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Wirtschaft: Kein Urteil über Anstand

Von Dieter Fockenbrock

Josef Ackermann ist freigesprochen. Der Chef der wichtigsten Bank dieser Republik verlässt als unbescholtener Bürger das Gericht in Düsseldorf. Eine Verurteilung oder gar eine Gefängnisstrafe hätte das Ende seiner steilen Karriere bedeutet. Nach dem Urteil der Richter hat sich der Vorstandssprecher der Deutschen Bank keiner „Untreue in einem besonders schweren Fall“ schuldig gemacht. Einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse, den dieses Land je erlebt hat, scheint damit erledigt zu sein.

Ist er aber nicht. Neben den sechs Beschuldigten saß die deutsche Unternehmensverfassung auf der Anklagebank. Ihr werden mangelhafte Kontrollmechanismen, geringe Transparenz und eine Neigung zur Selbstbedienung vorgeworfen. Diese Vorwürfe stehen weiter im Raum, auch wenn Josef Ackermann und die anderen strafrechtlich entlastet worden sind. Die zivilrechtlichen Verfehlungen bleiben ungesühnt – zum Beispiel die Frage nach der Zulässigkeit von 57 Millionen Euro Sonderzahlungen. Das war nicht Gegenstand dieses Strafprozesses. Und da niemand außer Vodafone ein solches Verfahren anstreben könnte, dürfen Klaus Esser und Kollegen ihre Millionenprämien behalten.

Das ist unbefriedigend, aber es ist Recht. Aus der Sicht der Öffentlichkeit standen Ackermann, Esser und der Gewerkschafter Klaus Zwickel stellvertretend für ein System vor Gericht. Die massive Kritik an unternehmerischer Verantwortung, alle Fragen nach Anstand und Moral der Manager wurden auf die sechs Männer geladen. 30 Millionen Euro Abfindung und Prämie für nur eine Person und die zur Schau gestellte Selbstherrlichkeit einiger Angeklagter passten nur zu schön zum miesen Image, das Wirtschaftsführer hierzulande genießen.

Richterin Brigitte Koppenhöfer erlag nicht der Versuchung, die Großinquisitorin zu spielen. Sie führte das Verfahren unerwartet souverän und ließ es sich nicht nehmen, am Ende ein paar klare Worte zu Protokoll zu geben: „Wir sind kein Scherbengericht der deutschen Wirtschaft“, stellte sie fest und beklagte zugleich die massiven Versuche von außen, sich in das Verfahren einzumischen. Auch das war sehr außergewöhnlich an diesem Verfahren.

Weil aber die eigentlich drängenden Fragen in Düsseldorf nicht beantwortet werden konnten, wird die hitzige Debatte über das Tun und Lassen unserer Unternehmensführer nicht mit der Urteilsverkündung enden. Im Gegenteil. Der Mannesmann-Prozess hat die Schwächen des Aufsichtsratssystems gnadenlos offen gelegt und die Inkompetenz deutscher Unternehmenskontrolleure vorgeführt. Richterin Koppenhöfer legt die Finger in die offenen Wunden: der Mannesmann-Aufsichtsräte haben sich einer gravierenden Pflichtverletzung im Sinne des Aktiengesetzes schuldig gemacht. „Freispruch ist Freispruch“, jubiliert der Deutsche-Bank-Chef nach der Verkündung. Korrekt – ein Freispruch zweiter Klasse. Und das für einen Mann, der Weltklasse sein will.

Damit sind wir bei dem heikelsten Thema des Falles Mannesmann: Die Weltklasse von Abfindungen und Managerbezügen, die als maßlos empfunden werden. Für einen Top-Banker wie Ackermann mit einem Jahressalär von elf Millionen Euro sind 30 Millionen Euro allein für Esser kein Problem. Solche Beträge kommen aber aus einer anderen Welt. Mit Leistung allein sind sie nicht zu begründen.

Der Streit um Arbeitsplatzverlagerung, Kostensenkung und vor allem der Mannesmann-Prozess haben der Unternehmerelite dieses Landes die überfällige Diskussion über Anstand und Verantwortung aufgezwungen. Noch zeigen sich die Herren wenig einsichtig. Sie können nicht mehr ausweichen. Der Prozess, klagen Ackermann und Co., habe im Ausland Zweifel am Standort Deutschland geschürt. Das Gegenteil ist der Fall. Der Mannesmann-Prozess hat dem Ausland gezeigt, dass die Selbstkontrolle in den deutschen Unternehmen nicht funktioniert. Diesen fatalen Eindruck können nur die Manager und Aufsichtsräte selbst ändern.

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