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Wirtschaft: Kein Pardon für den Wirtschaftsminister

Berlin (fo/hej). Die Ministererlaubnis im Fusionsfall Eon/Ruhrgas steht auf wackeligen juristischen Füßen.

Berlin (fo/hej). Die Ministererlaubnis im Fusionsfall Eon/Ruhrgas steht auf wackeligen juristischen Füßen. Nach Meinung von Wettbewerbsjuristen darf Staatssekretär Alfred Tacke nicht stellvertretend für Wirtschaftsminister Werner Müller entscheiden. Konsequenz: Sollte der beamtete Staatssekretär am 4. Juli den Energiekonzernen Eon und Ruhrgas den Zusammenschluss erlauben, wäre diese Ministererlaubnis rechtswidrig und könnte vor Gericht erfolgreich angefochten werden.

Diese Ansicht vertreten die vom Tagesspiegel befragten Hochschulprofessoren Franz Jürgen Säcker und Hans-Peter Schwintowski übereinstimmend. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat bereits angekündigt, gegen die Ministererlaubnis klagen zu wollen. Eine weitere Klage könnte die Anwaltssozietät Becker Büttner Held einreichen, die im Auftrag einiger Stadtwerke (unter anderen Aachen und Rosenheim) entsprechende juristische Schritte prüft.

Für die Erteilung der Ministererlaubnis, mit der sich Eon und Ruhrgas gegen das Fusionsverbot des Bundeskartellamts wehren, ist nach dem Kartellgesetz der Bundeswirtschaftsminister zuständig. Der parteilose Werner Müller hatte sich jedoch zurückgezogen, um möglichen Befangenheitsvorwürfen die Grundlage zu entziehen. Müller hat früher für Eon gearbeitet. Jetzt soll sein Staatssekretär entscheiden.

Das ist nicht zulässig, meinen die Experten. „Der politisch verantwortliche Minister muss entscheiden“, sagt Franz Säcker, der zu den führenden Wettbewerbsjuristen in Deutschland zählt. Immerhin gehe es um die Frage, ob Gründe des Gemeinwohls dafür sprechen, das Zusammenschlussverbot des Bundeskartellamts aufzuheben. „Das ist eine oberste lenkende Entscheidung“, meint der Direktor des Instituts für Wirtschaftsrecht an der Freien Universität Berlin. Zwar habe Müller das Recht, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen; entscheiden müsste dann aber sein politischer Vertreter, und das sei Bundesfinanzminister Hans Eichel. Denn die Ministererlaubnis sei eine politische Entscheidung, weil Gemeinwohl-Argumente kaum justiziabel seien.

Über die Ministererlaubnis müsse der Minister in Person entscheiden, sagt auch Energierechtler Schwintowski: „Wer die Verantwortung trägt, soll auch die Entscheidung treffen.“ Rechtsanwalt Peter Becker geht davon aus, dass das Verfahren zur Ministererlaubnis vom Gesetzgeber ganz bewusst „dem parlamentarisch unmittelbar verantwortlichen Bundesminister für Wirtschaft“ anvertraut wurde, um es notfalls durch das Parlament überprüfen zu können.

Das Wirtschaftsministerium beruft sich dagegen auf ein Gutachten aus dem Bundesjustizministerium, das die Vertretungsfrage geprüft hatte. Nach der Geschäftsordnung des Wirtschaftsministeriums wird der Wirtschaftsminister in politischen Angelegenheiten vom Finanzminister vertreten, in Verwaltungssachen von seinem Staatssekretär. Nach Meinung der Regierungsjuristen ist die Ministererlaubnis eben eine Verwaltungsangelegenheit nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Fazit: Tacke ist zuständig. Schwintowski: „Die Betroffenen unterschätzen das Problem.“

Säcker ist sogar davon überzeugt, dass ein Gericht die Entscheidung inhaltlich prüfen kann. Denn ob das Mittel (Wettbewerbsbeschränkung durch Fusion) und das Ziel (Versorgungssicherheit für Deutschland) in einem vernünftigen Verhältnis stehen, lässt sich abwägen. Schließlich gebe es für Ruhrgas noch andere Finanzierungsmöglichkeiten als die Kasse des Stromkonzerns Eon.

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