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Wirtschaft: Klaus Zwickels Mega-Theorie (Kommentar)

Wir brauchen wieder eine zündende Idee, meinte der IG Metall-Vize Jürgen Peters. So ist es, sprach der Vorsitzende Klaus Zwickel.

Wir brauchen wieder eine zündende Idee, meinte der IG Metall-Vize Jürgen Peters. So ist es, sprach der Vorsitzende Klaus Zwickel. Dann erfand er die Rente ab 60. Ein Volltreffer. Die IG Metall bestimmt die Schlagzeilen, und Zwickel holte bei seiner Wiederwahl in der vergangene Woche ein respektables Ergebnis. Inzwischen scheinen auch Walter Riester und Gerhard Schröder dem Gewerkschaftsboss zu folgen. Anscheinend hat der Vorschlag mehr Charme, als auch auf den zweiten Blick sichtbar wird. Über Finanzierung und Beschäftigungswirkung der Frührente lässt sich jedenfalls trefflich streiten. Über die zielgruppengerechte Politik der IG Metall weniger: Die Gewerkschaft wird immer älter, von der Rente ab 60 würde ein Großteil der IG Metall-Mitglieder profitieren. Doch das allein ist nicht das Kalkül Zwickels. Im Vordergrund steht auch nicht der unerschütterliche Glaube an mehr Arbeitsplätze über die Umverteilung der Arbeitszeit. Der Erfinder des Bündnisses für Arbeit präpariert sich vielmehr für die nächste Bündnisrunde.

Die Gewerkschaften sind nämlich am Zuge. Wenn das Bündnis noch viel Sinn machen soll, müssen sie die Bedeutung der Tarifpolitik für das Geschehen auf dem Arbeitsmarkt einräumen - und entsprechende Zugeständnisse machen. Das weiß Zwickel. Und er hofft, sich mit der Rente ab 60 aus der Affäre ziehen zu können. Den Gewerkschaften wird seit Jahren vorgeworfen, ihre Politik orientiere sich im Wesentlichen an den Interessen der Erwerbstätigen und vernachlässige die Arbeitslosen. Nun, mit dem Instrument des Tariffonds, verzichten die "Arbeitsplatzbesitzer" auf einen Teil des Lohnzuwachses, um den vorgezogenen Ruhestand zu finanzieren; Alte machen Platz für Junge. Dieses Erklärungsmodell trägt aber nicht besonders, wie die Erfahrungen mit dem Vorruhestand zeigen. Wenn Hunderttausend früher auf Rente gehen, bekommen nicht annähernd Hunderttausend dadurch einen Arbeitsplatz.

Ein anderer Aspekt liegt näher. Zwickel hat angedeutet, wenn man bei der Frührente weiter käme, dann sei auch eine längerfristige Tarifpolitik denkbar. Mit dieser Perspektive kann er die Arbeitgeber locken: Endlich Schluss mit dem alljährlichen Tarifritual und stattdessen ein Korridor für mehrere Jahre: automatische Lohnsteigerung in Höhe der Inflation plus Anteil an der Produktivitätssteigerung, abzüglich eines fixen Teils für den Tariffonds. Und so würde die Rente ab 60 die Tarifpolitik modernisieren - die Idee hätte gezündet.

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