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Wirtschaft: Keine deutsche Großbank ist wirklich in Gefahr

Schutzsysteme könnten den Crash eines großen Instituts notfalls verkraften / Warnung vor Grauem Kapitalmarkt TAGESSPIEGEL:Schon im vergangenen Herbst haben Sie davor gewarnt, daß die deutschen Banken zu risikobereit agieren.Damals war von der Asienkrise noch keine Rede.

Schutzsysteme könnten den Crash eines großen Instituts notfalls verkraften / Warnung vor Grauem Kapitalmarkt TAGESSPIEGEL:Schon im vergangenen Herbst haben Sie davor gewarnt, daß die deutschen Banken zu risikobereit agieren.Damals war von der Asienkrise noch keine Rede.Fühlen Sie sich heute umso mehr bestätigt? ARTOPOEUS:Nein, das kann ich so nicht sagen.Die Banken schwanken ja immer zwischen Scylla und Charybdis.Einerseits wird ihnen vorgeworfen, zu risikobereit zu sein und damit leichtsinnig zu agieren, andererseits hält man ihnen vor, Kredite zu zaghaft zu vergeben, besonders an innovative junge Unternehmen.Zwischen diesen beiden Polen pendeln die Banken nun einmal.Wir, die Aufsichtsbehörde, achten darauf, daß die Geldhäuser ihre Engagements nicht nur nach gründlicher Prüfung und in voller Kenntnis aller Risiken eingehen, sondern diese Risiken auch in den Grenzen ihrer finanziellen Verkraftbarkeit halten. TAGESSPIEGEL:Und haben sie das in Asien getan? ARTOPOEUS: Die deutschen Banken haben sich dort stark engagiert.Sicherlich wird man für das eine oder andere Asien-Engagement und die jetzt sichtbar gewordenen Länderrisiken Wertberichtigungen vornehmen müssen.Aber die deutschen Bankgeschäfte in Asien verteilen sich auf viele Institute, und keines ist durch seine Asienrisiken wirklich gefährdet. TAGESSPIEGEL:Waren die deutschen Banken in Asien nicht vielleicht doch zu risikofreudig? ARTOPOEUS: Das kann man natürlich im nachhinein leicht sagen.Man darf aber nicht übersehen, daß Südostasien bis Mitte letzten Jahres allgemein als vielversprechende Wirtschaftsregion angesehen wurde.Wir haben unsere deutschen Banken natürlich nach ihren Engagements befragt und hören immer wieder, daß ein Großteil der Kredite in Projekte geflossen ist, die im Prinzip gesund sind - etwa in Joint-ventures mit deutscher Beteiligung oder an erste Adressen. TAGESSPIEGEL:Mal angenommen, die Asienkrise würde nun doch prominente Opfer fordern.Wenn die fünf größten deutschen Institute abstürzen würden, könnte das das Einlagensicherungssystem, das ja die Gelder der deutschen Sparer schützt, noch verkraften? ARTOPOEUS: Ich sehe keine Gefahr, daß die Asienkrise unter den deutschen Banken prominente Opfer fordern könnte; insofern ist Ihre Frage sehr hypothetischer Natur.Der gleichzeitige Zusammenbruch der fünf größten deutschen Banken wäre natürlich eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes, die andere Banken mitreißen würde und deren Erschütterungen weit über Deutschland hinausreichen würden.Wir hätten es dann mit einer Systemkrise zu tun, die höchstwahrscheinlich die Selbsthilfekräfte der Kreditwirtschaft überfordern würde.Sieht man von diesem äußerst unwahrscheinlichen Fall eines "GAU" im Bankwesen ab, brauchen die Sparer um die Sicherheit ihrer Einlagen auch beim Zusammenbruch einer großen Bank nicht zu fürchten.Die Einlagensicherungsfonds der verschiedenen Bankengruppen sind gut dotiert.Außerdem steht hinter den einzelnen Fonds die Gesamtheit der sie tragenden Banken. TAGESSPIEGEL:Das Beispiel Asien zeigt: Die Arbeit der Banken wird