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Wirtschaft: Klaus Smok

Geb. 1953

„Wenn ich die Rechten rausschmeiße, stapeln sie sich draußen.“ Smok, gesprochen wie das englische Smoke. Auch der Arzt konnte sich den Spruch nicht verkneifen: „Smok heißen und Lungenkrebs kriegen.“

Wirklich sehr kleinmütig vom Schicksal, Klaus Smok fürs heftige Qualmen abzustrafen. Haben schließlich alle geraucht, damals, Ende der Sechziger. Und lange Haare getragen. Traben-Trabach an der Mosel wäre sonst gar nicht auszuhalten gewesen. Und später in Berlin war Klaus dann nicht mehr auszuhalten ohne Zigaretten. Drei Tage haben sie mal versucht, sich keine anzustecken, seine Lebensgefährtin und er. Ein grausames und hoffnungsloses Experiment. Was davon übrig blieb, steht noch im Bücherregal: „Endlich Nichtraucher“.

Klaus Smok hatte Gärtner gelernt. Aber das war mehr die Idee seiner Eltern. Er wollte eigentlich Schauspieler werden, hatte schon einen Vorsprechtermin, an einer Schauspielschule, ging dann aber doch nicht hin, weil er sich nicht sicher war. Später ärgerte er sich, dass er im entscheidenden Moment den Mut verloren hatte. Wäre ganz anders verlaufen sein Leben, aber vielleicht hätte es auch nur einen kleinen Schlenker gemacht.

Als er in Berlin ankam, Mitte der Siebziger, machte er im Graefekiez einen Blumenladen auf. Aber der lief nicht. Irgendwie geriet er dann an einen Job im Jugendzentrum, machte nebenher die Ausbildung zum Erzieher und widmete sich den Jugendbanden im Neuköllner Süden. Da gab es die Türken, die Araber und die Deutschen. Später kamen noch die Russlanddeutschen hinzu. Die Deutschen gerierten sich als Neonazis und traten gelegentlich mit Baseballschlägern auf. Die jungen Türken und Araber bevorzugten Messer oder Macheten, um Rangordnungskämpfe auszutragen. Klaus Smok trug keine Waffen, wenn er dazwischenging. Er war einsneunzig, sportlich und konnte klare Ansagen machen. Das reichte meistens. Wenn nicht, holte er die Polizei.

Mit den Deutschen, den „Faschos“, wollte früher kein Sozialarbeiter etwas zu tun haben. Szeneübliche Kleidung war in den Jugendklubs verboten. Ausgrenzung sollte die rechte Subkultur marginalisieren – und bewirkte genau das Gegenteil. Die Bier trinkenden Neonazi-Cliquen hingen auf Straßen und Plätzen herum und verpassten dem bürgerlichen Rudow das Image einer rechten Hochburg. Klaus Smok hasste das Nazi-Gequatsche. Auch Rudow war eigentlich nicht seine Gegend. Aber seinen Job wollte er gut machen: „Wenn ich die Rechten rausschmeiße, stapeln sie sich draußen.“ Er brachte die Deutschen dazu, mit ihren Erzfeinden, den türkischen Jugendlichen, Fußball zu spielen. Da kam es auf dem Spielfeld zu überraschenden Kommentaren: „Guck mal, der Torwart von den Türken, voll gut gehalten.“ Klaus Smok veranstaltete Discos und Grillabende für alle. Eine Provokation für beide Seiten, aber es funktionierte. Nur die Sache mit der Kriegsgräberfürsorge ging schief. Da wollte keiner mitmachen, auch kein Deutscher.

Der Jugendklub NW 80, den Smok leitete, war mal als Asylbewerberheim gedacht. Ein containerartiger Flachbau, kreischbunt ausgemalt. Dort vermissen sie den Klaus, ihren Chef. „Super Mensch war das, voll fair.“ Im Tischfußball lange Zeit unschlagbar. Sprüche machen konn- te er, und Zigaretten schnorren. „Spielen wir ’ne Runde Marlboro?“ In Smoks Büro war es meistens kalt und immer laut. Hier erledigte er den Papierkram. Kein Ort, wo man gerne länger ist. Nach der Arbeit fuhr er zurück in sein Kreuzberg, in die schöne Altbauwohnung, versteckt im Hinterhaus mit den Glasmalereien und der Backsteinverzierung.

Klaus Smok malte Bilder, warme ruhige Farbkompositionen in Öl. Wenn eins fertig war, verschenkte er es an Freunde oder übermalte es. Er wollte nichts festhalten, keine Schallplatten, keine Bücher. Sogar persönliche Briefe schmiss er weg. Seine Kleidung verwahrte er in drei kleinen Pappschränken. Dann gab es noch diesen Uralt-Computer mit Monochrom-Bildschirm und Dos-Betriebssystem. Darauf vermuteten Freunde einen Romanentwurf oder irgendwelche persönlichen Texte. Aber die Festplatte war leer.

Einmal fing er an, Klarinette zu spielen, nahm Unterricht, übte. Er liebte Jazz, war jahrelang Stammgast im Quasimodo. Als es wegen der Musik Ärger mit einer Nachbarin gab, hörte er auf.

Früher war er oft unzufrieden mit sich, sagt seine Lebensgefährtin. Das sei dann immer mehr einer inneren Ruhe gewichen. Den 50. Geburtstag feierte er, ganz entgegen der bisherigen Praxis, mit vielen Gästen. Das Hadern hatte er sich abgewöhnt. Er verlegte sich aufs Genießen, fing an zu kochen, mit Rezepten von Alfred Biolek.

Klaus Smok wollte seinen Tumor besiegen. Er las das Buch von Lance Armstrong, dem Radrennfahrer, der den Krebs wegtrainiert hatte und dann sechsmal die Tour de France gewann. Klaus Smoks Rennen war zu diesem Zeitpunkt schon entschieden.

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