gibt“, sagte Peters am Dienstag in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale. Gesamtmetallpräsident Martin Kannegiesser reagierte mit den Worten, „die IG Metall schwimmt auf einer Welle der Illusion“.

Grundlage der Lohnforderung für die rund 3,4 Millionen Metallarbeitnehmer ist der gesamtwirtschaftlich Anstieg von Produktivität und Preisen, der von der IG Metall mit 1,8 beziehungsweise 2,3 Prozent veranschlagt wird. Die Arbeitgeber argumentieren dagegen mit der trotz Mehrwertsteuererhöhung geringen Inflationsrate von 1,6 Prozent im Januar und wollen eine Vier vor dem Komma verhindern oder nur für den Fall akzeptieren, dass der Tarifvertrag deutlich länger als ein Jahr gültig ist. Die IG Metall strebt eine Laufzeit von zwölf Monaten an; der aktuelle Vertrag läuft Ende März aus.

Allein für die Metallindustrie erwartet die Gewerkschaft in diesem Jahr ein Produktivitätswachstum um 4,5 Prozent sowie um zwei Prozent höhere Verkaufspreise, was Peters zufolge zusammen ein Volumen von 26 Milliarden Euro ergibt. Wenn die IG Metall nun tatsächlich eine Tariferhöhung um 6,5 Prozent durchsetzen würde, wären das zwölf Milliarden Euro. Peters schlussfolgerte: „Die Metall- und Elektroindustrie kann eine Erhöhung in der Größenordnung von 6,5 Prozent locker verkraften und finanzieren.“ Gesamtmetallchef Kannegiesser warnte dagegen mit Blick auf den internationalen Wettbewerb vor einer solchen Sichtweise. „Würden beispielsweise die Löhne in Deutschland um 6,5 Prozent erhöht, müssten sie in Polen um 45 Prozent steigen, damit der Lohnabstand nicht noch größer wird“, argumentierte der Metall- Arbeitgeberpräsident. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warf der IG Metall vor, mit ihrer Empfehlung für Einkommenserhöhungen um 6,5 Prozent den Aufschwung und Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen.

Zur Legitimation der Forderung blickte Peters auch in die Vergangenheit. Seit dem Jahr 2000 seien die Bruttomonatslöhne in der Bundesrepublik um 6,2 Prozent gestiegen, die Einkommen aus Gewinn und Vermögen jedoch „um satte 37,5 Prozent“. Die sich daraus ergebende verteilungspolitische Lücke wolle die IG Metall nun schließen. Im Übrigen, so Peters weiter, hätten die Metallarbeitgeber noch nie so wenig für Löhne und Gehälter gezahlt wie derzeit. Nur etwa jeder sechste Euro vom Umsatz werde für Löhne ausgegeben, 1995 sei es noch jeder vierte Euro gewesen. Die Bedeutung der Löhne für die Kostenkalkulation der Arbeitgeber sei also immer kleiner geworden. Überdies sehe die konjunkturelle Situation gegenwärtig „ungleich günstiger aus als 2006“. Kannegiesser widersprach dem: Alle Daten und Fakten belegten, dass dieses Jahr zwar „ordentlich“, aber eben „spürbar“ unter 2006 liegen werde. Im vergangenen Jahr hatte die IG Metall fünf Prozent gefordert und drei Prozent sowie eine Einmalzahlung von 310 Euro bekommen.

Mit einer ähnlich hohen Forderung wie jetzt war die IG Metall zuletzt vor fünf Jahren in die Runde gegangen. Damals gab es am Ende einen Abschluss über 20 Monate mit prozentualen Erhöhungen in zwei Schritten (erst 3,1 Prozent und ein Jahr später um weitere 2,6 Prozent) sowie einer weiteren Finanzierungskomponente für den neuen Entgeltrahmentarifvertrag.

Unterstützung erhielt die IG Metall für ihre Forderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt von der SPD. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher Rainer Wend sagte, die Forderung von 6,5 Prozent sei für ihn „durchaus nachvollziehbar“. Schließlich erwirtschafteten die Unternehmen hervorragende Gewinne und sorgten damit für „größeren Verteilungsspielraum“. Mitarbeit: Antje Sirleschtov

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