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Ab August haben alle Kinder von eins bis drei einen Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung. Bisher gilt das nur für Kinder ab drei.

© dpa

Kitaplätze für alle: Wie man sein Recht auf eine Tagesbetreuung durchsetzt

Vom 1. August an haben auch kleine Kinder einen Rechtsanspruch auf eine Tagesbetreuung. Aber was heißt das? Tipps für die Suche nach dem geeigneten Kitaplatz..

Ein Ruck geht durch die Sandkästen der Republik. Von August an haben alle Kinder vom vollendeten ersten bis vor dem dritten Lebensjahr einen gesetzlichen Anspruch auf eine Tagesbetreuung. Das verspricht der Staat. Und ist guter Hoffnung, das Versprechen auch einzuhalten. So präsentierte Familienministerin Kristina Schröder vor zwei Wochen den Stand des Ausbaus der Betreuungskapazitäten: Rund 813 000 Plätze sollen deutschlandweit nach dem Stichtag im laufenden Kita-Jahr vorhanden sein, das sind über 30 000 mehr als veranschlagt. Finanziert wurde der Ausbau mit 2,54 Milliarden Euro vom Staat – bis zu drei Milliarden sollen es insgesamt noch werden. Doch trotz der guten Nachrichten sind viele Eltern der potenziellen Kita-Kinder in Sorge. Denn die Ministeriumsstatistik enthält keine Informationen zu der Frage, wie es vor Ort aussieht. Vor allem in städtischen Ballungszentren in Westdeutschland rechnet man mit enormen Engpässen bei der Vergabe von öffentlichen Plätzen.

BERLIN HAT GENUG

In Berlin sieht die Lage entspannter aus. Senatssprecher Ilja Koschembar rechnet aktuell sogar mit einem Überschuss an Betreuungsplätzen in der Hauptstadt. „33 000 Verträge laufen mit dem alten Schuljahr aus, während bis zum Jahresende voraussichtlich 32 000 neue Kinder in die Kindertagesbetreuung aufgenommen werden“, sagt Koschembar. Von diesen potenziellen Neuaufnahmen würden zum Stichtag nur 70 Prozent einen Platz in Anspruch nehmen, glaubt die Senatsverwaltung. „Das bedeutet einen Überschuss von rund 12 000 Plätzen in Berlin.“ Bei einer geschätzten Gesamtzahl von 140 000 Kita- Kindern erscheint dieses Polster ausreichend. Doch das Polster ist von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich dick. „Pankow, Treptow-Köpenick und Lichtenberg gehören regelmäßig zu den Bezirken mit der höchsten Inanspruchnahme und größten Nachfrage“, weiß Koschembar. Das heißt: Dort müssen Eltern mit längeren Wartelisten bei den Kitas rechnen. Lässt sich das mit dem neuen Rechtsanspruch vereinbaren?

WER EINEN ANSPRUCH HAT
Der neue Betreuungsanspruch soll ausnahmslos für alle ein- und zweijährigen Kinder gelten. Bisher war der öffentliche Betreuungsplatz für sie an bestimmte Anforderungen gebunden – zum Beispiel mussten die Eltern berufstätig sein. Das ändert sich zum 1. August. Der Bedarf der Eltern spielt dann keine Rolle mehr. „Der neue Rechtsanspruch bezieht sich auf einen Halbtagsplatz im Umfang von fünf Stunden am Tag“, berichtet Sigrid Klebba, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Jugend und Familie. „Können Eltern im Einzelfall einen darüber hinausgehenden Bedarf nachweisen, so haben sie auch Anspruch auf mehr.“ Bis zu neun Stunden können sie dann im Sonderfall beantragen, maximal 45 Stunden pro Woche. Voraussetzung ist jedoch ein hoher Bedarf aufgrund ihrer Berufs- und Familiensituation. Und auch das allgemeine Wohl des Kindes wird bei der Berechnung der Betreuungsdauer berücksichtigt. Anlaufstelle für einen Antrag ist das bezirkliche Jugendamt.

WAS ZUMUTBAR IST

Grundsätzlich können sich die Eltern die Betreuungseinrichtung für ihr Kind selber aussuchen. Sie dürfen sich dabei entweder für eine Kita oder alternativ für eine Tagesmutter oder eine Großtagespflegestelle entscheiden. Sollten sie auf eigene Faust keine Einrichtung finden, hat das Jugendamt für einen zumutbaren Betreuungsplatz zu sorgen.

