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Legendär: Das Kettcar gehörte zu den Aushängeschildern von Kettler.

© dpa

Kettler meldet Insolvenz an: Kindheitsträume in Gefahr

Der Kettcar-Hersteller Kettler hat Insolvenz angemeldet. Mit seinen Produkten prägte das Familienunternehmen aus dem Sauerland ganze Generationen.

Einmal im Leben selbst Rennfahrer sein. Diese Sehnsucht hat die Traditionsfirma Kettler mit ihrem Spielauto „Kettcar“ jahrzehntelang bedient. Nun hat Kettler Insolvenz angemeldet. Der Sport- und Freizeitartikelhersteller strebt nach eigenen Angaben eine Neuausrichtung an. Daher habe man sich für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung entschieden.

Das sauerländische Familienunternehmen will auf diese Weise eine „unabgestimmte Übernahme durch einen Finanzinvestor“ vermeiden. Die operativen Geschäfte liefen indes uneingeschränkt weiter. In den vergangenen Jahren trat die Krise des Unternehmens immer deutlicher hervor. Kettler beschäftigt derzeit rund 1100 Mitarbeiter.

Im Jahr 1962 brachte das Unternehmen das erste pedalbetriebene Spielauto auf den Markt. Robust, und vor allem auch für Normalverdiener finanziell erschwinglich, wurde das „Kettcar“ schnell zum Kultfahrzeug für Generationen von Kindern. Der Name setzt sich aus dem Firmennamen Kettler und dem englischen „car“ für „Auto“ zusammen. Ein eingängiges Label, das auch der Duden-Redaktion so gut gefiel, dass sie es 1974 kurzerhand in ihr Verzeichnis aufnahm. Seitdem ist „Kettcar“ das Synonym für Tretautos schlechthin.

Firmengründer Heinz Kettler hatte das Fahrzeug 1962 nach einem Aufenthalt in den USA entwickelt. Von ihm stammt auch der Werbeslogan „von Anfang an Kettler“, der mittlerweile durch „Enjoy your life“ ersetzt wurde. Im Jahr 2012 feierte das kleine Rennauto seinen 50. Geburtstag. Rund 15 Millionen Exemplare sind bis dahin weltweit verkauft worden. Zunächst wurden Pedalstangen als Antrieb verwendet. Drei Jahre später wurden sie durch die Fahrradkette ersetzt. 1966 kamen noch Polstersitze hinzu. Dann war erst einmal Schluss mit den Innovationen. Erst im Wendejahr 1989 wagte sich Kettler wieder hervor und probierte ein Tretauto mit Elektroantrieb aus, was bei den Kunden allerdings nicht gut ankam.

Das Unternehmen schwächelt seit Längerem

„Kettler haben wir schon eine Weile nicht mehr“, sagt Timo Preiß, Filialleiter des Fahrradgeschäfts Stadler in Berlin-Charlottenburg. „Allerdings haben wir das immer gut verkauft.“ Aus unternehmenstechnischen Gründen wechsele das Sortiment jedoch regelmäßig.

Neben dem Kettcar hat die Firma weitere Sportartikel, Fahrräder und Gartenmöbel im Sortiment. Dazu zählen etwa Tretroller, Bobby-Cars und Dreiräder. Außerdem nimmt die Firma für sich in Anspruch, 1977 das weltweit erste Aluminiumfahrrad auf den Markt gebracht zu haben. Der Hometrainer „Golf“ zählte in den 1980er Jahren zu den erfolgreichsten Fitnessgeräten Europas.

Allen Verkaufserfolgen zum Trotz: Schon seit Längerem schwächelt das Unternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Ense. Von einer „existenzbedrohenden Krise“ war bereits im April zu lesen. Nun hat das Amtsgericht Arnsberg den Insolvenzexperten Christoph Schulte-Kaubrügger von der US-amerikanischen Wirtschaftskanzlei White & Case zum vorläufigen Sachwalter berufen. Wie Kettler sind zuvor bereits eine Reihe anderer Traditionsunternehmen wie der Modelleisenbahnhersteller Märklin und die Spielzeugmarke Carrera diesen Weg gegangen. Im Jahr 2014 musste zudem der ostdeutsche Fahrradhersteller MIFA Insolvenz anmelden.

„Keep on running“

Bis zuletzt gab man sich zuversichtlich. „Keep on running“, postete Kettler noch am vergangenen Dienstag auf seine Facebook-Seite. Was vordergründig eine Werbung für ein Laufband darstellt, kann als Durchhalteparole für das angezählte Unternehmen verstanden werden. Zudem weist man – zumindest in dem sozialen Netzwerk – auf die weltweite Bedeutung der Marke hin. Ein Foto von Ende Mai zeigt eine Gruppe US-Soldaten im Mittleren Osten beim Tischtennis. Bildunterschrift: „Selbst im Mittleren Osten wird auf Kettler-Tischtennisplatten gespielt.“ An Selbstbewusstsein mangelt es den Sauerländern offensichtlich nicht.

Zum Inventar gehört das Kettcar lange nicht mehr

Nicht zum ersten Mal muss Kettler bangen. Bereits 2009 wurden hunderte Stellen abgebaut. Zu der Frage, wie die geplante Neuausrichtung im Detail aussieht und ob das beliebte Kettcar auch in Zukunft weiter vom Band rollen wird, wollte das Unternehmen bis Redaktionsschluss keine Stellung nehmen. Die unklaren Zukunftsaussichten dürften allerdings eher bei den älteren Semestern Schwermut hervorrufen. Zum Inventar deutscher Kinderzimmer gehört das Kettcar schon lange nicht mehr.

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