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Kernkraft-Kongress: Atomlobby droht mit vorzeitigem Ausstieg

Über Jahrzehnte schien dem Atomforum, der Lobbygruppe der Kernindustrie hierzulande, kein Argument zu platt, um für die Atomkraft zu werben. Jetzt aber "droht" ihr Präsident in Berlin mit dem vorzeitigen Atomausstieg und fordert: mehr Respekt.

„Bei den gegenwärtigen Strompreisen und durch die Festlegung der Brennelementsteuer zu Zeiten höherer Preise lässt sich mit unseren Kernkraftwerken kaum noch Geld verdienen“, sagte Atomforum-Präsident Ralf Güldner dem Tagesspiegel am Rande der Jahrestagung Kerntechnik, die am Dienstag in Berlin begonnen hat. "Die Margen werden immer kleiner, so dass es sich kaum noch lohnt". Auf die Frage, warum die Versorger ihre Reaktoren dann nicht abschalteten, antwortete er: „Das ist eine gute Frage. Die stellen wir uns auch immer häufiger. Doch es wird keine Kurzschlussreaktion geben.“

Für manchen dürfte es klingen wie das letzte trotzige Aufbäumen einer sterbenden Branche. Bald zwei Jahre ist es her, dass die Bundesregierung ihre 180-Grad-Wende bei ihrer Atom-Politik vollzog. Erst hatte sie den von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 ausgehandelten Atomkonsens kassiert. Dann brachte sie - unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 - einen neuen Ausstiegsbeschluss durchs Parlament. Der war juristisch allerdings deutlich weniger wasserdicht - und eben kein Konsens. "Uns erst hunderte Millionen Euro in die Modernisierung unserer Kraftwerke investieren lassen und dann ein Moratorium verhängen: Natürlich sind wir da sauer", sagte ein hochrangiger Manager eines Energiekonzerns dieser Zeitung erst am Montag - und begründete damit die anhängige Klage für Schadenersatz.

In den Chefetagen von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, den Betreibern der Akw hierzulande, rechnet niemand damit, dass die Kernkraft in Deutschland doch noch eine Zukunft über das Jahr 2022 hinaus hat. Dann soll der letzte Meiler tatsächlich vom Netz gehen und zurückgebaut werden. Atomforum-Präsident Güldner könnte formal sogar Recht haben, dass sich Stromerzeugung in Meilern hierzulande kaum noch lohnt. Grund ist der Einspeisevorrang für Gründstrom an den Strombörsen. Der führt dazu, dass auch die Betriebsstunden der AKW sinken. Allerdings verschweigt Güldner damit die Milliardeneinnahmen, die die Energiewirtschaft mit den längst abgeschriebenen Anlagen eingestrichen haben.

In seiner Begrüßungsrede auf der 44. Jahrestagung forderte Güldner Respekt für die Branche. "Es sind die Mitarbeiter der Unternehmen, die Forscher, die Gutachter und die Aufsichtsbeamten, die seit Jahrzehnten für höchste kerntechnische Sicherheitskultur in Deutschland sorgen und tagtäglich leben. Unsere Leistungen sollten respektiert werden, auch gesellschaftlich. Das dürfen wir einfordern, unabhängig von den politischen Beschlüssen zum Energiemix in Deutschland."

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