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Ölförderplattform des staatlichen Ölkonzerns Statoil in der Nordsee

© dpa

Klimapolitik: Mehr und weniger klimafreundlich

Norwegen will nicht mehr in Kohle investieren, aber weiter Öl und Gas fördern. RWE könnte zu den Firmen gehören, aus denen der staatliche Pensionsfonds sein Geld abzieht, weil das wirtschaftliche und das Klimarisiko zu hoch ist.

Für Tine Sundtoft ist es ein „starkes Signal“, was das norwegische Parlament am Freitag, wie erwartet einstimmig, beschlossen hat. Die norwegische Umweltministerin meinte die Entscheidung, das Geld eines der größten Pensionsfonds der Welt, des norwegischen Ölfonds, zumindest teilweise aus Kohleinvestitionen abzuziehen. Am Tag vor dem Beschluss, über den sich in Norwegen alle einig sind, lobte sie vor einer Gruppe deutscher Journalisten in Oslo vor allem das „starke Signal“. Aber konkrete Fragen, wie wirkungsvoll diese Investitionsentscheidung sein wird, wollte sie nicht beantworten.

Seit mehr als einem Jahr sind die klimaschädlichen Investitionen des Pensionsfonds der Regierung (GPFG) ein viel diskutiertes Thema. Ein Teil der Öleinnahmen Norwegens fließt seit Beginn der Erdöl- und Erdgasförderung vor der norwegischen Küste in den Fonds, in dem sich rund 837 Milliarden Euro angesammelt haben. Das Geld ist in mehr als 9100 Firmen weltweit investiert. Auch in den beiden deutschen Energiekonzernen Eon und RWE steckt Geld aus dem norwegischen Ölfonds.

Norwegen investiert viel in den Erhalt der Regenwälder

Norwegen gibt enorme Summen für den weltweiten Klimaschutz aus, beispielsweise für Programme zum Erhalt der Regenwälder, aktuell sind das jedes Jahr knapp 344 Millionen Euro. Aber dieses Geld wird mit der Förderung von Erdöl und Erdgas verdient, die den Klimawandel weiter antreiben. Dieser Grundwiderspruch der norwegischen Klimapolitik ist je nach Höhe des Ölpreises mal lauter mal leiser Thema. Aber die norwegische Politik kommt deshalb international mehr und mehr unter Druck. Tine Sundtoft sagte am Donnerstag, dass Norwegen sich für ein langfristiges Klimaziel einsetze, das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim G-7-Gipfel im bayerischen Elmau gerne unterstützt sähe: eine Weltwirtschaft frei von Kohlenstoffemissionen. Tine Sundtoft strebt 2050 als Zieldatum an. Die Kanzlerin hat das Zieldatum vager gehalten, sie spricht von "der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts".

Norwegen will nicht aus der Öl- und Gasförderung aussteigen

Heißt das dann, dass Norwegen bis dahin aus der Öl- und Gasföderung ausgestiegen sein wird? Sundtoft sagt darauf, es gehe um „Null-Emissionen im Gesamtsystem“. Norwegen will sich die Treibhausgasemissionen beim Verkehr sparen, deshalb werden Elektroautos hoch subventioniert, und deshalb ist der elektrische Sportwagen Tesla eines der meist gesichteten Autos in der Hauptstadt Oslo. Auch die Verpressung von Kohlendioxid in den Untergrund (CCS) ist in Norwegen kein Tabu und in der Ölförderung schon länger im Einsatz. Erneuerbare Energien sollen ausgebaut werden. Aber ein Ende der Öl- und Gasförderung? „Ich denke, dass norwegisches Gas auch 2050 noch für den Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft gebraucht werden wird“, sagt Tine Sundtorft. Die Kohlenstoffneutralität Norwegens hängt also davon ab, dass andere Länder Kohlenstoffzertifikate beispielsweise für den Erhalt von Regenwäldern verkaufen.  

Tine Sundtorft ist seit dem Regierungsantritt der konservativen Regierung für Norwegens Umweltpolitik verantwortlich. Sie ist im Land nicht unumstritten.
Tine Sundtorft ist seit dem Regierungsantritt der konservativen Regierung für Norwegens Umweltpolitik verantwortlich. Sie ist im Land nicht unumstritten.

© Regierung Norwegen

Eine kohlenstofffreie Weltwirtschaft ohne norwegisches Gas kann sich die norwegische Umweltministerin nicht vorstellen. Aber zumindest die Kohleinvestitionen sollen weniger werden. Nach einer Untersuchung der deutschen Nicht-Regierungsorganisation Urgewald hat der norwegische Ölfond in mindestens 148 Konzernen rund 12 Milliarden Euro in Kohleprojekte investiert. Wenn im kommenden Januar tatsächlich die Firmen aussortiert werden, die 30 Prozent ihres Geschäfts oder ihres Umsatzes mit der Verbrennung oder Förderung von Kohle verdienen, aussortiert werden sollten, wären das knapp 7,7 Milliarden Euro, die der Fonds abziehen würde. RWE gehört zu den Firmen, die damit rechnen müssen. Rund zwei Prozent hält der norwegische Ölfonds an RWE. Eine Sprecherin des Konzerns sagte dem Tagesspiegel allerdings, dass noch unklar sei, worauf sich die neuen Investitionsregeln bezögen. RWE erzeuge zwar 60 Prozent des Stroms aus Stein- und Braunkohle, der Umsatz mit Kohlestrom habe 2014 aber nur bei vier Prozentpunkten gelegen. Ähnlich äußert sich Eon, wo der Ölfonds ebenfalls investiert hat. In der Vergangenheit hat der GPFG schon mehrfach Firmen von Investitionen ausgeschlossen. Dabei ging es vor allem um ethische Bedenken, wie beispielsweise Waffenproduzenten oder Tabakkonzerne.

"Danke Norwegen!"

Die NGO, die schon die deutsche Entwicklungsbank KfW mit ihren Recherchen zu Kohleinvestitionen in Erklärungsnot gebracht hat, hat eine Reihe von Schwachpunkten der neuen Kriterien herausgearbeitet. In einem Überblickspapier, das Urgewald an diesem Freitag veröffentlicht, und das dem Tagesspiegel vorliegt, weist Heffa Schücking darauf hin, dass die Kohleaktivitäten der drei größten Bergbaukonzerne- Anglo American, BHP Billiton und Glencore – nicht unter die 30-Prozent-Klausel fallen werden. Sie sind so groß, dass sie bei höchsten 20 Prozent Kohleumsatz landen. Die in diese drei Konzerne investierten gut drei Milliarden Euro aus dem norwegischen Ölfonds entsprechen 364 Millionen Tonnen CO2, wenn diese Kohle verbrannt wird. Nach Schückings Rechnung ist das 16 mal mehr als Norwegen in einem Jahr an CO2-Ausstoß produziert. Dennoch sagt Schücking: „Danke Norwegen!“ Das Land gebe das Signal an andere Investoren, ihr Geld aus klimaschädlichen Geschäften abzuziehen. Tine Langkamp, die für die Klimaaktivisten von 350.org in Deutschland arbeitet, sagte nach dem Parlamentsbeschluss: „Norwegens Entscheidung sollte ein Weckruf für Investoren sein, ihre Gelder von fossilen Brennstoffen abzuziehen."

Die Autorin ist auf Einladung der norwegischen Botschaft nach Oslo gereist.

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