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Wirtschaft: Kaum Chancen für längere AKW-Laufzeit

Umweltministerium reagiert sehr skeptisch auf EnBW-Antrag / Claassen argumentiert mit Klimaschutz

Berlin - Die Energiekonzerne kämpfen weiter gegen den Atomausstieg. Nach dem Essener RWE-Konzern beantragte nun auch der baden-württembergische Versorger EnBW am Donnerstag beim Bundesumweltministerium eine Laufzeitverlängerung für ein altes Kernkraftwerk. Zugleich forderte das Unternehmen „eine Modernisierung des Atomkonsenses“, wie EnBW-Chef Utz Claassen sagte. Die Reaktionen auf den Schritt der EnBW waren vielfältig. Während sich das Umweltministerium skeptisch äußerte, begrüßte die baden-württembergische Landesregierung den Antrag. Grüne, SPD und Umweltschützer reagierten empört. „Es geht bei dieser Operation um Sonderprofite und nichts anderes“, schimpften Atomgegner. Nach Angaben der Umweltschützer bringt jedes zusätzliche Betriebsjahr in Neckarwestheim einen Gewinn von 200 Millionen Euro.

Der Antrag der EnBW sieht vor, dass der 30 Jahre alte Meiler Neckarwestheim I in der Nähe von Heilbronn nicht wie geplant 2009, sondern erst 2017 vom Netz geht. Im Gegenzug soll das jüngste deutsche Kernkraftwerk Neckarwestheim II fünf Jahre früher als geplant und damit gleichzeitig mit Neckarwestheim I den Betrieb einstellen. Dazu sollen 46,9 Milliarden Kilowattstunden der Reststrommenge aus dem neueren Kernkraftwerk auf den älteren Meiler übertragen werden. RWE hatte im September eine längere Laufzeit für Deutschlands ältestes Atomkraftwerk, den Meiler Biblis A, beantragt.

Die SPD rechnet nicht mit einer längeren Laufzeit für das Atomkraftwerk Neckarwestheim I. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber sagte dem Tagesspiegel: „Der Bundesumweltminister wird den Antrag nach Recht und Gesetz prüfen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihn akzeptieren wird.“ Der Antrag des Energieversorgers EnBW sei ein „durchsichtiges Manöver“, um Gewinne zu machen. „Diese Gewinne möchten die Konzerne einstreichen, ohne dass sie deshalb die Strompreise für die Kunden senken“, sagte Kelber. Es gebe keinen guten Grund, Laufzeiten von einem moderneren Atomkraftwerk auf ein älteres zu übertragen. EnBW setze offenbar darauf, Neckarwestheim I nicht mehr vor der Bundestagswahl 2009 vom Netz nehmen zu müssen. „Die großen Versorger hoffen darauf, dass sie unter einer anderen Bundesregierung den Atomausstieg rückgängig machen können“, sagte Kelber.

Umweltminister Sigmar Gabriel, der den Antrag genehmigen muss, äußerte sich distanziert. „Der Regelfall des Atomgesetzes ist, ältere Kraftwerke, die nicht so sicherheitsoptimiert sind, früher abzuschalten und die Laufzeiten auf moderne, größere Kraftwerke zu übertragen“, sagte Gabriel der Deutschen Presseagentur. EnBW mache genau das Gegenteil. Gabriels Staatssekretär Michael Müller (SPD) hatte sich bereits am Vortag im Tagesspiegel eher ablehnend geäußert. Sinn des Gesetzes sei nicht, längere Laufzeiten auf ältere Atommeiler zu übertragen.

Unions-Fraktionsvize Katherina Reiche forderte das Umweltministerium auf, den Antrag „ernsthaft und nicht nur politisch zu prüfen.“ Nach dem Atomgesetz sei es zulässig, Strommengen auch von neueren auf ältere Kraftwerke zu übertragen, sagte die CDU-Politikerin dem Tagesspiegel. Deutschland werde die Klimaschutzziele nur erreichen, wenn zum Energiemix auch die Kernenergie gehöre, mahnte Reiche.

So ähnlich argumentiert auch Claassen. „Angesichts der Klimakatastrophe darf es nicht länger Tabus geben.“ Er stellt sich eine Änderung des Atomausstiegs so vor, dass „durch sicherheitstechnisch flankierte längere Laufzeiten ein Zeitfenster, ein Geldfenster und ein Forschungs- und Entwicklungsfenster geöffnet wird.“ Er betonte ausdrücklich, „keine wahltaktische Kosmetik“ zu betreiben. Es gehe vielmehr darum, die beiden Meiler in Neckarwestheim gleichzeitig so lange wie möglich nutzen zu können und Synergien zu generieren. Wenn dem Antrag stattgegeben werde, erhöhe das die Sicherheit, verbessere die Wirtschaftlichkeit, drücke die Strompreise und diene dem Klimaschutz.

Die Atomgegner warfen ihm dagegen „Wortbruch“ vor. „Die Konzerne EnBW, RWE, Vattenfall und Eon nötigen die Politik, den Atomausstieg rückgängig zu machen“, heißt es in einer Erklärung diverser Organisationen, unter anderem mit Greenpeace, BUND und Umwelthilfe. Die Klimaschutzbeteuerungen des EnBW-Chefs seien „pure Propaganda“. Claassen und den anderen Stromchefs gehe es nur um „Milliardenprofite“.

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