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Wirtschaft: Kaum noch Wachstum in Deutschland möglich Potenzial der Wirtschaft sinkt / Regierung hofft auf Reformen

Düsseld orf/Berlin (ost/HB/Tsp). Der Niedergang vollzieht sich schleichend – und genau das macht ihn so gefährlich.

Düsseld orf/Berlin (ost/HB/Tsp). Der Niedergang vollzieht sich schleichend – und genau das macht ihn so gefährlich. Unabhängig von kurzfristigen KonjunkturSchwankungen geht der deutschen Wirtschaft seit Mitte der neunziger Jahre nach und nach die Kraft aus. Nicht nur, dass sie derzeit nicht wächst – sie verliert auch immer mehr das Potenzial dazu. Die Rate, mit der die Wirtschaft ohne Überhitzungserscheinungen wie steigender Inflation wachsen kann – das Potenzialwachstum –, ist inzwischen so niedrig wie in weltweit kaum einer anderen Industrienation. Das belegen Statistiken der OECD. Neue Berechnungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zeigen: Der Trend hält an, die Rate, die Ökonomen als „Tempolimit“ für die Konjunktur bezeichnen, sinkt weiter. Demnach liegt das Potenzialwachstum nur noch zwischen 1,0 und 1,5 Prozent pro Jahr. Bundesbank und OECD hatten es bislang auf 1,5 Prozent geschätzt. In den USA ist es mit rund drei Prozent gut doppelt so hoch, in der Euro-Zone liegt es bei zwei bis 2,5 Prozent.

„Die Normaltemperatur der deutschen Wirtschaft fällt stetig“, erläutert Jens Ulbrich, Generalsekretär des Sachverständigenrates. „Die Entwicklung ist bedrohlich – und viel wichtiger als die Frage, ob die vorgezogene Steuerreform das Wachstum nun um 0,2 oder 0,4 Prozentpunkte beflügelt.“ Der Wirtschaftsweise Bert Rürup betont: „Das niedrige Potenzialwachstum zeigt: Deutschland hat nicht in erster Linie ein Konjunktur-, sondern ein Strukturproblem.“ Auf Dauer hat diese Entwicklung dramatische Folgen für Arbeitsmarkt, Staatsfinanzen und Wohlstand. Denn „langfristig kann eine Wirtschaft nicht stärker wachsen als ihr Potenzialwachstum“, sagt Holger Fahrinkrug von der Großbank UBS. Wenn die Entwicklung anhält, wird sich Deutschland also an Wachstumsraten von kaum mehr als einem Prozent gewöhnen müssen. „Das scheint die Politik noch nicht begriffen zu haben“, sagt Fahrinkrug – so liegen der mittelfristigen Finanzplanung Wachstumsraten zugrunde, die deutlich über einem Prozent liegen. Daher dürften die Steuereinnahmen künftig regelmäßig hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Ein Bündel von Gründen ist für das nachlassende Wachstumspotenzial verantwortlich: die im weltweiten Vergleich hohen Lohn- und Lohnnebenkosten. Hohe Steuern und Abgaben sowie die Regulierungsdichte machen das Land für Investoren unattraktiv. Auch die öffentlichen Investitionen sinken seit Jahren. Das bremst das Wachstum des Kapitalstocks und das Produktionspotenzial.

Ökonomen fordern daher Strukturreformen, um die Wirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu hieven. Das erhofft sich auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der am Sonntag den Wirtschaftsbericht 2003 unter dem Titel „Brücken in den Arbeitsmarkt“ vorlegte. Neben den Arbeitsmarktreformen, die er als „ein ausgewogenes Konzept des Förderns und Forderns“ bezeichnete, sollen die Reformen der Sozialversicherungssysteme und das Vorziehen der Steuerreform „zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen“. Für die zweite Jahreshälfte geht Clement von einem geringfügigen Wirtschaftswachstum in Deutschland aus. Er bestätigte, im kommenden Jahr werde es voraussichtlich ein Wirtschaftswachstum von „annähernd zwei Prozent geben“.

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