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Wirtschaft: Keine Spur von Wild-West

Die Übernahme eines an der Börse notierten Unternehmens läuft in Deutschland nach strengen Regeln ab

Die Schlagworte sind martialisch und klingen wie Wild-West: Übernahmekampf, Übernahmeschlacht oder feindliche Übernahme. Doch der Kauf eines börsennotierten Unternehmens läuft nach strengen Regeln ab. Selbst 1999, als Vodafone den Mannesmann-Konzern attackierte und Deutschland noch kein eigenes Gesetz mit Regeln für Fusionen und Übernahmen hatte, liefen die Offerten an die Aktionäre nach international anerkannten Prinzipien ab. Die deutsche Wirtschaft hatte sich zuvor auf einen freiwilligen Kodex geeinigt. Dennoch ging in Düsseldorf etwas schief: Die Millionen-Abfindung für Ex-Vorstandschef Klaus Esser und andere Manager des Konzerns werden deshalb gerade vor Gericht verhandelt. Doch dabei geht es nicht um Verstöße gegen Fusionsregeln, sondern um den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue. Die Affäre Mannesmann wäre vermutlich auch mit einem Gesetz nicht zu verhindern gewesen.

Das deutsche „Wertpapier- und Übernahmegesetz“ ist seit zwei Jahren in Kraft. 61 Verfahren wegen Regelverstößen hat es nach Auskunft des Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) gegeben. Zumeist hatte der Bieter einen Fehler gemacht. Doch genau so oft bekam das Management des Kaufobjektes Ärger, weil es nicht fristgerecht die Kaufattacke erwidert und seinen Aktionären eine Stellungnahme gegeben hatte. In fünf Fällen wurden auch Bußgelder verhängt. Wer die Regeln nicht einhält, kann nach dem Gesetz mit einem Bußgeld bis zu einer Million Euro bestraft werden, denn Verstöße gegen das Gesetz sind reine Ordnungswidrigkeiten, wie etwa das Falschparken. Die Regeln im Einzelnen:

Der Bieter für eine andere Aktiengesellschaft muss alle Aktionäre dieses Unternehmens gleich behandeln. Entweder bietet er Geld oder im Tausch seine eigenen Aktien an (auch eine Kombination ist zulässig). Hat der Käufer bereits Aktien an der Börse aufgekauft, so ist er verpflichtet, ab 30 Prozent Anteilsbesitz allen restlichen Aktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Ab 30 Prozent wird eine Kontrollmehrheit unterstellt. In anderen Ländern liegt diese Schwelle allerdings höher. Die Höhe des Kaufpreises richtet sich in diesem Fall nach dem durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate. Damit sollen extreme Kursschwankungen ausgeglichen werden.

Die Fristen sind ebenfalls eindeutig geregelt: Spätestens vier Wochen nach dem Beschluss, ein anderes Unternehmen kaufen zu wollen, muss dem BAFin das detaillierte Angebot vorliegen. Das Amt entscheidet dann in zehn Tagen, ob das Angebot überhaupt zulässig ist. Die Aktionäre müssen sich dann innerhalb weiterer vier Wochen entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Das gesamte Verfahren dauert also im Regelfall knapp zehn Wochen. Erst danach ist klar, ob der Käufer es geschafft hat, alle Aktionäre auf seine Seite zu ziehen. Ein Pflichtangebot muss sieben Tage nach Überschreiten der Kontrollmehrheit von 30 Prozent abgegeben werden.

Das Management des Übernahmeobjektes ist nicht nur verpflichtet, seinen Aktionären eine detaillierte Stellungnahme zum Kaufangebot zu geben. Von Vorstand und Aufsichtsrat wird auch Neutralität erwartet. Die Gremien dürfen nichts unternehmen, wodurch der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Auch ist es dem Bieter verboten, Vorständen und Aufsichtsräten „ungerechtfertigte Geldleistungen“ zukommen zu lassen, um deren Entscheidungen zu beeinflussen.

Allerdings kann die Hauptversammlung so genannte Vorratsbeschlüsse fassen. Wenn die Mehrheit der Aktionäre der Meinung ist, zur Abwehr einer möglichen feindlichen Übernahme bestimmte, zustimmungspflichtige Maßnahmen (wie beispielsweise eine Kapitalerhöhung, um das Unternehmen für einen Angreifer viel zu teuer zu machen) auf Vorrat beschließen zu sollen, dann können sie den Vorstand des Unternehmens mit der Vorbereitung beauftragen. Solche Beschlüsse halten aber nur 18 Monate, dann müssen sie erneuert werden. Mit diesem Recht zu Vorratsbeschlüssen steht Deutschland fast allein in Europa. In anderen Ländern ist das zumeist nicht zulässig.

Weitere Informationen zum Übernahmegesetz unter www.bafin.de

Dieter Fockenbrock

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