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Wirtschaft: Klimaschutz soll sich lohnen

Das EU-Parlament will den Emissionshandel retten, kann den Widerstand der Industrie bisher aber nicht brechen.

Berlin - Der Umweltausschuss des Europaparlaments will den europäischen Emissionshandel retten. Mit 38 zu 25 Stimmen sprach sich der federführende Ausschuss dafür aus, 900 Millionen Kohlendioxid- Zertifikate zumindest bis 2020 aus dem Markt zu nehmen. Durch die künstliche Verknappung der Zertifikate soll der Preis je außgestoßener Tonne CO2 wieder steigen, was für die Industrie ein Anreiz wäre, energiesparende Technik zu investieren. Die Preise für die Tonne CO2 waren dramatisch gefallen, weil viel zu viele Zertifikate auf dem Markt sind. Am 24. Januar hatte der Industrieausschuss gegen den geplanten Markteingriff gestimmt. Daraufhin war der Preis auf 2,81 Euro pro Tonne gefallen. Er stieg vor der Umweltausschusssitzung in der Erwartung einer Zustimmung zum sogenannten Backloading wieder an, stürzte am Dienstag aber wieder um 20 Prozent auf nunmehr 4,31 Euro pro Tonne CO2 ab. Denn der zuständige Berichterstatter Matthias Groote (SPD) erhielt im Umweltausschuss zunächst kein Mandat, um direkt Verhandlungen mit Ministerrat und EU-Kommission über das Backloading aufzunehmen. Das könnte eine Einigung weiter verzögern.

Der Emissionshandel funktioniert seit Beginn der Wirtschaftskrise nicht mehr. Sie ist aber nicht der einzige Grund für die Schieflage des wichtigsten europäischen Klimaschutzinstruments. Zwischen 2008 und 2013 waren schlicht zu viele Zertifikate ausgegeben worden. Zudem haben sich energieintensive Unternehmen mit Billigzertifikaten außerhalb Europas eingedeckt, die den Überschuss weiter verschärft haben. Dass es EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard nicht gelungen ist, den Flugverkehr wie geplant 2013 in den Handel zu integrieren, bringt weitere 500 Millionen überschüssige CO2-Zertifikate auf den Markt. Insgesamt beträgt der Überschuss nach Berechnungen der EU-Kommission rund zwei Milliarden Zertifikate. Nach Einschätzung des Emissionshandelsexperten des Öko-Instituts, Felix Matthes, dürfte der Überschuss ohne Eingriff bis 2025 erhalten bleiben – mit der Folge, dass es keinen Anreiz für klimafreundliche Investitionen gibt.

Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) hat für das Backloading gestimmt: „Firmen, die veraltete Technik benutzten, werden praktisch belohnt. Deshalb halte ich den Eingriff für richtig.“ Das sieht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) anders. VCI-Präsident Karl Ludwig Kley sagte: „Greift die Politik in den Emissionshandel ein, droht das einen funktionierenden Markt aus der Bahn zu werfen.“ Kley hatte vor der Einführung des Emissionshandels 2005 als Vorstandschef von BASF vehement gegen den Emissionshandel gekämpft. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Holger Lösche, äußerte sich ähnlich. Dagegen hatte der Eon-Chef Johannes Teyssen am Montag für eine Marktstützung plädiert. „Die Botschaft ist, dass es in den kommenden zehn Jahren keinen Grund gibt, in eine kohlenstoffarme Technologie zu investieren“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Teyssen plädiert sogar für dauerhafte Markteingriffe. Er schlägt einen Mindest- und einen Höchstpreis vor. Der Klimaexperte der SPD im Bundestag, Frank Schwabe, sagte: „Es geht gerade um nicht weniger als die Grundsatzfrage, ob Europa überhaupt zu einer wirkungsvollen Klimaschutzpolitik in der Lage ist.“

Bei den weiteren Verhandlungen zeichnet sich ab, dass Deutschland keine Position beziehen kann. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) plädierte am Montagabend in Berlin für einen Markteingriff, um den Emissionshandel wieder zum Funktionieren zu bringen. Allerdings ist es ihm noch nicht gelungen, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) davon zu überzeugen. Altmaier sagte dem Tagesspiegel, er wolle bei Rösler für seine Position werben, bevor der Europäische Rat sich im März mit dem Emissionshandel beschäftigt. Übrigens hat eine Twitter-Nachricht Altmaiers, die offenbar missverstanden worden war, den CO2-Preis vor ein paar Wochen kurzzeitig steigen lassen. Altmaier hatte geschrieben, dass Kanzlerin Merkel seine Position unterstütze. Allerdings meinte er seinen Vorschlag zur Stabilisierung des Strompreises. Ohne derartige Spekulationen läge der CO2-Preis womöglich längst bei Null.

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