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Wirtschaft: Kein Preisschock an Neujahr

Einzelhandel will höhere Mehrwertsteuer nur teilweise an Verbraucher weitergeben – zumindest vorerst

Berlin - Die Bundesbürger müssen zum Jahreswechsel keine drastischen Preiserhöhungen im Handel befürchten. Trotz der um drei Prozentpunkte steigenden Mehrwertsteuer werden die Verbraucherpreise vermutlich nur um einen Punkt klettern, versprach der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) am Donnerstag in Berlin. „Einen Preisschock der Verbraucher wird es nicht geben“, sagte Josef Sanktjohanser, neuer Präsident des Verbandes. Für das Weihnachtsgeschäft hofft die Branche auf ein Umsatzplus von zwei Prozent.

Sanktjohanser, Vorstand beim Handelskonzern Rewe, erwartet, dass „die zusätzliche Belastung etwa gedrittelt wird“. Neben den Konsumenten trügen die Handelsfirmen sowie die Hersteller jeweils einen Punkt der zusätzlichen Steuerbelastung. Insgesamt entziehe die Regierung mit ihrer Politik ab 2007 den Verbrauchern 28 Milliarden Euro an Kaufkraft. Der Verbandschef widersprach der Vermutung, dass die Händler bereits in den vergangenen Monaten die Preise heraufgesetzt haben. „Empirische Belege dafür gibt es nicht.“ Seine Branche habe in diesem Jahr für Preisstabilität gesorgt – in Geschäften und Supermärkten sei die Inflation geringer gewesen als in der Gesamtwirtschaft. Er räumte aber ein, dass die Betriebe angesichts des scharfen Wettbewerbs die Steuererhöhung „nur nach und nach“ auf die Endpreise abwälzen könnten. Im gesamten Jahr werde die Branche die Preise wegen der Steuer und steigender Kosten um 1,5 bis zwei Prozent anheben.

Im anstehenden Weihnachtsgeschäft erhofft sich der HDE ein Umsatzplus von zwei Prozent. Der Gesamtumsatz im November und Dezember dürfte bei 75,7 Milliarden Euro liegen, schätzte Sanktjohanser. Einige Branchen – Spielwaren, Süßwaren, Uhren und Schmuck – machen bis zu einem Drittel ihres Jahresgeschäfts in der Weihnachtszeit.

Für das gesamte Jahr geht der HDE von einem Umsatzplus von nominal 0,75 Prozent aus – das bedeute real Stagnation. „Ein Kaufrausch ist das nicht“, sagte Sanktjohanser – und spielte damit an auf die immer neuen Rekorde beim Konsumklima. Allerdings ergab die Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) auch, dass 29 Prozent der Haushalte im Westen und 37 Prozent im Osten noch vor dem Jahreswechsel größere Anschaffungen planen. Der Wirtschaftszweig habe trotz der gut laufenden Konjunktur und der sinkenden Arbeitslosigkeit aber nur „begrenzte Perspektiven“. Seit Mitte der neunziger Jahre ist der Umsatz kaum gewachsen. 2007 müsse der Handel sogar mit einem realen Minus rechnen. Das werde dann auch zu einem Verlust von etwa 22 000 Arbeitsplätzen führen.

Dass die Ladenöffnungszeiten, die in Berlin und anderen Bundesländern verlängert wurden, auch mehr Umsatz und Gewinn bringen, bezeichnete der HDE-Präsident als „fraglich“. Vizepräsident Helmut Merkel ergänzte, der längere Verkauf sei eine Chance, „wird uns aber auch höhere Kosten bescheren“.

Die dürftige Lage des Handels bestätigte das Statistische Bundesamt. Der Oktober-Umsatz sei im Vergleich zum Vorjahr um real 0,8 Prozent gesunken, meldete die Behörde. Gegenüber dem Vormonat gab es einen Rückgang von real 0,2 Prozent. Die Commerzbank vermutete, dass die Deutschen ihr Geld vor der Mehrwertsteuererhöhung vor allem in Reparaturen von Häusern und Autos stecken – und der Handel bislang nicht profitiert.

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