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Wirtschaft: Kinder kennen beim Kaufen keine Krise

Jeder Jugendliche verfügt im Schnitt über 56 Euro Taschengeld – beim Konsum ist der Nachwuchs extrem wählerisch

Das Handy immer griffbereit, die Sportschuhe lose geschnürt, die neueste Mode eigenwillig kombiniert. Während der Einzelhandel über die größte Krise seit Jahrzehnten klagt, hat ein Teil der Deutschen den Spaß am Konsumieren entdeckt: Jugendliche shoppen heute wie die Profis – und verfügen über so viel Kaufkraft wie noch keine Generation vor ihnen. Dabei wissen sie genau, was sie wollen und treffen ihre Wahl ganz pragmatisch.

Den etwa 6,5 Millionen Zwölf- bis 18-Jährigen in Deutschland stehen durchschnittlich rund 56 Euro pro Monat zur Verfügung. Das haben die Marktforscher des Münchener Unternehmens Iconkids & Youth in ihrer Konsumstudie „Bravo Faktor Jugend 6“ im Auftrag des Bauer-Verlags ermittelt. Insgesamt verfügen die jungen Konsumenten über ein jährliches Budget von 4,4 Milliarden Euro. 97 Prozent bekommen Geld in der Höhe von durchschnittlich 263 Euro pro Jahr geschenkt, 66 Prozent haben eigene Ersparnisse in Höhe von durchschnittlich 1600 Euro. Lediglich zehn Prozent der Jugendlichen machen Schulden, im Durchschnitt jeweils 163 Euro.

Jugendliche arbeiten selbst

„Außerdem kommt es immer häufiger vor, dass Jugendliche regelmäßig Geld verdienen“, sagt Stefanie Wahl, Generationenforscherin beim Institut für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn. Während sich Jobs früher meist auf die Ferienzeit beschränkt hätten, würden heute viele Jugendliche auch während der Schulzeit arbeiten.

Die Jugendlichen geben laut Bravo-Studie das meiste Geld, das ihnen zur Verfügung steht, wieder aus. Allein 211,4 Millionen Euro pro Monat für Mode, 101,1 Millionen Euro für Schuhe und 71,8 Millionen Euro für das Handy. Gespart wird immer weniger: Nur 55,5 Millionen Euro landen jeden Monat auf dem Sparbuch. 1996 hatte das Sparen noch auf Platz eins der Rangliste für Geldverwendung gelegen.

Doch statt wie ihre Eltern in der Krise den Konsum einzuschränken, legen die Jugendlichen lieber weniger Geld auf die hohe Kante. „In Zeiten stagnierender Einkommen kann der Lebensstandard nur durch Abstriche im Sparen gehalten werden“, ergab eine Untersuchung zum Sparverhalten von Jugendlichen von Eurocard. „Erwachsene sparen ja eher bei teuren Anschaffungen, die für Jugendliche ohnehin weniger in Frage kommen“, meint dazu Ingo Barlovic, Projektleiter bei Iconkids & Youth.

Dafür seien sie beim Kauf selbst aber häufig sehr pragmatisch. Die Bedeutung der Marken ist wieder zurückgegangen: „Der Stil ist mittlerweile wichtiger als die Marke“, erklärt Barlovic. „Das erklärt auch den Erfolg von billigeren Einzelhändlern wie H & M.“ Laut Bravo-Studie haben die Jugendlichen besonders die Mädchenmarke von H & M, aber auch Coca-Cola und Nokia besonders ins Herz geschlossen.

94 Prozent der Befragten gehen dabei nach dem Aussehen der Produkte, 90 Prozent nach den Produkteigenschaften und 89 Prozent nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Zustimmung von Freunden ist nur noch 68 Prozent der Jugendlichen so wichtig, dass sie den Kauf danach ausrichten.

Außerdem gehen sie durchaus verantwortlich mit ihrem Geld um. „75 Prozent der Jugendlichen geben an, beim Einkaufen auf den Preis zu achten“, erklärt Barlovic. Viele wüssten ganz genau, wann ihre Eltern einspringen würden. So bezahlen nur 29 Prozent der Zwölf- bis 18-Jährigen den Friseurbesuch selbst. Bei Mode und Taschen sind es nur 19 Prozent. Fast Food müssen die Jugendlichen dagegen zu 71 Prozent, Zeitschriften zu 68 Prozent und Musik-CDs zu 66 Prozent selbst bezahlen.

Beratung erwünscht

Wenn sie das eigene Geld einsetzen müssen, lassen sich die Jugendlichen bei Kaufentscheidungen auch beraten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat für Kinder und Jugendliche eine eigene Homepage eingerichtet ( www.checked4you.de ). „Mit den jugendlichen Konsumenten muss man allerdings anders umgehen“, sagt Theo Wolsing, Chefredakteur der Internetseiten. „Es ist leichter, Erwachsenen von einem Kauf abzuraten. Jugendliche reagieren auf ein „Brauchst du dieses Handy wirklich?“ eher negativ. Deshalb sei es wichtig, auf den sinnvollen Gebrauch der Geräte hinzuweisen.

Fest steht laut der Studie jedenfalls auch: „Noch nie gab es für Jugendmarken so viele Möglichkeiten, sich erfolgreich im Markt zu behaupten.“ Auch den krisengeschüttelten Einzelhandel dürfte das auf bessere Zeiten hoffen lassen.

Susanne Herr

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