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Wirtschaft: Kein Zeichen von Aufschwung

Die Chemiebranche zweifelt an den Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute

Berlin (pet). Im Gegensatz zu renommierten Wirtschaftsforschungsinstituten rechnet die Chemiebranche noch nicht mit einer baldigen Erholung der Wirtschaft. „Wenn ich mir unsere Auftragsbücher anschaue, sehe ich den Aufschwung nicht“, sagte Jürgen Hambrecht, der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Chemiekonzerns BASF, dem Tagesspiegel. „ Es gibt darin momentan leider keine Anzeichen für einen Aufschwung.“

Die Chemiekonjunktur eilt der Konjunktur in der Regel um fünf bis sechs Monate voraus und ist darum ein zuverlässiger Indikator für den Zustand der Wirtschaft. Das liegt daran, dass Chemieunternehmen Vorprodukte herstellen, die Autohersteller, Textilunternehmen und fast alle anderen Branchen für die Produktion brauchen. An der Zahl der Auftragseingänge in der Chemiebranche kann man ablesen, ob und wann die Wirtschaft bereit ist, wieder mehr zu investieren und zu produzieren.

Im Moment stellen die Chemieunternehmen nur eins fest: Stagnation. „Dass der europäische Markt sich verbessert hat, sehen wir nicht“, sagt Manfred Ritz, der Sprecher des Verbandes der Chemische Industrie (VCI), dieser Zeitung. „Es gibt keine Indikatoren dafür, dass sich das bald ändern würde, in keiner Region.“ Den Zustand der Branche hatte VCIPräsident Wilhelm Simson zuletzt mit dem Wort „Waschbrettkonjunktur“ beschrieben. Soll heißen: Mal läuft es einen Monat besser, dann wieder schlechter, von Kontinuität keine Spur.

Dabei waren die Chemieunternehmen, die meisten davon Mittelständler, schwungvoll in das Jahr gestartet: In Erwartung des Aufschwungs und steigender Rohstoffpreise durch den Irak-Krieg hatten die Kunden aus der weiterverarbeitenden Industrie ihre Lager gefüllt. Da sich ihre Absatzchancen nach dem Ende des Krieges aber nicht verbesserten, wurden die Unternehmen zögerlich: Im zweiten Quartal gingen die Bestellungen für Chemikalien wieder zurück. Viele Hersteller mussten daher die Chemieproduktion drosseln. Zum Ende des Sommers hat die Branche die Hoffnung auf Erholung in diesem Jahr bereits aufgegeben. „Eine durchgreifende Belebung erwarten wir nicht mehr“, sagt VCI-Sprecher Ritz. „Wir setzen unsere Hoffnung auf das nächste Jahr.“

Im zweiten Halbjahr hatte die Branche einen Umsatzrückgang um ein halbes Prozent auf 133,2 Milliarden Euro verbucht. Dabei stieg die Auslandsnachfrage stärker als die Inlandsnachfrage.

Auch Chemieunternehmen wie Celanese und Degussa sehen noch keine Hinweise für eine Konjunkturbelebung. Sprecher der Unternehmen verweisen auf den Ausblick nach dem zweiten Quartal. Und auch der war sehr verhalten.

Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind dagegen optimistischer gestimmt, was den Aufschwung angeht. So geht das Institut für Weltwirtschaft davon aus, dass Deutschland den ersten Schritt aus der Rezession bereits gemacht hat. Die Ökonomen rechnen damit, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr um 1,8 Prozent wachsen wird. Damals waren Wachstumswerte von 2,5 bis 3 Prozent erreicht worden. Und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung berichtet von einem erneuten Anstieg des Indexes für die Konjunkturerwartungen. Er verbesserte sich im September auf 60,9 Punkte nach 52,5 Punkten im August. Die befragten Analysten hätten somit die erwartete Konjunkturerholung zu Beginn des neuen Jahres bestätigt, heißt es.

Der BASF-Chef bleibt skeptisch. „Ich wäre aber natürlich froh, wenn aus der Hoffnung auf einen Aufschwung bald auch wirtschaftliche Realität würde“, sagte Hambrecht.

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