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Volltreffer. Christoph Waltz spielte den Nazi-Oberst Hans Landa in „Inglourious Basterds“.

© picture alliance / dpa

Kino: Träume aus Babelsberg

Die Filmstudios vor den Toren Berlins werden 100 Jahre alt: Heute hat der Standort internationale Ausstrahlung – und belebt die Kreativbranche der Region.

Es wird ein glamouröses Fest, mit rotem Teppich und Stars im Blitzlicht. Am kommenden Sonntag wird das Filmstudio Babelsberg 100 Jahre alt. Bei einem Festakt in der weltberühmten Marlene-Dietrich-Halle auf dem Gelände der Medienstadt wird gefeiert. Klaus Wowereit und Matthias Platzeck kommen und Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Überreicht wird die Berlinale-Kamera und gezeigt wird der erste in den Babelsberg-Studios gedrehte Film: „Der Totentanz“ von 1912 in restaurierter Fassung. Die Berlinale, die am kommenden Donnerstag beginnt, widmet dem ältesten Großatelier-Filmstudio der Welt eine eigene Filmreihe.

„Die Legende lebt“, jubelt Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin der Filmförderung. „Der Filmstandort ist wieder ein internationaler Player geworden.“ Und tatsächlich: Vor den Toren Berlins wird nicht nur die Vergangenheit beschworen, sondern Filmgeschichte fortgeschrieben. Mit einem Budget von 100 Millionen Euro haben Regisseur Tom Tykwer („Lola rennt“) und X-Filme-Produzent Stefan Arndt gerade „Cloud Atlas“ mit Tom Hanks, Susan Sarandon und Hugh Grant abgedreht – die bislang teuerste deutsche Filmproduktion. Ein Highlight in einer an Höhepunkten reichen Studio-Geschichte.

Das Besondere an dieser Produktion ist aus wirtschaftlicher Sicht aber nicht die Höhe des Budgets. In Babelsberg wurden schon größere Räder für Hollywood gedreht, und das Studio war bei diesem Film nur Dienstleister und nicht Co-Produzent. „Cloud Atlas“ wirkt mit seinen 500 Mitarbeitern vielmehr wie ein Wirtschaftsförderprogramm für die Kreativbranche, aber auch für Hotels und Gaststätten, Autovermieter und andere Gewerbetreibende in Berlin und Brandenburg.

Die Geschicke der Studio Babelsberg AG leitet Carl Woebcken.
Die Geschicke der Studio Babelsberg AG leitet Carl Woebcken.

© dapd

„Der Regionaleffekt liegt bei deutlich mehr als 1000 Prozent“, sagt Stefan Arndt. Das bedeutet, jeder Euro Filmförderung löst mehr als zehn Euro Investitionen in Berlin und Brandenburg aus. „Der wirtschaftliche Effekt ist bei HollywoodProduktionen, die nach dem Dreh wieder abziehen, natürlich viel kleiner“, sagt Arndt. Allein der Deutsche Filmförderfonds, die Filmförderungsanstalt, das Medienboard Berlin-Brandenburg und die Film- und Medienstiftung NRW steckten zusammen knapp zehn Millionen Euro in „Cloud Atlas“. Einen Förderanteil von insgesamt rund 16 Prozent erhoffen sich die X-Filmer am Ende. Die Wertschöpfungskette von der Projektplanung bis zur Fertigstellung bleibe zu 99 Prozent in der Region, versichert Stefan Arndt. Das ist auch der massiven öffentlichen Unterstützung geschuldet, die einen festen Anteil von Ausgaben in Deutschland und den Förderbundesländern vorschreibt.

Babelsberg strahlt also auch nach 100 Jahren noch in die Hauptstadtregion, in der jedes Jahr rund 300 Filme gedreht werden und die Filmbranche 1300 Firmen zählt. Die lebensbedrohliche Krise, in die die Studios vor knapp zehn Jahren rutschten, ist Vergangenheit. Carl Woebcken und Christoph Fisser, die 2004 Eigentümer wurden, ist es gelungen, Babelsberg für internationale Produktionen attraktiv zu machen. Freilich bewegen sich die Filmunternehmer immer noch auf schwankendem Boden. Das Geschäft ist volatil, geht eine Produktion verloren – wie 2011 ein Warner-Projekt –, kann die ganze Bilanz ins Rutschen geraten. Pro Jahr werden in Babelsberg etwa fünf bis sechs Filme gedreht, etwa die Hälfte davon sind internationale Produktionen. Für die nötige Grundauslastung sorgen deutsche TV-Vorabendserien.

Gerade wurde in Babelsberg die 100-Millionen-Euro-Produktion „Cloud Atlas“ gedreht.
Gerade wurde in Babelsberg die 100-Millionen-Euro-Produktion „Cloud Atlas“ gedreht.

© Manfred Thomas

Für das Geschäftsjahr 2011 erwartet das börsennotierte Unternehmen einen operativen Verlust. 2010 war bei einem Umsatz von knapp 56 Millionen Euro ein Betriebsergebnis von 700.000 Euro übrig geblieben. Statt der erwarteten drei Großproduktionen kamen 2011 nur zwei nach Babelsberg. Trotz der Beliebtheit bei Hollywood-Größen wie Quentin Tarantino („Inglourious Basterds“) mache das Studio kaum Gewinn, sagt Carl Woebcken. „Es wirkt so, als hätten wir große Erfolge. Fakt ist, dass wir von sieben Jahren in dreien eine Dividende zahlen konnten.“ Dies sei auch der Grund, warum die Studios hauptsächlich freie Mitarbeiter beschäftigten. 2004 seien es noch 240 Festangestellte gewesen, 2012 nur noch 90. „Mehr können wir uns nicht leisten.“

Die Kritik, dass sich heimische Filmschaffende als Beteiligte bei internationalen Produktionen unter Wert verkaufen müssen, teilen nicht alle in der Branche. „Die deutschen Teams, die an solchen Produktionen beteiligt sind, bekommen einen großen Blick für die Dinge“, sagt Uli Aselmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutscher Produzenten. Verglichen mit anderen Standorten, etwa in Prag, werde in Deutschland gut bezahlt. „Der Wettbewerb ist nach wie vor hart“, sagt Aselmann. Auch in Hollywood werde zuerst gerechnet – und dann geschaut, was man fürs Geld bekomme.

In Babelsberg seien dies professionelle Dienstleistungen und Darsteller mit internationaler Ausstrahlung wie Christoph Waltz oder Til Schweiger. „Und Deutschland hat einen großen Kinomarkt. Was hier funktioniert, funktioniert oft auch woanders“, sagt der Produzent. Allein an der Spree gibt es rund 270 Kinosäle. Ende 2012, kündigt X-Filme-Chef Arndt an, soll „Cloud Atlas“ aus der Babelsberger Traumfabrik hier zu sehen sein.

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