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Wirtschaft: Kein Weg zurück

Die Bahn bastelt an Verbesserungen ihres Preissystems – und denkt über die Bahncard nach. Aber die alte wird es nicht wieder geben

Die lang erwarteten Veränderungen am Preissystem der Bahn werden bald durchgeführt. In Aufsichtsratskreisen ist man sich sicher, dass die Bahn besonders Vielfahrern entgegenkommen werde. So sei ein Bonusprogramm nach dem Vorbild der Fluggesellschaften denkbar. Und auch über eine Art Bahncard Gold – mit höherem Rabatt als der der neuen Bahncard mit 25 Prozent – werde nachgedacht. Mit kleinen Korrekturen wird sich die Bahn kaum begnügen, heißt es in den Kreisen. „Die Bahn muss einen großen Wurf versuchen. Sie weiß, dass sie nur noch einen Versuch frei hat.“

Am kommenden Mittwoch – nach einer Sitzung des Aufsichtsrats – wird der Konzern die Details vorstellen. Bis dahin hüllt sich die Bahn in Schweigen. Eines hat Bahnchef Hartmut Mehdorn aber schon vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages klargemacht: Ein Zurück zum alten Preissystem gibt es nicht. Und auch die alte Bahncard mit 50 Prozent Rabatt wird nicht wiederbelebt werden. Jedenfalls nicht in der gewohnten Form, denn sie würde den Konzern zu viel Geld kosten. Und das Geld kann der Staatsbetrieb nicht vom Bund erwarten. „Subventionen für den Fernverkehr wird es nicht geben“, sagt Reinhard Weis, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Zurzeit unterstützt der Bund den Schienennahverkehr mit jährlich mehr als 6,7 Milliarden Euro. Im Jahr 2007 werden es sogar rund 7,3 Milliarden Euro sein. Die Bahn müsse im Fernverkehr über das Preissystem mehr Kunden auf die Schiene holen, sagt Weis. „Das aktuelle System ist nicht kundenfreundlich.“ Auch für Spontanreisende müsse es einen höheren Rabatt als die 25 Prozent der neuen Bahncard geben.

Doch unter Experten ist umstritten, welchen Weg die Bahn jetzt einschlagen müsste. „Die Bahn sollte das Bahnfahren wieder flexibler machen“, sagt etwa Martin Fassnacht, Marketingprofessor an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar. Die Bahn habe mit dem neuen Preissystem ihren großen Vorteil – die hohe Flexibilität – sehr teuer gemacht. Dadurch sei sie gegenüber ihrem eigentlichen Wettbewerber, dem Auto, ins Hintertreffen geraten. „Das ist flexibel und wird nicht teurer, wenn ich eine Viertelstunde später fahre“, sagt Fassnacht.

Dass die neue Bahncard viel billiger sei als die alte und so mancher Kunde unterm Strich sogar besser wegkommen könnte als vorher, wiege das aus Kundensicht nicht auf. „Der Preis wird nur einmal im Jahr vom Kunden bezahlt – und dann vergessen“, sagt Fassnacht. Am Schluss ärgern sich die Fahrgäste nur über die hohen Preise für die einzelnen Fahrscheine und die fehlende Flexibilität. Deshalb könnte die Lösung darin liegen, dass die Bahn die alte Bahncard wieder einführt, aber im Vergleich zu früher teurer macht.

Ein wesentlicher Grund für die Einführung des neuen Preissystems war, dass die Bahn ihre Auslastung besser steuern wollte. Ein Mittel könnte es sein, in typischen nachfrageschwachen Zeiten niedrigere Preise zu verlangen – wie früher beim Guten-Abend-Ticket, schlägt Fassnacht vor. Die reduzierten Preise müssten dann aber eindeutig festgelegt werden. „Das jetzige System ist einfach zu kompliziert, für Kunden und Mitarbeiter.“

Ähnlich sieht das auch Jürgen Ringbeck, Partner und Vice President bei der Unternehmensberatung Allen Booz Hamilton (ABH). „Die Grundlogik des neuen Preissystems ist nicht falsch. Aber die Bahn hat den pädagogischen Aufwand deutlich unterschätzt, um das System den Kunden verständlich zu machen.“ Das alte System habe sich im Wesentlichen an den Kosten orientiert, der Ticketpreis berechnete sich über die gefahrenen Kilometer – „und hatte mit der Nachfrage wenig zu tun“, sagt Ringbeck. Das neue Preissystem orientiere sich dagegen am Verkehrsaufkommen. „Es ist absolut richtig, über den Preis die Nachfrage zu stimulieren.“

Doch die Bahn kann ihren Kunden das neue System schwer erklären, weil bei der Bahn die Situation anders als bei den Fluglinien ist. In der Regel ist bei der Bahn das Platzangebot größer als die Nachfrage. Kunden können deshalb Buchungsrestriktionen nicht nachvollziehen, wenn sie dann doch in halb vollen Zügen fahren. Außerdem wisse bei Fliegern jeder, dass der Montagsflug um sieben Uhr garantiert ausgebucht ist, sagt Ringbeck. „Bei der Bahn quetschen sich die Leute im Zweifel noch rein.“ Als vorbildlich sieht der Unternehmensberater den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV an. Dort gibt es eine feste Sitzplatzkapazität. Beim Ticketkauf wird auch ein Platz fest gebucht. Gibt es keine Plätze mehr, können auch keine Tickets mehr für einen Zug ausgestellt werden. Und das ermöglicht zusätzlich, den Ertrag der Züge durch eine dynamische Anpassung der Verfügbarkeit zu steuern. Bloß bei der Bahn gibt es ein Problem: die veraltete Datenverarbeitung. Und das Preissystem allein wird nicht darüber entscheiden, ob die Bahn aus den roten Zahlen kommt, sagt Ringbeck. Weitere Reformen im Unternehmen selbst sind nötig.

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