immer internationaler.Zugleich werden auch die Produkte immer komplizierter.Als seinerzeit die Barings Bank in die Schlagzeilen geriet, hat kaum noch jemand verstanden, um was es eigentlich genau ging.Können Ihre Mitarbeiter da überhaupt noch Schritt halten? ARTOPOEUS:Wir müssen die Qualität unserer Mitarbeiter permanent steigern.Wir müssen etwa heute von einem Fachaufseher verlangen, daß er sehr gut Englisch spricht und sich im Kontakt mit ausländischen Aufsichtsbehörden sicher ausdrücken kann.Wir müssen aber auch Mitarbeiter engagieren, die dieses hochkomplizierte Bankgeschäft durch und durch verstehen und zugleich auch beurteilen können, ob die internen Steuerungs-, Kontroll- und Managementstrukturen es der Bankspitze erlauben, die Risiken unter Kontrolle zu halten.Idealerweise müßten wir Spezialisten mit den Qualitäten eines Bankcontrollers auf dem Markt anwerben.Das gelingt uns aber nicht, weil wir nur die üblichen Beamtengehälter zahlen können.Wir haben allerdings eine sehr gute, wenn auch kleine Gruppe von Derivatespezialisten, die auch Erfahrungen aus der Praxis mitbringen, zusammenstellen können, obwohl wir nur diese vergleichsweise bescheidenen Gehälter bezahlen können.Ich bin fast geneigt, bei diesen jungen Leuten von Idealismus zu sprechen. TAGESSPIEGEL: Die Allianz kauft den französischen Versicherer AGF, um Commerzbank, Dresdner und Deutsche Bank ranken sich in schöner Regelmäßigkeit Gerüchte, die sie mit internationalen Partnern in Verbindung bringen.Brauchen wir nicht dringend eine internationale Bankenaufsicht statt der nationalen Kontrollbehörde? ARTOPOEUS:Die früher national geprägten Bankensysteme sind heute international geworden.Deutsche Banken operieren über Töchter und Zweigstellen in vielen Teilen der Welt.Die nationalen Finanzmärkte, zu deren Schutz die Aufsichtsinstanzen einst geschaffen wurden, sind nicht mehr gegeneinander abgeschottet.Wegen der engen Verflechtungen und der Vielzahl der Inter-Banken-Geschäfte, die 24 Stunden lang rund um den Globus getätigt werden, kann heute eine Bankenkrise in einem entfernten Winkel der Welt in Windeseile den heimischen Markt erreichen.Daher ist in der Tat eine internationale Aufsicht notwendig.Allerdings denkt niemand an eine internationale Aufsichtsbehörde; man beschreitet vielmehr den Weg einer intensiven internationalen Zusammenarbeit.Wir haben Verwaltungsabkommen mit allen europäischen Aufsichtsbehörden.Wir tauschen Informationen aus und führen im Ausland - da, wo deutsche Banken Niederlassungen haben - Prüfungen durch.Ähnlich enge Beziehungen haben wir mit den USA.Mit Japan, Singapur und anderen Ländern befindet sich die Zusammenarbeit im Aufbau. TAGESSPIEGEL:Seit dem 1.Januar ist Ihr Amt nun auch noch für den Grauen Kapitalmarkt zuständig.Mit 520 Mitarbeitern kontrollieren Sie bereits jetzt 3675 Kreditinstitute, nun kommen noch einmal 7500 Finanzdienstleister hinzu.Wie wollen Sie das eigentlich schaffen? ARTOPOEUS:In der Begründung zu der Gesetzesnovelle ist tatsächlich von 7500 Finanzdienstleistern die Rede, die unter unsere Aufsicht gelangen.Wie realistisch diese Zahl ist, läßt sich noch nicht absehen.Denn erst am 1.April endet die "Meldefrist".Ich rechne damit, daß bis dahin die zur Zeit erst in die Hunderte gehende Zahl von Anmeldungen noch gewaltig anschwellen wird. TAGESSPIEGEL:Die großen Anlagebetrüger wie der European Kings Club, die den Leuten mit Schneeballsystemen das Geld aus der Tasche ziehen, würden aber