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Wirtschaft: Keine Liebesbeziehung: Schröder und der Euro

BONN .Ob er noch an seiner Ansprache für das kommende Jahr tüftelt, der neue Bundeskanzler?

BONN .Ob er noch an seiner Ansprache für das kommende Jahr tüftelt, der neue Bundeskanzler? Vielleicht wird Gerhard Schröder von historischen Zeiten sprechen.Sie wissen schon.Die neue Regierung, der Umzug nach Berlin, das nahende Jahrtausend und die neue Währung in Europa.Also: Tschüß D-Mark - Willkommen Euro.Doch wenn der Kanzler über das Euro-Jahr redet, dann spricht auch jemand, der vor nicht langer Zeit die Einheitswährung vehement kritisiert hat.

Schröder und der Euro - das war keine Liebesbeziehung.Eher ein distanziertes Verhältnis.Nehmen wir das Jahr 1995.Schröder hatte sich das ganze Jahr in der niedersächsischen Provinz mit Profilierungsversuchen warmgelaufen und dabei auch den Euro gefunden.Er schrieb Aufsätze für "Focus" oder die "Börsenzeitung" und warnte davor, das neue Geld übereilt einzuführen.Schröder breitete Bedenken aus, die unter Skeptikern weit verbreitet waren.Sie dachten, die Länder müßten zu stark sparen, um die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages zu erfüllen.Sie kannten die alte Bundesbank, aber wer war die Europäische Zentralbank? Konnte sie die Geldwertstabilität garantieren wie die Frankfurter Währungshüter? Würde sie nicht dem Druck der europäischen Regierungschefs nachgeben? Sollte nicht eine politische Union die Länder von Irland bis Portugal verbinden, bevor man in gemeinsamer Münze zahlt?

Schröder - der Bedenkenträger.Fortan stritt er mit dem Chef des Europaparlaments Klaus Hänsch, ebenfalls ein Sozialdemokrat, und legte sich mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt an.Schröder sah Belgien "frühestens 2017" in der Währungsunion.Überhaupt sei der Euro eine "kränkelnde Frühgeburt" und müsse kontrolliert verschoben werden.Er war nicht der einzige, der sein Profil an der Gemeinschaftswährung schärfte.Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber testete den Euro als Stimmungsmacher an den Stammtischen.

Heute sind die kritischen Töne verstummt.In seiner Regierungserklärung Anfang November widmete Bundeskanzler Schröder dem Euro nur wenige Zeilen.Die Europäische Währungsunion sei eine "unumkehrbare Tatsache", und die "Stabilitätsorientierung der künftigen europäischen Geldpolitik stellen wir nicht in Frage".Auch wenn Finanzminister Oskar Lafontaine die Geldpolitik stärker einsetzen will, um die Arbeitslosigkeit abzubauen.Selbst Anfang Dezember, als der Bundestag über die Europapolitik der neuen Regierung heftig debattierte, kam der Euro bei Schröder nur am Rande vor.Wichtiger waren die Harmonisierung der Steuern in der europäischen Gemeinschaft, die Erweiterung gen Osten oder der deutsche EU-Beitrag.Der Euro ist fast schon Geschichte.Er habe "seinen ersten Härtetest auf den Märkten mit Bravour bestanden", sagte der Kanzler.

Tatsächlich haben sich die Zeiten in den vergangenen Jahren kräftig geändert.Die Teilnehmerstaaten schafften die im Maastrichter Vertrag vereinbarten Stabilitätskriterien besser als von vielen erwartet - auch wenn sie kreativ die Haushaltsbücher führten.Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf Wim Duisenberg als ersten EZB-Präsident, der als Garant eines stabilen Euro gilt.

Vor allem aber entwickelte sich Europa zu einem Hort der Stabilität.Über Asien und Rußland tobten die Finanzkrisen, und die Anleger lenkten ihre Gelder um nach Europa - der Stabilität wegen.Befürchtete Spekulationen angesichts des nahenden Euros fanden in den letzten Wochen nicht statt.Die Finanzmärkte blieben ruhig.

Hat also Schröder mit seinen früheren Bedenken unrecht gehabt? Vielleicht.Auch ehemalige Euro-Kritiker, wie der frühere Bundesbanker und heutige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Ottmar Issing, lagen falsch - etwa mit der Prognose steigender Preise vor der Euro-Einführung.Das Gegenteil ist der Fall.Manchmal entwickelt sich die Realität halt anders als in den ökonomischen Lehrbüchern.Und außerdem: Der Praxistest des Euro steht noch bevor.

ANDREAS HOFFMANN

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