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Wirtschaft: Kein Platz für Visionäre

Von Maurice Shahd Steve Case hatte eine Vision, als sein OnlineDienst AOL den viel größeren Medienkonzern Time Warner übernahm. Case wollte die klassischen Medien Film, Musik, Print und Fernsehen mit dem Internet verbinden und so eine neue Medienwelt schaffen.

Von Maurice Shahd

Steve Case hatte eine Vision, als sein OnlineDienst AOL den viel größeren Medienkonzern Time Warner übernahm. Case wollte die klassischen Medien Film, Musik, Print und Fernsehen mit dem Internet verbinden und so eine neue Medienwelt schaffen. Auf den Webseiten von AOL sollten die Internetsurfer die Filme des Medienriesen sehen, dessen Musik hören und dessen Nachrichten lesen. Dafür sollten die AOL-Kunden bezahlen und die Werbekunden viele Online-Anzeigen schalten. Doch die Idee funktionierte nicht: Statt das Zugpferd des neuen Medienkonzerns zu werden, ist die Internetsparte nun das Sorgenkind, das Umsatz und Gewinn in die Tiefe reißt. Erfolg und Wachstum bringen heute wieder Print-Magazine, Filme und die TV-Sender.

Fortan bekamen die alten Time-Warner-Manager Rückenwind und übernahmen wieder die Macht im Konzern. Schritt für Schritt demontierten sie den Visionär: indem sie seine Projekte boykottierten, ihm die Schuld für Bilanzierungsfehler anlasteten und schließlich, indem sie Case nahe stehende Manager absetzten. Jetzt muss Steve Case selbst gehen. Die Aktionäre und die Mitarbeiter des Medienkonzerns sind zu Recht sauer auf ihn. Seit der Fusion sank der Aktienkurs des Konzerns um 70 Prozent und vernichtete Kapital in zweistelliger Milliardenhöhe. Die Anteilseigner von AOL Time Warner wollen keine Visionen mehr, sie wollen Gewinne und einen steigenden Aktienkurs. Steve Case stand dabei im Weg. Mit seinem Rücktritt schließt das Unternehmen mit seiner Internetvergangenheit endgültig ab. Es ist fast wieder so, als hätte die drittgrößte Firmenübernahme der Geschichte nie stattgefunden.

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