nach wie vor durch Ihr Aufsichtsnetz schlüpfen, oder? ARTOPOEUS:Wer Schneeballsysteme betreibt, bekäme von uns ganz bestimmt keine Erlaubnis. TAGESSPIEGEL:Aber für derartige Geschäfte braucht man doch gar keine Erlaubnis. ARTOPOEUS: Der Vertrieb bestimmter Produkte kann erlaubnispflichtig sein.Ist jedoch anhand der Geschäftskonzeption erkennbar, daß es sich um ein Schneeballsystem handelt, wird die Erlaubnis verweigert und die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben.Es stellt sich allerdings manchmal erst im nachhinein heraus, daß ein Geschäft als Schneeballgeschäft betrieben wurde.Nehmen Sie die Fälle, in denen stille Beteiligungen an ein Massenpublikum verkauft werden.Da mag es durchaus so gewesen sein, daß die Betreiber anfänglich dachten, die eingenommenen Gelder sinnvoll anlegen und die versprochenen Renditen wirklich erwirtschaften zu können.Wenn sich dann herausstellt, daß das nicht geht, ist die Versuchung natürlich groß, daß man die neu eingeworbenen Anlagen nimmt, um damit die versprochenen Zinsen der älteren Anleger zu bezahlen.Dann stecken Sie mitten in einem Schneeballsystem.Was die Beurteilung solcher stillen Beteiligungen betrifft, hat uns der Gesetzgeber die Arbeit jetzt erleichtert.Das Typische ist ja, daß die Anlagen rückzahlbar sind, ein Festzins zugesagt und eine Gewinnbeteiligung versprochen wird.Zudem wird regelmäßig die Verlustteilnahme des Anlegers ausgeschlossen.Inzwischen hat der Gesetzgeber entschieden: Einlagen sind alle Gelder, die unbedingt rückzahlbar sind, soweit sie nicht in Wertpapierform verbrieft sind.Das heißt: Wer heute stille Beteiligungen verkauft - ohne Verlustbeteiligung, rückzahlbar, mit Festverzinsung und Gewinnversprechen - braucht dafür eine Bankerlaubnis. TAGESSPIEGEL:Und die bekommt man nicht so ohne weiteres ... ARTOPOEUS:Nein.Wer das Einlagengeschäft betreibt, braucht beispielsweise ein Eigenkapital von 5 Mill.Ecu.Außerdem muß er alle Bedingungen erfüllen, an die die Erteilung einer Banklizenz geknüpft ist.Das dürfte kaum eines dieser Unternehmen schaffen. TAGESSPIEGEL:Aber das heißt doch, daß sich die windigen Anlagefirmen bei Ihnen gar nicht erst melden werden! ARTOPOEUS: Das ist möglich, oder sie werden ihre Geschäfte so modifizieren, daß sie sich unserem Zugriff entziehen.Diejenigen, die von vornherein nicht erlaubnisfähige Geschäfte betreiben, wie etwa den Handel mit Bankgarantie, werden mit Sicherheit im Untergrund bleiben. TAGESSPIEGEL:Ist der Handel mit Bankgarantien nicht per se unseriös? ARTOPOEUS:Ja.Nur wirklich unseriöse Leute behaupten, es gäbe einen Handel mit Bankgarantien.Wo derartige Bankgarantien zur Geldanlage angeboten werden - wir haben entsprechende Fälle kennengelernt - sind diese Garantien regelmäßig gefälscht. TAGESSPIEGEL:Viele Anlagegauner versuchen derzeit, die Skepsis vor dem Euro auszunutzen, indem sie den Leuten versprechen, deren Ersparnis "eurofrei" anzulegen ... ARTOPOEUS:All diejenigen, die glauben, sie sollten Ihr Geld vor dem Euro in Sicherheit bringen, sollten sich dann wenigstens der Institute bedienen, die einer staatlichen Aufsicht unterliegen, und nicht irgendwelcher Firmen des grauen Kapitalmarkts. TAGESSPIEGEL:Aber die bieten keine Renditen von 20 Prozent und mehr ... ARTOPOEUS:Wer heute 20 Prozent als sichere Rendite anbietet, ist von vornherein unseriös.Solche Renditen sind derzeit nur um den Preis eines hohen Risikos zu erzielen.

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