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Wirtschaft: Kirchen telefonieren künftig mit Otelo

Gewerkschaft fordert Telekom-Mitarbeiter zu Kirchenaustritten auf / Keine Vorentscheidung des Berliner Senats BONN (sm/HB).Otelo will in der zweiten Februarwoche seine Privatkundentarife bekanntgeben.

Gewerkschaft fordert Telekom-Mitarbeiter zu Kirchenaustritten auf / Keine Vorentscheidung des Berliner Senats BONN (sm/HB).Otelo will in der zweiten Februarwoche seine Privatkundentarife bekanntgeben.Sie sollen um 15 bis 20 Prozent unter den Preisen der Deutschen Telekom AG liegen.Über Rahmenverträge mit Verbänden und Organisationen will Otelo darüber hinaus ganzen Kundengruppen zusätzliche Großkundenrabatte anbieten.Mit den beiden großen Kirchen in Deutschland hat Otelo am Mittwoch in Bonn bereits einen solchen Vertrag abgeschlossen. Mit Sondertarifen will Otelo der Telekom ganze Gruppen von lukrativen Kunden der gehobenen Umsatzklasse abjagen.Die Kirchen und die mit ihnen verbundenen diakonischen und karitativen Einrichtungen wollen aufgrund des Mustervertrags bei Ferngesprächen nach eigenen Angaben bis zu 120 Mill.DM im Jahr einsparen.Der Rahmenvertrag bietet allen kirchlichen Einrichtungen Rabatte von zunächst etwa 20 Prozent gegenüber den Telekomtarifen. Der frühere Monopolist reagierte prompt.Ein Unternehmenssprecher kündigte in Bonn an, die Telekom werde keinen Kunden kampflos aufgeben.Der Rahmenvertrag zwischen Otelo und den Kirchen sieht dafür bereits eine Preisspirale nach unten vor: Ein Lenkungsausschuß der Vertragspartner werde dafür sorgen, daß Otelo auch "bei Änderungen der Marktsituation" attraktiv sein werde, erklärte Otelo-Chef Ulf Bohla.Im Klartext: Otelo will Kampfpreise der Telekom weiter unterbieten. Im vergangenen Jahr hätten die 38 000 katholischen und evangelischen Pfarrämter, kirchliche Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten sowie Beratungszentren 850 bis 900 Mill.DM für Telefongespräche ausgegeben.Mit einem Anteil von 2 Prozent des deutschen Telefonmarktes seien die kirchlichen Einrichtungen zusammen der größte deutsche Telefonkunde, so der Sekretär der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Jesuitenpater Hans Langendörfer, vor Journalisten in Bonn. Von den Telefonkosten entfielen 30 bis 50 Prozent auf Ortsgespräche.Diese verblieben ebenso wie die Grundgebühren bei der Telekom.Alle Verbindungen, bei denen zunächst eine Null gewählt wird, werden nach der Vereinbarung über Otelo abgewickelt.Der Rabatt auf Ferngespräche von etwa 20 % auf die Telekom-Preise ergebe die maximale Einsparung von rund 120 Mill.DM jährlich.Inwieweit diese tatsächlich realisiert werde, hänge davon ab, in welchem Umfang kirchliche Einrichtungen in den Rahmenvertrag einstiegen. Langendörfer und sein Kollege Valentin Schmidt, Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, wollen so auch demonstrieren, daß sie mit dem Geld der Kirchensteuerzahler wirtschaftlich umgehen.Durch die Einsparungen könnten bis zu 1 800 Stellen in Einrichtungen weiter finanziert werden, die "den Ärmsten der Armen" zugute kämen, so der Präsident des Diakonischen Werkes, Pfarrer Jürgen Gohde. Die Telekom prüft derweil, ob sie ihren Vertrag mit den Kirchen über die gebührenfreie Telefonseelsorge ändern kann.Die Kirchen gehen davon aus, daß der 1997 für fünf Jahre geschlossene Vertrag mit der Telekom eingehalten werde."Wenn die Telekom aussteigt, sind wir da", sagte dazu Otelo-Chef Bohla. Mit ihrem Wechsel haben die Kirchen große Empörung der Telekom-Gewerkschaft DPVKOM ausgelöst, die implizit gar zum Austritt der Telekom-Mitarbeiter aus der Kirche aufrief.Eine derartige Reaktion gilt zwar auch in der Telekom-Spitze als "absoluter Kappes" und "Blödsinn".Die Kirchenvertreter zeigten sich ob derartiger Vorwürfe dennoch nervös.Dies sei ein ganz "normaler geschäftlicher Vorgang" und habe "nichts mit einer Werbeveranstaltung zu tun", verteidigte sich Valentin Schmidt, auf die Frage, ob die Kirchen zukünftig auch zu einer gemeinsamen Pressekonferenz auflaufen würden, wenn sie sich etwa mit einem Autohersteller auf die Lieferung preisgünstiger Autos verständigen. Der Berliner Innen-Staatssekretär Eike Lancelle dementierte unterdessen eine Meldung der "Berliner Zeitung", wonach "schnellstmöglich" geprüft werde, "ob wir der Telekom den Rücken kehren".Die Telekom habe bei der Auftragsvergabe der Telekommunikationsdienste eine "faire Chance".Der Telekommunikationsanbieter für den öffentlichen Dienst werde ausschließlich nach Preis- und Leistungsgesichtspunkten ausgewählt, erklärte Lancelle am Mittwoch. Wegen der derzeitigen unübersichtlichen und turbulenten Marktentwicklung werde sich die Innenverwaltung "nicht vorschnell an irgendeinen Anbieter binden", betonte der Staatssekretär.Die Entscheidung solle bis spätestens März fallen.Diese werde nicht nur Preisnachlässe bei Ferngesprächen, sondern die Preisgestaltung für das gesamte Angebotsspektrum und die Länge der Bindungsfrist berücksichtigen.

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