Zumutbar bedeutet, dass der Platz den zugesicherten Betreuungsumfang und den Bedarf erfüllt – und in angemessener Nähe ist. „Dies ist dann der Fall, wenn bei Familien mit nur einem Kind die Einrichtung mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb von 30 Minuten erreichbar ist oder auf dem Weg zum Arbeitsplatz der Eltern liegt“, sagt Klebba. Und auch die Gesundheit des Kindes spielt eine Rolle: Leidet das Kind beispielsweise unter Allergien, muss das bei der Wahl des Betreuungsortes berücksichtigt werden.

Erfüllt der zugewiesene Platz diese Voraussetzungen, müssen die Eltern ihn annehmen. Das gilt auch dann, wenn sie sich einen Platz in einer Kita gewünscht haben, jedoch einer Tagesmutter zugewiesen wurden. Zwar geht, so Klebba, das Jugendamt bei der Platzvergabe so weit wie möglich auf den Wunsch der Eltern nach einer bestimmten Betreuungsform ein. „Sollte allerdings in keiner Einrichtung ein geeigneter Platz zur Verfügung stehen, kann auch ein Platz in der anderen Betreuungsform zugeteilt werden.“ Entscheiden sich die Eltern aus subjektiven Gründen gegen das Angebot – zum Beispiel weil ihnen die Räumlichkeiten nicht gefallen oder ihnen das Betreuungspersonal nicht kompetent erscheint – verfällt ihr gesetzlicher Anspruch auf einen Betreuungsplatz, da die Behörde ihrer Aufgabe offiziell nachgekommen ist.

PRIVAT STATT ÖFFENTLICH
Aber was ist, wenn nicht nur die Eltern scheitern, sondern auch das Jugendamt keinen geeigneten Platz findet? „In diesem Fall wäre zu prüfen, inwieweit die öffentliche Hand hier finanzierend einspringen kann“, sagt Klebba. So könnten die abgewiesenen Eltern einen Platz in einer privaten Kita in Anspruch nehmen, und die Jugendämter übernehmen dann die entstandenen Mehrkosten im Vergleich zu einem städtischen Angebot. Die Eltern zahlen weiterhin nur den Anteil, der bei der Unterbringung in einer öffentlichen Einrichtung auf sie zugekommen wäre. „Das setzt allerdings voraus, dass der Betreuungsbedarf rechtzeitig beim Jugendamt gemeldet wurde“, warnt Rechtsexperte Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht. „In den meisten Bundesländern sind das mindestens drei Monate vor dem Kitabedarf.“ Außerdem müssen die Eltern die private Einrichtung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten aussuchen: Wer sein Kind in einer Edelkrippe unterbringt, riskiert die Finanzhilfe.

KLAGEN KOSTET

Ein denkbares Szenario: Das Kind ist in einer privaten Kita untergebracht. Dann findet das Jugendamt einen öffentlichen Platz, auf den das Kind sofort umsteigen muss. Theoretisch. Laut Meysen sprechen zwei Gründe dagegen: Das Kind hat sich an das neue Umfeld gewöhnt und der private Kitaplatz unterliegt einer Kündigungsfrist, muss also bis zu deren Ablauf weiterbezahlt werden. Der weitere Verbleib in der Privatkrippe könne deshalb vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt werden.

Sollte aber auch die Suche nach einer privaten Alternative erfolglos bleiben und ein Elternteil nicht arbeiten können, weil das Kind gehütet werden muss, kann man sich vor dem Zivilgericht den entstandenen Gehaltsausfall als Schadensersatz zurückholen. Angst vor einer Kündigung durch den Arbeitgeber muss man nicht haben. „Bis zum Ende des dritten Jahres des Kindes besteht ein Anspruch auf Elternzeit“, sagt Meysen.

Auf der Suche nach rechtlichem Beistand wird man schnell fündig. „Im Moment stellen sich viele Anwälte auf Klagen rund um Kita-Plätze ein. Besonders zu empfehlen sind Fachanwälte für Sozialrecht. Man sollte sich jedoch auf hohe Kosten einstellen, wenn man sie in Anspruch nimmt“, so der Rechtsexperte.

Mathias Scheithauer

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